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Branchen | Ukraine | Nahrungsmittelproduktion

Ukrainische Nahrungsmittelindustrie wächst uneinheitlich

Die Stimmung der Nahrungsmittelhersteller ist gemischt. Die Produktion stabilisiert sich zwar und die Unternehmen investieren. Doch die Branche steht vor großen Herausforderungen. (Stand: Juli 2025)

Von Waldemar Lichter | Warschau

Die ukrainischen Nahrungsmittel- und Getränkehersteller haben Produktion und Absatz sowohl 2023 als auch 2024 steigern können. Nach dem starken Einbruch nach Kriegsbeginn 2022 nahmen die Erlöse der Unternehmen 2023 nach Angaben des Statistikamtes in Euro gerechnet um 11 Prozent und 2024 um weitere 10 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu. Im Gesamtjahr 2024 erreichte der Umsatz 17,5 Milliarden Euro.

Starke Zuwächse gab es in der Obst- und Gemüseproduktion. Die Umsatzerlöse stiegen hier im Vergleich 2024 zu 2023 um über 30 Prozent. In den Sparten Verarbeitung von pflanzlichen Ölen und tierischen Fetten sowie in der Zuckerproduktion näherte sich der Zuwachs sogar der 40-Prozent-Grenze. Auch die Fleischverarbeitung legte kräftig zu.

Aufwärtstrend 2025 wieder ausgebremst

Seit Anfang 2025 gerät dieser Trend jedoch wieder ins Wanken. Die ersten Monate 2025 zeigten eine dramatische Wende: Die Produktion der Nahrungsmittelindustrie nahm im 1. Quartal 2025 um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal ab. Positive Ergebnisse einzelner Untersegmenten konnten massive Rückgänge in anderen Bereichen nicht kompensieren. So betrug der Rückgang bei Zucker 84 Prozent, bei Pflanzenöl und tierischen Fetten 25 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Beigetragen hat dazu vor allem der wachsende Mangel an Agrarrohstoffen. Das liegt einerseits an der geringeren Ernte, bedingt durch ungünstige Wetterbedingungen und die kriegsbedingte Verkleinerung der Anbaufläche beispielsweise durch Besatzung oder Verminung. Andererseits können einheimische Verarbeiter nicht mit Exportabnehmern konkurrieren, weshalb der steigende Export von Agrarrohstoffe dazu führt, dass diese den ukrainischen Verarbeitern nicht zur Verfügung stehen. 

Verarbeiter beklagen fehlende Agrarrohstoffe

Das Rohstoffdefizit gehört zu einem der größten Probleme der Nahrungsmittelindustrie – ein Thema, dass die Firmen verstärkt an die Regierung herantragen. Forderungen, Einfuhren von günstigeren, auch genmodifizierten (Raps) Agrarrohstoffen zu erlauben, werden lauter. Diskutiert werden auch Exportabgaben oder -beschränkungen für Ölsaaten (vor allem Raps und Soja). Dies könnte jedoch zu Verlusten bei ukrainischen Agrarunternehmen führen. Eine Belastung sind auch die steigenden Energiekosten und beschädigte Infrastruktur.

Ausfuhren an Bedeutung gewonnen

Primärer Wachstumstreiber der Branche ist der Export. Der Anteil der Ausfuhren am Gesamtumsatz der Nahrungsmittelhersteller lag 2024 bei rund 32 Prozent (2022: 29 Prozent). Der Lebensmittelexporte erreichte 2024 insgesamt rund 5,7 Milliarden US-Dollar - 20,8 Prozent mehr als im Jahr davor. Besonders dynamisch entwickelten sich die Ausfuhren von Fleisch und Fleischprodukten.

Das Exportgeschäft ist für ukrainische Nahrungsmittelunternehmen besonders lukrativ, die allerdings einige Hürden überwinden müssen, um das Potenzial auszuschöpfen. Dazu zählt vor allem die Logistik, nicht zuletzt wegen der aufgrund des Krieges und der Zerstörungen der Infrastruktur enorm gestiegenen Transportkosten. Zudem müssen bei den Ausfuhren – vor allem in die EU – Anforderungen bezüglich Zertifizierung und Normen erfüllt werden.

