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Im Vergleich mit den Nachbarn schneidet Tunesien gut ab. Wenn man sich als Nearshoring-Standort profilieren will, muss Liberalisierung aber mehr als ein Schlagwort sein.
29.06.2020
Von Peter Schmitz | Tunis
Tunesien konnte seine Punktzahl im Geschäftspraxisranking des Weltwirtschaftsforums (Global Competitiveness Report) zuletzt leicht verbessern, blieb aber auf Rang 87. Damit sind in Afrika nur Mauritius, Südafrika, Marokko und die Seychellen besser notiert. Die letzte Regierung hatte als Ziel ausgegeben, unter die ersten 50 Länder zu kommen. Unternehmer nennen soziale und politische Instabilität sowie die öffentliche Verwaltung als wesentliche Hindernisse oder Risiken für die geschäftliche Entwicklung.
Ein Aspekt davon sind Auswirkungen von Reformen auf Interessen von Arbeitnehmern. Die Gewerkschaften nehmen sehr aktiv am politischen Prozess teil, es kommt immer wieder zu Streiks, die das wirtschaftliche und öffentliche Leben beeinträchtigen. Andererseits gilt das Bildungsniveau in Tunesiens als relativ gut. Dennoch sind Fachkräfte je nach Branche schwer zu bekommen oder zu halten. In einigen technischen Studienfächern gibt es viele junge Absolventen, die auf Arbeitsuche sind. Der Drang nach Europa zu gehen wird immer stärker, so dass es teilweise nicht einfach sein wird, langfristig gutes Personal zu binden. Im Bereich der gewerblichen Ausbildung gibt es Initiativen, die die betriebliche Aus- und Weiterbildung - angelehnt an das deutsche Modell - als Vorbild haben (beispielsweise angesiedelt bei der AHK Tunesien).
Ein anderer Aspekt der öffentlichen Verwaltung zeigte sich erneut im Verlauf der Corona-Pandemie. Zwar gelang es durch strikte Maßnahmen, die Ausbreitung des Virus einzugrenzen und dadurch wieder schnell zur Normalität zurück zu kehren. Aus Wirtschaft und Industrie gab es aber viel Kritik für intransparente Verfahren bei der Beantragung von Genehmigungen zur Geschäftsfortführung und bei der Bearbeitung von Hilfsmaßnahmen für betroffene Betriebe. Im Gespräch mit Unternehmensvertretern wird zudem immer wieder die Zollbearbeitung als problematisch genannt. Nicht immer sind die Verfahrensvorgänge vorhersehbar, es kann zu deutlichen Verzögerungen kommen. Falls möglich wird darauf mit höheren Lagerbeständen reagiert, was die Kosten steigert. Landrechte sind mitunter nicht geregelt und nur langwierig zu klären. Der Kontakt mit der Zentralbank kann sich schwierig gestalten. Der tunesische Dinar ist nicht voll konvertibel, für einige Transaktionen ist eine Genehmigung erforderlich. Grundsätzlich sind für Ausländer jedoch Fremdwährungskonten möglich.
Auch mit Blick auf die Einschätzung des Weltwirtschaftsforums zeigt sich, dass zu viel Regulierung als problematisch angesehen wird. Das betrifft neben dem Bankensektor auch den Arbeitsmarkt und fast alle Genehmigungsvorgänge. Dieser Punkt spricht zusätzlich für die Nutzung der Sonderwirtschaftszonen. Auch das angesprochene Thema der Landrechte ist hier geregelt, es gibt auch steuerliche und andere Anreize. Daneben wird die Zuverlässigkeit der Luftverkehrsdienste als schlecht angesehen. Im Jahr 2018 kam es bei Flügen von Tunisair mitunter zu großen Verspätungen, die Lage hatte sich jedoch verbessert. Wie es nach der Öffnung der Grenzen und Wiederaufnahme des Flugverkehres ab Ende Juni 2020 sein wird, bleibt abzuwarten.
Eine Befragung der tunesischen Bevölkerung aus dem August 2019 zeigte, dass die Korruption deutlich stärker wahrgenommen wird als vor der Revolution 2011. Die Wahl von Kais Saied zum neuen Präsidenten war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er als politisch bisher mehr oder weniger unbeschriebenes Blatt hohe Glaubwürdigkeit für den Kampf gegen die Korruption genießt.
Einige negative Aspekte schwächen sich im Vergleich mit den Nachbarländern ab. Grundsätzlich ist je nach Branche und Geschäftstätigkeit zu unterscheiden, welche Punkte sich als relevant herausstellen. Auch innerhalb Tunesiens gibt es regional große Unterschiede.
Kriterien | Tunesien | Deutschland |
---|---|---|
Gesamtrang | 87 | 7 |
1 Institutionen (Eigentumsrecht, Auditierung, Rechtsschutz) | 73 | 18 |
2 Infrastruktur | 85 | 8 |
3 Makroökonomische Rahmenbedingungen | 124 | 36 |
4 Gesundheit und Grundbildung | 49 | 31 |
5 Höhere Bildung und Ausbildung | 84 | 5 |
6 Effizienz der Gütermärkte (Firmengründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften) | 92 | 9 |
7 Effizienz des Arbeitsmarktes | 133 | 14 |
8 Entwicklung des Finanzmarktes | 94 | 25 |
9 Technologische Reife | 83 | 36 |
10 Marktgröße | 71 | 5 |
11 Qualität des Geschäftsumfeldes | 74 | 5 |
12 Innovation | 92 | 1 |