Recht kompakt | Ukraine | Umweltschutz
Ukraine: Umweltschutzrecht
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umweltschutz in der Ukraine sind vielfältig und werden derzeit im Kontext des Wiederaufbaus des Landes weiterentwickelt.
16.07.2024
Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn
Die Verfassung der Ukraine garantiert den Schutz der Umwelt und die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts auf dem Territorium der Ukraine sowie die Bewältigung der Katastrophe von Tschernobyl. Darüber hinaus wird der Bevölkerung das Recht auf eine für Leben und Gesundheit sichere Umwelt und auf Ersatz des durch die Verletzung dieses Rechts entstandenen Schadens garantiert. Ein Regelungsrahmen, der sich aus einer Schnittmenge von Rechtsnormen zusammensetzt, dient der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Maßgebend ist dabei das Gesetz Nr. 1264-XII der Ukraine zum Umweltschutz. Es regelt die wichtigsten Prinzipien, wie die rationale Nutzung der Umweltressourcen, Planbarkeit sowie die Lizenzierung umweltschädigender Aktivitäten.
Die Ukraine ist außerdem Vertragspartei mehrerer völkerrechtlicher Verträge. Diese Abkommen gelten als Teil der nationalen Gesetzgebung und wurden von der ukrainischen Regierung (Werchowna Rada) ratifiziert. Zu diesen Abkommen gehören das Kyoto-Protokoll und das Pariser Übereinkommen. Zudem schreiben der nationale Plan zur Umsetzung der Klimapolitik und das Assoziierungsabkommen mit der EU eine Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung mit den europäischen Vorgaben vor.
Nachhaltiger Wiederaufbau
Im Rahmen des Wiederaufbaus der Ukraine ist auch die Verankerung und Berücksichtigung des Umweltschutzes im Wiederaufbauprozess von Bedeutung. Dazu gehört die Schaffung geeigneter rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für den Aufbau der Umweltinfrastruktur. Hierzu wurde im Rahmen der Wiederaufbaukonferenz Ukraine 2024 eine Umweltplattform ins Leben gerufen, um die Ukraine beim Wiederaufbau wirtschaftlich und finanziell zu unterstützen.
Dazu gehört auch die Bereitstellung der "besten verfügbaren Technologien", um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen. Denn im Rahmen des Assoziierungsabkommens müssen die besten verfügbaren Techniken (BVT) vor allem in Industrieanlagen verstärkt eingesetzt werden. Das nationale Regelwerk zur Umsetzung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie (EU-Richtlinie 2010/75) ist jedoch noch unzureichend. Die Initiative Internationale Klimaschutzziele der Bundesregierung unterstützt die Ukraine dabei.
Unternehmen, die bei Aktivitäten im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme oder Umrüstung von Bauwerken und anderen Objekten negative Umweltauswirkungen befürchten, müssen einen speziellen Antrag bei der Umweltschutzbehörde stellen. Es ist auch verboten, Bauwerke und andere Objekte in Betrieb zu nehmen, die nicht alle Umweltanforderungen vollständig erfüllen. Die Anforderungen sind in Artikel 51 des Umweltschutzgesetzes festgelegt.
Genehmigungen und Verfahren
Für bestimmte Tätigkeiten müssen Lizenzen bei dem Ministerium für Umweltschutz (Міністерство захисту довкілля та природних ресурсів) eingeholt werden. Das Gesetz über die Lizenzierung bestimmter Arten von Tätigkeiten legt die Anforderungen für die Lizenzierung fest und nennt die Tätigkeiten, für die eine Lizenz erforderlich ist, zum Beispiel für Arbeiten mit gefährlichen Abfällen. Zudem muss bei einigen Tätigkeiten eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine strategische Umweltprüfung durchgeführt werden. Damit wird sichergestellt, dass bei umweltrelevanten Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung in den Entscheidungsprozess einbezogen wird. Das Gesetz Nr. 29 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Закон про оцінку впливу на довкілля) wurde 2023 verbessert und digitalisiert. So werden öffentliche Anhörungen während des Kriegszustandes per Videokonferenz durchgeführt. Für geplante Aktivitäten in Gebieten, in denen militärische Kampfhandlungen stattfinden oder die vorübergehend besetzt sind, findet keine Prüfung statt. Die Unternehmen können sich jedoch einer freiwilligen Überprüfung unterziehen.
Das Ministerium bietet einen umfassenden elektronischen Service EkoSystema (ЕкоСистема). Über die Plattform können Unterlagen für Genehmigungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen eingereicht werden. Darüber hinaus können Verstöße gegen Umweltauflagen gemeldet und Register mit Überwachungsdaten zur Qualität von Luft, Wasser und Boden eingesehen werden.
Haftung
Verstöße gegen die Gesetzgebung ziehen disziplinarische, verwaltungsrechtliche, zivil- und strafrechtliche Verantwortung nach sich. Dementsprechend sind das Gesetzbuch der Ukraine über Ordnungswidrigkeiten (Кодекс про адміністративні правопорушення) und das Strafgesetzbuch (Кримінальний кодекс) einschlägig. So werden zum Beispiel Verstöße im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung mit einer Geldstrafe in Höhe des 50- bis 200-fachen des steuerfreien Mindestlohns oder sogar mit Freiheitsstrafe geahndet, wenn der Verstoß zum Tod von Menschen, zur Verschmutzung großer Gebiete oder zu anderen schwerwiegenden Folgen führt.
Steuerliche Aspekte
Es sei darauf hingewiesen, dass es in der Ukraine eine Umweltsteuer gibt. Diese wird zum Beispiel auf Schadstoffe erhoben, die in die Luft oder ins Wasser gelangen oder für Entsorgung von gefährlichen Abfällen. Die Höhe des Steuersatzes variiert je nach Schwere und Art der Verschmutzung. Die Berechnung der Steuerschuld ist im Abschnitt VII, Art. 240 bis 250 des Steuergesetzbuches (Податковий кодекс) festgelegt. So entsteht für Unternehmen eine Steuerpflicht auf Kohlendioxid-Emissionen, die ein jährliches Gesamtvolumen von 500 Tonnen übersteigen. Die Steuerschuld für Kohlendioxidemissionen beträgt 30 Hrywnja (UAH) pro 1 Tonne. Bei der Abfallbeseitigung richten sich die Steuersätze nach der Gefahrenklasse und dem Gefährlichkeitsgrad des Abfalls: Für schadstoffarme und ungiftige Abfälle aus dem Bergbau beträgt der Steuersatz 0,54 UAH pro 1 Tonne, für mäßig gefährliche Abfälle 14,12 UAH pro Tonne und für lebensgefährliche Abfälle 1546,22 UAH pro Tonne. Die Sätze werden jährlich neu festgelegt. Es gilt der Wechselkurs der ukrainischen Nationalbank.