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Rechtsbericht | Türkei | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Die nachstehende Zusammenfassung gibt potenziellen deutschsprachigen Investoren einen ersten komprimierten Überblick über das türkische Arbeitsrecht.

Von Satı Gör Tekbaş (AHK Istanbul) | Istanbul

Die folgenden Angaben stellen eine Erstinformation zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Rechtspraxis dar. Germany Trade & Invest bietet keine weiterführende Rechtsberatung hinsichtlich der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen oder arbeitsrechtlicher Einzelfälle an.

Gesetzliche Regelungen auf einen BlickStand 22.07.25
Vergütung: Freie Vereinbarung möglich
Mindestlohn: 22.105 Türkische Lira (netto) *)
Arbeitsstunden pro Woche: Max. 45 Stunden
Zulässige Überstunden: Max. 270 Stunden/Jahr
Bezahlte Feiertage: 15,5 Tage
Bezahlte Urlaubstage: Je nach Betriebszugehörigkeit 14 bis 26 Tage
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Nicht gesetzlich geregelt
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Im türkischen Arbeitsrecht ist die krankheitsbedingte Abwesenheit zeitlich begrenzt. Übersteigt sie die Kündigungsfrist zuzüglich sechs Wochen, kann der Arbeitgeber aus wichtigem Grund kündigen. Eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber erfolgt nicht. Ab dem dritten Krankheitstag zahlt die Sozialversicherung (SGK) Krankengeld direkt an den Arbeitnehmer. Für die ersten zwei Tage besteht kein Anspruch auf Zahlung. Bei unheilbarer Krankheit und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Probezeit: Max. zwei Monate, kann jedoch durch Tarifvertrag bis auf vier Monate verlängert werden.
* Brutto: 26.005,50 Türkische Lira (TL) (ab 01.01.25).Quelle: Nr. 4857 Türkisches Arbeitsgesetz 2024

Rechtsgrundlagen

Maßgebliche Quelle des Individualarbeitsrechts ist das Gesetz Nr. 4857 vom 22. Mai 2003 (ArbG), das im Amtsblatt Nr. 25134 vom 10. Juni 2003 verkündet wurde und am selben Tag in Kraft trat. Flankiert und ergänzt wird das Gesetz durch eine ganze Reihe von Verordnungen, wie durch die Verordnung über Mehrarbeit und Überstunden, die im Amtsblatt Nr. 25425 vom 06. April 2004 veröffentlicht wurde. Für bestimmte Berufsgruppen wie Seeleute und Journalisten gelten Sondervorschriften. Subsidiär sind die allgemeinen Vorschriften des Obligationengesetzbuchs heranzuziehen.

Vertragsabschluss 

Artikel 8 Abs. 1 ArbG definiert ein Arbeitsverhältnis als einen Vertrag, kraft dessen sich eine Partei (Arbeitnehmer) einer anderen (Arbeitgeber) gegenüber verpflichtet, in Weisungsabhängigkeit und gegen Entgelt Arbeitsleistungen zu erbringen.

Ein solcher Vertrag kann auf unbestimmte Zeit oder befristet abgeschlossen werden. Im Grundsatz unterliegt der Arbeitsvertrag keiner Form, er kann also auch mündlich oder stillschweigend geschlossen werden. Eine Schriftform ist allerdings dann erforderlich, wenn es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt, dessen Laufzeit auf die Dauer von mindestens einem Jahr angelegt ist (Artikel 8 Abs. 2 ArbG). Ein Verstoß gegen dieses Formerfordernis führt gleichwohl nicht zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages, sondern lediglich zur Unwirksamkeit seiner Befristung. Er gilt dann als von Anfang an unbefristet.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Der Beschäftigte schuldet die Verrichtung der vertraglich vereinbarten Arbeit. Dabei unterliegt er der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, die allerdings ihre Schranken in den gesetzlichen, tarif- oder arbeitsvertraglichen Vorgaben findet. So normiert beispielsweise Artikel 63 ArbG die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden, Überstunden sind nach Art. 41 ArbG in Verbindung mit Art. 4 und 5 der "Verordnung für Mehrarbeit und Überstunden" nur bis zu einer Höhe von 270 Stunden im Jahr zulässig und mit einem Zuschlag von 25 bis 50 Prozent des regulären Lohns zu vergüten. Alternativ kann – auf Wunsch des Arbeitnehmers – ein Freizeitausgleich der geleisteten Überstunden gewährt werden.

Wettbewerbsverbote können für ein laufendes Vertragsverhältnis vereinbart werden. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote entfalten indes nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der Art. 444 bis 447 des Obligationengesetzbuchs (Türk Borclar Kanunu), veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 27836 vom 4. Februar 2011, Wirkung. Sie unterliegen der Schriftform, können maximal für die Dauer von zwei Jahren (Art. 445) vereinbart werden, müssen hinreichend bestimmt sein und setzen unter anderem einen drohenden Schaden für den Dienstherrn voraus.

Der Arbeitgeber hingegen schuldet den vereinbarten Lohn, dessen Mindesthöhe vom Gesetzgeber in jährlichen Intervallen festgelegt wird. Ungeachtet anderer Absprachen hat der Arbeitgeber den Lohn nach Artikel 32 Abs. 2 ArbG lediglich in türkischer Währung zu leisten (unter Umständen zum jeweiligen Tageskurs). In bestimmten Fällen, etwa bei Verbindungsbüros oder Auslandstätigkeiten, kann die Vergütung auch in Devisen erfolgen. Geht der Lohn nicht fristgerecht ein, steht dem Mitarbeitenden ein Kündigungsrecht im Sinne des Artikels 24 ArbG zu. Die Verjährungsfrist für Lohnforderungen beträgt fünf Jahre (Artikel 32 Abs. 8 ArbG).

