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Ukraine reformiert und investiert in den Abfallsektor
Die Abfallwirtschaft muss modernisiert werden. Hohe Investitionen werden notwendig sein. Partnerländer sorgen für einen Teil der Finanzierung. Das eröffnet Geschäftsmöglichkeiten.
04.11.2025
Von Waldemar Lichter | Warschau
Ausblick der Abfallwirtschaft in der Ukraine
Bewertung:
- Zahlreiche Investitionsprojekte in Vorbereitung.
 - Internationale Finanzierung steht bereit.
 - Krieg bleibt hohes Risiko.
 
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2025
Markttrends
Die ukrainische Abfallwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Das System der Abfallsammlung, -behandlung und -wiederverwertung entspricht weder europäischen Standards noch den Anforderungen nachhaltiger Kreislaufwirtschaft. Ein Großteil der Abfälle landet auf Deponien oder wilden Müllkippen. Nur 78 Prozent der Bevölkerung werden von der Abfallsammlung erfasst. Die Ausrüstungen der Branche sind veraltet. Die Recyclingquoten sind im europäischen Vergleich mit 3 bis 5 Prozent dramatisch niedrig. Die Ukraine generiert jährlich über 10 Millionen Tonnen Siedlungsabfall, davon wird nur ein geringer Teil verarbeitet oder ordnungsgemäß entsorgt.
Abfallwirtschaft muss reformiert werden
Ungeachtet des Krieges setzt die Regierung die Reformen des Abfallsektors fort. Ziel ist die Transformation vom deponiebasierten zum kreislauforientierten System, das stärker EU-Standards entspricht. Das wird Geschäftsmöglichkeiten schaffen. Denn die Modernisierung wird mit Investitionen verbunden sein und somit die Nachfrage nach Anlagen und Ausrüstungen befeuern.
Der Nationale Abfallplan vom Januar 2025 definiert, in welche Bereiche Investitionen fließen werden. So soll die flächendeckende Versorgung mit Abfalldienstleistungen verbessert werden. Bis 2033 werden mindestens 85 Prozent der Bevölkerung an Sammel- und Entsorgungsdienste angeschlossen sein, während Recycling sukzessive von 10 Prozent 2025 auf 70 Prozent bis 2033 gesteigert wird.
Deponieanteil soll sinken
Reduziert werden soll die Deponierung von Siedlungsabfall – von derzeit über 90 Prozent auf 30 Prozent bis 2030. Beabsichtigt ist, bis 2033 rund 70 Prozent der nicht gefährlichen Abfallmaterialien dem Recycling zuzuführen. Geplant ist der Bau von über 200 Abfallbehandlungsanlagen nach EU-Standard.
Private Investitionen sollen gezielt über öffentliche Partnerschaften gefördert werden. Programme der EU, der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der deutschen Förderbank KfW unterstützen Pilotprojekte für Sortierung, Recycling und energetische Abfallverwertung.
Ein Sonderbereich ist die Entsorgung des kriegsbedingten Bauschutts. Benötigt werden Verarbeitungsanlagen für Bauschutt sowie Anlagen für das Recycling von Beton, Ziegeln, Holz und Metall. Entsprechende Projekte werden vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP, der Japan International Cooperation Agency (JICA), der EU, Schweden und der Nordic Green Bank (NEFCO) finanziert.
| Projekte | Ort | Finanzierung | Volumen  | Beschreibung | 
|---|---|---|---|---|
NEFCO Green Recovery  | landesweit | Nordische Länder (circa 1/3), EU (circa 2/3) | 400  | Etwa 50 Projekte laufend (Juli 2025), über 30 abgeschlossen; Infrastruktur, Energie, Wasser, Abfallwirtschaft | 
S3RoU (UK- Ukraine)  | landesweit | UK InnovateUkraine (13 Projekte gesamt) | 18  | University of Leeds; mobile Produktionslinie zur Aufbereitung von Bauschutt in CO₂-arme Baumaterialien | 
KSG Agro Recyclinganla ge  | Region Kherson | Privat (internationale Investoren gesucht) | 7,3  | Landwirtschaftsunternehmen; Sortieranlage für Bau- und Abbruchabfälle; geplanter Start Ende 2026 | 
Irpin Abbruchprojek t  | Irpin, Region Kyjiw | NEFCO, Schweden (Außenministerium, Sida) | 5,9  | Scania-LKW und Volvo-Bagger; nachhaltiges Abbruch- und Schuttmanagement; Start Herbst 2025, Abschluss Frühjahr 2026 | 
UNDP Schuttbeseitig ung  | 8 Regionen landesweit | Japan, Republik Korea, MPTF Ukraine Community Recovery Fund | k.A.  | Über 600.000 Tonnen Schutt entfernt (bis Juli 2025); Programm seit 2022 | 
Investitionen in Waste-to-Energy-Anlagen
Starkes Interesse ist an Waste-to-Energy-Projekten auf Basis von RDF (Refuse-Derived Fuel) festzustellen. Treibende Kraft ist die staatliche Agentur für Wiederaufbau und Infrastrukturentwicklung, die Gemeinden bei der Entwicklung dieser Projekte unterstützt. Kooperationsabkommen mit der EIB, dem EDFC/Economic Development Cooperation Fund (Korea) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sollen helfen, solche Projekte zu kofinanzieren.