Anpassung an EU-Vorgaben treibt Investitionen an

Anpassung an EU-Standards gilt dabei als ein besonders kritischer Erfolgsfaktor. Als Vorreiter gilt die Milchindustrie, die seit geraumer Zeit umfangreiche Investitionen zur Anpassung an Qualitätsstandards zur besseren Integration in EU-Märkte vorantreibt. Die Akkreditierung für EU-Exporte (Einhaltung der EU-Konformitätsanforderungen) ist dafür ein wichtiger Schritt. Einzelne ukrainische Molkereien, wie etwa der Ziegenmilchhersteller Tetiana (Zinka), setzen europäische Produktionsstandards um und sollen die benötigte Akkreditierung erreicht haben.

Die EU gehört zu den wichtigsten Märkten für die ukrainische Agrarwirtschaft und die Nahrungsmittelhersteller. Die temporäre Aufhebung von Zöllen und Quoten nach Ausbruch des Krieges 2022 hatte die Bedingungen für ukrainische Exporte in die EU erheblich verbessert. Das präferenzielle Handelssystem endete jedoch am 5. Juni 2025 und wird durch das frühere Quotensystem ersetzt.

Das zwingt die Ukraine zu einer Neuausrichtung ihrer Exportpolitik. Notwendig wird eine Diversifizierung der Exporte sein. Neue Märkte für ukrainische Agrarprodukte und Nahrungsmittel werden außerhalb der EU gesucht, insbesondere in Afrika und Asien. Ziel ist aber auch, vom Anbieter von weitgehend unverarbeiteten Agrarrohstoffen zum Exporteur von Fertigprodukten mit einer höheren Wertschöpfung zu werden. Das wird erhebliche Investitionen zur Folge haben.

Zahlreiche Investitionsprojekte

Bereits heute investieren ukrainische Nahrungsmittelunternehmen, sie setzen bereits angelaufene Projekte fort und legen neue auf. Durchgeführt werden Modernisierung, Automatisierung und Digitalisierung von Produktionsanlagen. Investiert wird auch in die Erweiterung bestehender oder den Bau neuer Kapazitäten. Einige Projekte werden aus Eigenmitteln finanziert. Unternehmen können dabei vergünstige Kredite aus staatlichen Förderprogrammen zur Verfügung. Einige Vorhaben werden von internationalen Finanzinstituten ermöglicht, zum Beispiel die der Kernel Group und Epicentr K aus Krediten der Europäischen Investitionsbank (EIB). 

Ausgewählte Investitionsprojekte in der ukrainischen Nahrungsmittelindustriein Millionen Euro
UnternehmenInvestitionssummeProjekt Realisierungszeitraum
Nestlé

237,5

Modernisierung diverser Werke in der Ukraine, insbesondere in Lwiw, Torchyn und Charkiw

2025

Kernel-Trade

220,8

Pflanzenölpresswerk (Starokostjantyniv, Region Chmelnyzkyj)

2024

MHP SE

123,3

Expansion nach Westeuropa: Übernahme der spanischen UVESA-Gruppe (Geflügel- und Schweinefleischwerke u.a. in Cuéllar, Málaga, Tudela, Rafelbuñol) zur Stärkung der Geflügelproduktion und des EU-Marktzugangs

2024

Astarta

69,9

Soja- und Rapsverarbeitungswerk (Chmelnyzkyj)

2026

Carlsberg Group

50,0

Automatisierte Abfülllinien

2024

Nestlé

41,4

Neue Vermicelli-Fabrik in Smolygiv, Region Wolyn (Produktion von Instant-Nudeln für den Export in die EU)

2025

Nestlé

22,5

Modernisierung von drei Fabriken: Lwiw (Süßwaren der Marke Svitoch), Torchyn (Saucen), Charkiw (Instant-Nudeln der Marke Mivina)

2024

Delta Food

3,5

Neue Öl-Abfüllanlage und Saucenlinie

2025

Evrika

k.A.

Modernisierung der Sterilisation (neue Autoklaven, Automatisierung) und Installation einer 450-Kilowatt-Solaranlage am Hauptstandort im Gebiet Odessa; Produktion von Gemüsekonserven (u.a. Erbsen, Bohnen, Tomaten, Gurken, Säfte)

2024-2025

UPG-Invest

k.A.

Ausbau der Putenfleischproduktion 

2024-2025

Quelle: Angaben der Unternehmen, Pressemeldungen, Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

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