Ansprüche auf bezahlten Erholungsurlaub entstehen den Mitarbeitenden erstmalig nach einer einjährigen Wartezeit (Artikel 53 Abs. 1 ArbG). In der Praxis wird der Urlaub meist schon vor Ablauf des ersten Jahres gewährt, um Ansammlungen zu vermeiden. Die Zahl der jährlichen Urlaubstage bemisst sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Danach stehen Beschäftigten in den ersten 5 Jahren 14 Tage, in den darauffolgenden 10 Jahren 20 Tage und ab einer Betriebszugehörigkeit von insgesamt 15 Jahren 26 Tage Jahresurlaub zu.

Vertragsbeendigung 

Falls eine Probezeit vereinbart wurde, können alle Arbeitsverhältnisse, auch die befristeten, während des entsprechenden Zeitraums ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (bildirim süresi) gekündigt werden (Artikel 15 ArbG). Ansonsten ist eine einseitige Lösung von befristeten Vertragsverhältnissen nur bei Vorliegen eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grundes statthaft. Eine Definition eines solchen berechtigten Grundes (hakli neden) bleibt das Gesetz schuldig. Allerdings finden sich in Artikel 24 ArbG (für die Mitarbeitenden) und in Artikel 25 ArbG (für den Arbeitgeber) beispielhafte Aufzählungen unter anderem gesundheitliche Umstände, ebenso verschiedene Tatbestände groben Fehlverhaltens der anderen Seite oder bestimmte Erscheinungsformen höherer Gewalt. Stützt sich die Kündigung auf ein Fehlverhalten, ist sie innerhalb einer sechstägigen Frist ab Kenntnisnahme, spätestens jedoch innerhalb eines Jahres ab Tatbestandsverwirklichung, auszusprechen (Artikel 26 ArbG).

Auch unbefristete Vertragsverhältnisse können nach Maßgabe der soeben dargestellten Artikel 24 ff. ArbG außerordentlich, also fristlos, gekündigt werden. Was die ordentliche Kündigung anbelangt, so ist dahingehend zu differenzieren, ob der besondere Kündigungsschutz der Artikel 18 ff ArbG eingreift oder nicht. Im Normalfall bedarf es zur ordentlichen Kündigung keines besonderen Grundes. Lediglich eine Kündigungsfrist, die sich in Abhängigkeit zur Betriebszugehörigkeit berechnet, ist nach Maßgabe folgender Staffelung einzuhalten (Artikel 17 ArbG).

Betriebszugehörigkeit

Dauer im Unternehmen

Kündigungsfrist

Bis zu 6 Monate

2 Wochen

Von 6 bis 18 Monate

4 Wochen

Von 18 Monate bis 3 Jahre

6 Wochen

Mehr als 3 Jahre

8 Wochen

Auf den besonderen Kündigungsschutz der Artikel 18 bis 21 ArbG können sich diejenigen berufen, deren unbefristetes Vertragsverhältnis bereits sechs Monate währt und deren Arbeitgeber in derselben Branche, nicht unbedingt im selben Betrieb, mindestens 30 Mitarbeitende beschäftigt. Eine Kündigung ist dann nur bei Vorliegen eines gültigen Grundes (gecerli sebep) rechtmäßig, das Gesetz definiert diesen Begriff nicht abschließend, führt jedoch beispielhafte Gründe wie betriebsbedingte Erfordernisse, persönliches Leistungsverhalten oder verhaltensbedingte Pflichtverletzungen an.

Der Grund muss aus dem Kündigungsschreiben jedenfalls eindeutig hervorgehen, andernfalls ist die Kündigung schon aus formellen Gründen unwirksam (Art. 19 Abs. 1 ArbG).

Rechtspraxis

Die Regelungen zu Beschäftigungsverhältnissen gehören in der Türkei zu den strengsten innerhalb der OECD. Das türkische Arbeitsrecht sieht eine gesetzliche Dienstaltersabfindung („Kidem Tazminati“) vor. Diese Abfindung, die Arbeitgeber nach mindestens zwölf Monaten Beschäftigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlen müssen, stellt im internationalen Vergleich eine hohe Kostenbelastung dar: Nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit entspricht die gesetzliche Abfindung etwa 87 Wochenlöhnen, da pro Beschäftigungsjahr ein Monatsgehalt gezahlt wird, gedeckelt durch die jeweils gültige Obergrenze. Im 2. Halbjahr 2025 liegt die gesetzliche Obergrenze bei 53.919,7 Türkischen Lira pro Beschäftigungsjahr und wird regelmäßig angepasst.

Konfliktlösung

In der Praxis werden Konflikte bei Kündigungen meist durch finanzielle Abfindungen gelöst. Mitarbeitende können gegen eine Kündigung Widerspruch einlegen und ein Mediationsverfahren anstreben. Sollte dort keine Einigung erzielt werden, können sie eine Klage auf Wiedereinstellung erheben, die sich mehrere Jahre ziehen kann. Berichten zufolge sind die Erfolgsaussichten für Unternehmen gering. Um Prozesse zu vermeiden, streben viele Firmen Aufhebungsverträge an. Diese beinhalten neben der gesetzlichen Dienstaltersabfindung meist vier bis sechs Monatsgehälter zusätzlich.

In der Türkei gibt es viele Frührentner. Häufig bleiben Mitarbeitende nach dem Eintritt in den Ruhestand und dem Erhalt ihrer Abfindung sowie der gesetzlichen Rente weiterhin im gleichen Unternehmen beschäftigt, meist mit leicht angepassten Arbeitsbedingungen. Für diese Weiterbeschäftigung zahlen Arbeitgeber und Beschäftigte prämienähnliche Beiträge an die Sozialversicherungsanstalt.

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