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Branche kompakt | Ukraine | Landwirtschaft

Markttrends

Der russische Angriffskrieg hat die Landwirtschaft schwer gezeichnet. Der Sektor bleibt dennoch eine wichtige Stütze der ukrainischen Wirtschaft. 

Von Waldemar Lichter | Warschau

Trotz anhaltender russischer Angriffe zeigt die ukrainische Landwirtschaft erstaunliche Resilienz. Nach einem Einbruch von 25,2 Prozent im ersten Kriegsjahr 2022 hatte sich die Agrarproduktion 2023 um 11,1 Prozent erholt, ging jedoch 2024 erneut um 7,3 Prozent zurück. Wichtigste Gründe für den Rückschlag waren Ernteverluste in Frontgebieten und gestiegene Logistikkosten.

Für 2025 prognostiziert das ukrainische Institut für Agrarökonomie ein moderates Wachstum von 3 Prozent. Ungeachtet dessen wird die Produktion dann immer noch um 19,1 Prozent unter dem Vorkriegsniveau liegen. Bei wichtigen Kulturen, wie etwa Weizen, werden die Ernteergebnisse weit darunter liegen. Das Plus wird vor allem auf Zuwächse bei Ölsaaten (3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und in der Geflügelwirtschaft (5,5 Prozent) zurückgeführt. Die Lage in der Viehzucht wird wegen der hohen Bestandsverluste und geringer Rentabilität als dramatisch bezeichnet.

Die Landwirtschaft gehört zu den wichtigsten Sektoren der ukrainischen Wirtschaft. Vor allem im Krieg erweist sie sich als wirtschaftlicher Stabilitätsanker für das Land. Nach Angaben des ukrainischen Landwirtschaftsministers, Vitalii Koval, belief sich das Exportvolumen 2024 auf rund 24,5 Milliarden US-Dollar (US$). Es war das zweithöchste Ergebnis nach 2021 (27,7 Milliarden US$). Die Agrarexporte machten damit rund 59 Prozent der Ausfuhrerlöse des Landes aus.

42 Prozent

ist der Weltmarktanteil der Ukraine bei Sonnenblumenöl.

Bei einer Reihe von Agrarerzeugnissen zählt die Ukraine zu den führenden Produzenten und Exporteuren weltweit. Dazu gehört etwa Sonnenblumenöl. Weitere wichtige Exportprodukte sind Mais (2021: drittgrößter Exporteur weltweit, nach den USA und Argentinien) und Weizen (2021: fünftgrößter Exporteur weltweit).

Bedeutend sind die Exporte von Raps, Ölkuchen und -rückständen, Fleisch- und Geflügelprodukten, Gerste und Zucker. Ukrainische Zuckerproduzenten stellten 2024 einen Lieferrekord auf (Ausfuhren von 746.300 Tonnen für 419 Millionen US$). Im Kommen ist Raps. Exporterfolge gibt es bei Obst, vor allem bei tiefgefrorenen Himbeeren, und bei Tomaten. 

Die hohe Nachfrage aus dem Ausland und die Exporterfolge haben allerdings auch eine Kehrseite: Die eigene verarbeitende Industrie beklagt großen Mangel an Rohstoffen, beispielsweise die Hersteller von Pflanzenöl. Sie stellen deshalb von Sonnenblumen auf Soja um. In der Branche werden sogar Forderungen nach Importen von Agrarrohstoffen laut.

EU wichtigster Abnehmer

Ein großer Teil der ukrainischen Agrarexporte geht in die EU. Der Anteil der EU an den gesamten ukrainischen Agrarexporten lag 2024 bei etwa 52 Prozent. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist die EU der wichtigste Handelspartner für ukrainische Agrarprodukte geblieben, da der Zugang zu anderen Märkten – insbesondere über das Schwarze Meer – stark erschwert ist.

Zusätzlichen Schub erhielt der Sektor durch die autonomen Handelsmaßnahmen (ATM) der EU (eingeführt: Juni 2022), indem alle Zölle und Kontingente für ukrainische Exporte in die EU ausgesetzt wurden. Diese laufen jedoch im Juni 2025 aus. Über eine Verlängerung oder Neugestaltung wird zwar verhandelt. Mit einer Neuauflage in der bisherigen Form wird in der Ukraine kurzfristig nicht gerechnet.

Die Ungewissheit darüber beeinträchtigt jedoch die Geschäfts- und Investitionsplanung der ukrainischen Agrarbetriebe. Eine Diversifizierung der Ausfuhren und Ausweichen auf andere Märkte, etwa in Nahost, Afrika oder Asien, wird zwar angestrebt, ist jedoch logistisch schwierig und kostspielig. Sollte das Sonderregime mit der EU ohne Anschlussregelung auslaufen, drohen der ukrainischen Landwirtschaft dramatische Verluste von 4 Milliarden Euro pro Jahr. 

Zukunftsmarkt mit Chancen für Zulieferungen

Größere Zulieferchancen für im Agrarsektor benötigte Vorprodukte oder Ausrüstungen werden sich vor allem nach dem Ende des Krieges ergeben. Das Potenzial der Landwirtschaft in der Ukraine ist bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Hektarerträge liegen deutlich unter denen in der EU. Für eine Steigerung der Effizienz der Agrarproduktion gibt es Fachleuten zufolge noch viel Luft nach oben. Zerstörte oder beschädigte Ausrüstungen und Maschinen werden dann verstärkt ersetzt werden müssen.

Auch in den nachgelagerten Zweigen gibt es ein riesiges Entwicklungspotenzial. Von einem reinen Commodity-Anbieter müsste sich die Ukraine stärker zu einem Verarbeiter von Agrarrohstoffen mit höherer Wertschöpfung entwickeln, mahnen Branchenexperten an.

Doch Chancen auf dem Markt gibt es schon jetzt. Zulieferer für ukrainische Landbetriebe spüren seit 2025 einen deutlichen Aufwärtstrend. Ob Saatgut, Pflanzenschutzmittel oder landwirtschaftliche Ausrüstungen – die Nachfrage und die Umsätze ziehen deutlich an, berichten Branchenkenner. Allerdings schauten die Landwirte inzwischen auch genauer auf die Kosten. Deshalb müssten auf dem Markt auch mehr Produkte mittlerer Preisklasse angeboten werden, so der Rat.

Großer Investitionsbedarf

Anders als in der ersten Phase des russischen Angriffskrieges wird jetzt auch wieder mehr in den Anbau, in die Steigerung der Effizienz und auch neue Ausrüstungen investiert. Denn die Bedingungen für ein erfolgreiches Geschäft haben sich für die ukrainischen Agrarbetriebe verbessert. Zerstörte Silos zur Lagerung der Agrarrohstoffe werden wieder aufgebaut, die Möglichkeiten für den Transport der Produkte zu den Kunden (vor allem ins Ausland) sind besser geworden.

Aktuell besteht riesiger Investitionsbedarf in Lagerkapazitäten und Kühlhäuser. Dieser ist umso dringlicher, da durch den Mangel und unsachgemäße Lagerung riesige Verluste verursacht werden. Mit Blick auf die Zukunft werden vereinzelt Investitionen in Präzisionslandwirtschaft und in ökologischen Anbau eingeleitet. Einige Unternehmen verfolgen Pläne für den Aufbau von Kapazitäten zur Biomethanproduktion. "Unser Ziel ist nicht nur Überleben, sondern technologischer Sprung", betont Agrarminister Vitaly Koval. Investitionen in Präzisionslandwirtschaft und Lagerlogistik gelten als Schlüssel.
 

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