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Ukrainische Pharmaindustrie trotzt der Krise
Hersteller von Arzneimitteln und pharmazeutischen Wirkstoffen rechnen auch 2025 mit guten Ergebnissen. Das Exportgeschäft wird immer wichtiger. Investitionen werden fortgesetzt. (Stand: Juni 2025)
Von Waldemar Lichter | Warschau
Die ukrainische Pharmaindustrie durchlebt eine Wachstumsphase. Die Arzneimittelhersteller profitieren von der Erholung des Pharmamarktes. Gleichzeitig gelingt den Unternehmen immer mehr, auch im Ausland zu punkten und ihr Exportgeschäft auszubauen. Der positive Trend von 2024 setzt sich insgesamt gesehen auch 2025 fort.
Der ukrainische Pharmamarkt (Apotheken) legte 2024 gemessen in lokaler Währung Hrywnja (UAH) um 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Das Umsatzvolumen belief sich auf umgerechnet 3,5 Milliarden Euro – ein 35-prozentiges Wachstum binnen zwei Jahren. Ein Teil des Umsatzsprungs ist allerdings allein auf gestiegene Preise für Medikamente zurückzuführen. Die Absatzmenge hat sich in der gleichen Zeit kaum verändert.
Die ukrainischen Hersteller profitieren dennoch von dem Aufwärtstrend auf dem Arzneimittelmarkt. Sie dominieren den Markt bezogen auf die Absatzmenge deutlich. Ihr Anteil auf dem Apothekenmarkt lag 2024 bei etwa 63 Prozent. Dem Umsatzwert nach betrug ihr Anteil allerdings nur rund 37 Prozent. Auch für 2025 rechnen Marktbeobachter wieder mit einem starken Wachstum des Pharmamarktes. Davon werden die lokalen Produzenten profitieren.
Steigende Erlöse der ukrainischen Pharmahersteller
Angaben des ukrainischen Statistikamtes zufolge nahmen die Umsätze der ukrainischen Pharmaindustrie im Jahresvergleich um knapp 120 Millionen Euro zu und betrugen 2024 über 1,4 Milliarden Euro. Nahezu alle Einnahmen wurden mit fertigen Pharmapräparaten generiert.
Die ukrainischen Hersteller von pharmazeutischen Wirk- und Grundstoffen schwächelten dagegen. Ihre Umsätze sanken deutlich von 51 Millionen auf 19 Millionen Euro. Das dürfte auf den Wegfall der Sondernachfrage im Zuge der Covid-Pandemie und mit Logistikproblemen bei Lieferungen an ausländische Kunden zurückzuführen sein. Dennoch bleibt dies Sparte für die dortige Pharmaindustrie wichtig. Ihre größten Vertreter – die Biotech-Unternehmen Enamine aus Kyjiw und das kanadische Life Chemicals mit Produktion in Kyjiw – zählen weltweit zu den wichtigsten Lieferanten von chemischen Bausteinen für die Arzneimittelforschung. Beide Unternehmen investieren und bauen ihre Forschungsaktivitäten in der Ukraine weiter aus.
Unangefochtener Marktführer unter den ukrainischen Pharmaherstellern ist seit zwölf Jahren das Unternehmen Farmak. Es profitiert von einem breiten Produktportfolio, Innovationskraft, Exportorientierung und kontinuierlichen Investitionen. Farmak hat Produktionsanlagen, Labore sowie Lagerhäuser modernisiert und investiert in Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel. Auf weiteren Plätzen der wichtigsten Hersteller folgen Darnytsia, Yuriya-Pharm, Kyiv Vitaminnyi Zavod und Kyivmedpreparat. Sie setzen auf unterschiedliche Schwerpunkte wie Generika, Biotech-Produkte und Vitamine.
Umsatz | 2023 | 2024 |
---|---|---|
Farmak | 243 | 235 |
Farmatsevtychna firma "Darnytsia" | 175 | 150 |
Yuriya-Pharm | 121 | 125 |
Kyivskyi Vitaminnyi Zavod | 108 | 108 |
Kyivmedpreparat | 66 | 78 |
Biopharma Plasma | 56 | 77 |
Pharma Start | 46 | 51 |
Borshchahivskyi Khimiko-Farmatsevtychnyi Zavod | 38 | 45 |
Farmatsevtychna kompaniya "Zdorovya" | 37 | 44 |
Halychpharm | 32 | 40 |
Rentabilität unter Druck
Die ukrainischen Pharmaunternehmen werden 2025 einige Herausforderungen auf dem Inlandsmarkt bewältigen müssen. Der Grund dafür sind Maßnahmen der Regierung zur Regulierung des Marktes, um die Verfügbarkeit benötigter Medikamente zu verbessern. So verfügte die Regierung, dass die Preise für wichtige Medikamente gesenkt und Margen der Großhändler gedeckelt bleiben. So sollen Arzneimittel für die Bevölkerung erschwinglich bleiben. Doch das senkt die Gewinnspannen und die Profitabilität der Unternehmen.
Als Ausgleich stützt die Regierung aber auch die Nachfrage auf dem Arzneimittelmarkt. Beispielsweise durch das Programm "Dostupni Liky" ("Erschwingliche Medikamente"). In dessen Rahmen werden Patienten mit chronischen Krankheiten subventionierte oder kostenlose Medikamente zugänglich gemacht.
Das Programm umfasste Anfang 2025 insgesamt 641 Medikamente, darunter viele Generika – eine Steilvorlage für lokale Hersteller, die einen großen Teil der preisgünstigen Generika liefern. Die Nachfrage nach ihren Produkten steigt und sie können besonders bei Medikamenten, die auf der Erstattungsliste stehen, ihren Marktanteil ausbauen und ihre Produktion erhöhen.
Exportmärkte immer wichtiger
Neben dem Inlandsmarkt gewinnt für ukrainische Pharmahersteller das Auslandsgeschäft an Bedeutung, der Exportanteil steigt. Nach Angaben des ukrainischen Statistikamtes nahmen die Exportumsätze der Branche binnen eines Jahres um 16 Prozent zu und beliefen sich 2024 auf knapp 228 Millionen Euro. Für 2025 wird ein weiteres Wachstum erwartet.
Die meisten bedeutenden ukrainischen Pharmaunternehmen verfolgen Expansionspläne für ihr Auslandsgeschäft. Einige übernehmen oder errichten sogar eigene Produktionsanlagen im Ausland, um von dort direkt andere ausländische Märkte besser bedienen zu können. Auch hier zählt Formak zu den Vorreitern und nimmt beim Export eine Spitzenposition ein. Es exportiert in mehr als 60 Länder, darunter 15 EU-Mitgliedstaaten. In Barcelona hatte das Unternehmen 2024 eine hochmoderne Produktionsanlage für sterile Arzneimittel errichtet.
Mit Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist Farmak ferner nach Polen expandiert und übernahm dort 2024 das Pharmaunternehmen Symphar. Ziel ist, die Exportkapazität zu erhöhen und die Präsenz auf dem europäischen Markt auszubauen. Die EBRD stellte für die Übernahme und IT-Investitionen ein Darlehen von 22 Millionen Euro zur Verfügung.
Um auf internationalen Märkten, insbesondere in der EU, bestehen zu können, müssen Produzenten in die Einhaltung von GMP-Standards und die entsprechende Zertifizierung investieren. Die wichtigsten ukrainischen Pharmahersteller tun das bereits. So modernisieren Farmak, Acino, Yuria-Pharm, Darnitsa und Arterium bereits ihre Anlagen und führen für die GMP-Konfomität notwendige Maßnahmen in ihren Werken durch.