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Wirtschaftsumfeld | Tunesien | Investionsförderung

Praxischeck

Der stockende Reformprozess im Land betrifft auch geschäftspraktische Verfahren. Im Vergleich mit den Nachbarländern schneidet Tunesien dennoch gut ab. 

Von Peter Schmitz | Tunis

Die politischen Wirren der vergangenen Jahre verlangsamten den Reformprozess und Präsident Kais Saied legt seine Prioritäten auch nicht auf Wirtschaftsreformen. Die Heritage Foundation klassifiziert Tunesien in ihrem Index of Economic Freedom als "mostly unfree". Im weltweiten Ranking liegt das Land auf Rang 132 von 176. Im regionalen Vergleich jedoch lassen sich in Tunesien nach wie vor gute Geschäfte machen. Seit 2018 verschlechterte sich die Einschätzung leicht, dennoch liegt Tunesien vor Algerien und Ägypten, aber hinter Marokko.

Verwaltung und Finanzen als hemmende Faktoren

Während die Rechtsstaatlichkeit überdurchschnittlich gut abschneidet, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen stark verbesserungswürdig. Korruption ist nach wie vor ein Problem, Lizenzierungs- und Genehmigungsverfahren sind intransparent. Die Abgabenlast liegt unter dem globalen Durchschnitt, stieg jedoch zuletzt. Prekäre öffentliche Finanzen erhöhen das Risiko, dass die Abgabenlast in Zukunft weiter wächst. Der Regierung fehlt dabei mitunter das Gespür, die Auswirkungen einzelner Abgabenerhöhungen auf das Investitionsklima abzusehen. 

Im Zentrum des Reformprozesses und auch der aktuellen politischen Auseinandersetzung stehen die Gewerkschaften. Sie nahmen bisher aktiv am politischen Leben teil, nun versucht die Exekutive diesen Einfluss zurückzudrängen. Es kommt immer wieder zu Streiks, die das wirtschaftliche und öffentliche Leben beeinträchtigen. Ein Ergebnis der starken Stellung der Gewerkschaften ist ein überregulierter Arbeitsmarkt.

Das Bildungsniveau in Tunesiens gilt als gut. Dennoch sind Fachkräfte je nach Branche schwer zu bekommen oder zu halten. In einigen technischen Studienfächern gibt es zwar viele Absolventen, der Drang nach Europa zu gehen wird aber immer stärker. In der gewerblichen Ausbildung gibt es Initiativen, die die betriebliche Aus- und Weiterbildung - angelehnt an das deutsche Modell - als Vorbild sehen (angesiedelt auch bei der AHK Tunesien). 

Eine andere Herausforderung der öffentlichen Verwaltung zeigte sich erneut im Verlauf der Coronapandemie. Zwar gelang es durch strikte Maßnahmen, die Ausbreitung des Virus einzugrenzen und dadurch schnell zur Normalität zurückzukehren. Aus Wirtschaft und Industrie gab es aber viel Kritik für intransparente Verfahren bei der Beantragung von Genehmigungen zur Geschäftsfortführung und bei der Bearbeitung von Hilfsmaßnahmen für betroffene Betriebe. Im Gespräch mit Unternehmensvertretern wird zudem immer wieder die Zollbearbeitung als problematisch genannt. Nicht immer sind die Verfahrensvorgänge vorhersehbar, es kann zu deutlichen Verzögerungen kommen. Falls möglich, wird darauf mit höheren Lagerbeständen reagiert, was die Kosten steigert. Landrechte sind mitunter nicht geregelt und nur langwierig zu klären. Der Kontakt mit der Zentralbank kann sich schwierig gestalten. Der tunesische Dinar ist nicht voll konvertibel, für einige Transaktionen ist eine Genehmigung erforderlich. Grundsätzlich sind für Ausländer jedoch Fremdwährungskonten möglich.

Vorteile für Sonderwirtschaftszonen

Die US-Denkfabrik Heritage Foundation schätzt den regulatorischen Rahmen in Tunesien als intransparent und ineffizient ein. Das betrifft neben dem Bankensektor auch den Arbeitsmarkt und fast alle Genehmigungsvorgänge. Dieser Punkt spricht zusätzlich für ein Engagement in den Sonderwirtschaftszonen. Die Landrechte sind hier geregelt, es gibt auch steuerliche Anreize.

Eine Befragung der tunesischen Bevölkerung vom August 2019 ergab, dass die Korruption deutlich stärker wahrgenommen wird als vor der Revolution 2011.

Einige negative Aspekte relativieren sich jedoch im Vergleich zu den Nachbarländern. Grundsätzlich ist je nach Branche und Geschäftstätigkeit zu unterscheiden, welche Punkte sich als relevant herausstellen. Auch innerhalb Tunesiens gibt es regional große Unterschiede.

WEF-Länderrating 2019, Tunesien (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 141 Ländern)

Kriterien

Tunesien

Deutschland

Gesamtrang

87

7

1 Institutionen (Eigentumsrecht, Auditierung, Rechtsschutz)

73

18

2 Infrastruktur

85

8

3 Makroökonomische Rahmenbedingungen

124

36

4 Gesundheit und Grundbildung

49

31

5 Höhere Bildung und Ausbildung

84

5

6 Effizienz der Gütermärkte (Firmengründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften)

92

9

7 Effizienz des Arbeitsmarktes

133

14

8 Entwicklung des Finanzmarktes

94

25

9 Technologische Reife

83

36

10 Marktgröße

71

5

11 Qualität des Geschäftsumfeldes

74

5

12 Innovation

92

1

Quelle: World Economic Forum, Global Competitiveness Report

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