Das größte RDF-Projekt wird derzeit in Odessa von Posco International (Korea, Rep.) durchgeführt. Gebaut wird eine KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Kopplung) für umgerechnet 91 Millionen Euro. Weitere KWK-Anlagen auf RDF-Basis sind in Schytomyr und in Chmelnyzkyj (Förderung unter anderem über den EDCF sowie zum Teil durch die EBRD in Vorbereitung).
| Projekt | Aktueller Stand des Projektes | Investor / Finanzierung | 
|---|---|---|
Abfallmanagement-Projekt in Hrybovychi (Lwiw), insgesamt: 72 Millionen Euro  | Sanierung der Abfalldeponie Hrybovychi (3 Phasen), Bau einer mechanisch-biologischen Abfallaufbereitungsanlage 250.000 Tonnen/Jahr, erste Phase Ende 2024 abgeschlossen  | Kommunales Unternehmen "Zelene Misto"; EBRD, EIB, Zuschuss des Fonds Eastern Europe Energy Efficiency and Environment Partnership (E5P)  | 
RDF-CHP Kraftwerk Odessa  | Projektkonzeptpapier in Vorbereitung, Grundstück (4 ha) zugewiesen, Ingenieurnetzwerke verlegt (2025)  | Posco International (Südkorea) - 106 Mio. US$ über EDCF-Finanzierungsmechanismus  | 
Chmelnyzkyj Mülldeponiemodernisierung  | Bauvertrag unterzeichnet (Juli 2024), Umsetzung läuft seit August 2024, Fertigstellung bis 2026  | EBRD (28,5 Mio. US$ Kredit) + EU (5 Mio. US$ Zuschuss) + Stadt Khmelnytskyi (3 Mio. US$)  | 
Kyjiw Müllverbrennungsanlage "Energiya" Modernisierung  | Konzeptentwicklungsphase, Investorensuche läuft, Wettbewerb für beste Vorschläge angekündigt  | PPP-Modell geplant, potenzielle Investition 70 Mio. US$  | 
JICA Trümmerverwertungszentrum Kyjiw-Oblast  | In Betrieb seit 2024, bereits über 4.300 Tonnen Schutt verarbeitet, Ausrüstung von Japan bereitgestellt  | JICA (Japan International Cooperation Agency) und UNDP Ukraine  | 
WM4U Pilotprojekte (Krementschuk,Winnyzja, Iwano-Frankiwsk, Lozova)  | Pilotgemeinden ausgewählt (März 2025), schwedische Partner zugeordnet, Implementierung 2024-2027  | Sida (Swedish International Development Cooperation Agency) über Avfall Sverige & SALAR  | 
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Nach Schätzungen sind landesweit mehrere Hundert kommunale und private Entsorgungsunternehmen tätig. Es handelt sich um Einzelfirmen pro Gemeinde oder Stadt, einige private Unternehmen insbesondere im Bereich gefährlicher und medizinischer Abfälle sowie öffentlich-private Partnerschaften.
Interkommunale Zweckverbände sind noch die Ausnahme. Der erste Zweckverband in der Ukraine ist EcoService-2022 in der Oblast Poltawa, dem vier Gemeinden angehören. Gegründet wurde dieser mit Hilfe der Exportinitiative Umweltschutz (EXI). Auch das schwedisch-ukrainische WM4U-Programm unterstützt ähnliche Modelle in vier weiteren Regionen.
Zu den wichtigsten privaten Unternehmen im ukrainischen Abfallsektor gehören Ukrecoprom LLC (Entsorgung gefährlicher Abfälle) und Youreko (Industrie- und Gefahrstoffen). Dies sind zwei von acht zertifizierten Unternehmen im Bereich Gefahrstoffentsorgung. Ein bedeutendes privates Unternehmen ist BSG Global Recycling - spezialisiert auf Papier- und Kartonrecycling.
Remondis und Veolia mit Tochterfirmen vertreten
Im Abfallsektor sind einige ausländische Unternehmen vertreten. Remondis (Deutschland) ist seit 2007 über ein Joint Venture mit der Stadt Saporischschja operativ aktiv. Später folgten Melitopol und Cherkassy. Veolia (Frankreich) ist seit 1995 an mehreren Standorten mit Dienstleistungen rund um kommunale und gewerbliche Abfallentsorgung vertreten. Remondis und Veolia sind Mitgründer des Dachverbandes großer Entsorger, Ukrainian Ecological Alliance (Ukrecoalliance). Pläne für den Bau von Abfallverwertungsanlagen verfolgen die polnische Firma Remko Sp.z.o.o. (Region Kyjiw) und die italienische Gesenu Ambiente Group (Region Transkarpatien).
Rahmenbedingungen werden transparenter
Das neue Abfallmanagementgesetz hat den rechtlichen Rahmen des Sektors reformiert. Es harmonisiert die ukrainische Gesetzgebung mit europäischen Standards. Ergänzend legt der im Januar 2025 verabschiedete Nationale Abfallmanagementplan bis 2033 verbindliche Ziele für Recycling und getrennte Abfallsammlung fest. Seit Mai 2025 ist ferner die elektronische Überwachung der Abfallströme und Berichterstattung darüber über die digitale Plattform EcoSystem für Kommunen und Erzeuger von mehr als 50 Tonnen Abfall pro Jahr verpflichtend.
Das Ausschreibungswesen wird seit einigen Jahren Reformen unterzogen. Seit 2016 ist für alle öffentlichen Aufträge über einen bestimmten Schwellenwert das Beschaffungssystem Prozorro verpflichtend. Ausländische Unternehmen können sich uneingeschränkt registrieren und erhalten Zugang zu allen digitalen Ausschreibungsunterlagen.