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US-ukrainische Rohstoffkooperation vor dem Start
Gewinnung und Verarbeitung von Lithiumerzen sollen den Anfang machen. Weitere Projekte sind in der Planung. Für deutsche Zulieferer bietet das Geschäftschancen.
24.09.2025
Von Waldemar Lichter | Warschau
Die ukrainische Regierung hat die Ausschreibung eines ersten großen Lithiumprojektes für internationale Investoren eingeleitet. Es geht um die Erschließung und Ausbeutung der Lagerstätte Dobra in der zentralukrainischen Region Kirowohrad mit geschätzten 1,2 Millionen Tonnen Lithiumerz. Neben Lithium wird dort auch der Abbau von Tantal, Niob, Rubidium und Beryllium erwartet.
Der Sieger des Tenders verpflichtet sich zu Investitionen von mindestens etwa 152,5 Millionen Euro, die sowohl geologische Erkundung als auch die Einleitung der Produktion und Anreicherung umfassen. Die Investitionsvereinbarung wird eine Laufzeit von 50 Jahren haben und soll als sogenannte Production Sharing Agreement (PSA, Vereinbarung über Produktionsteilung) strukturiert werden. "Wir erwarten einen Investor, der nicht nur die Gewinnung der Rohstoffe sicherstellt, sondern auch die Entwicklung der wertschöpfenden Produktion in der Ukraine", unterstrich Ministerpräsidentin Yulia Svyrydenko.
Geht erstes Projekt an TechMet?
Die Ergebnisse der Dobra-Ausschreibung sollen bis Ende 2025 vorliegen. Der Abschluss des PSA-Vertrages wird in der 1. Jahreshälfte 2026 folgen. Interesse an dem Dobra-Lithiumprojekt zeigt das in Dublin ansässige Bergbauinvestmentunternehmen TechMet. "Die Lithiumressourcen am Dobra-Standort sind sehr beachtlich", so TechMet-Chef Brian Menell. Das Unternehmen plant neben der Extraktion auch den Bau einer Lithiumverarbeitungsanlage vor Ort. Im Gespräch sind Investitionen in den Aufbau einer vollständigen Wertschöpfungskette im Wert von bis zu 500 Millionen US-Dollar (US$).
Die Chancen von TechMet den Zuschlag zu erhalten stehen nicht schlecht. Denn an dem Unternehmen ist die US-Entwicklungsagentur US International Development Finance Corporation (DFC) beteiligt, die eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des US-ukrainischen Mineralabkommens spielt.
Mit dem Dobra-Lithiumprojekt fällt der Startschuss für die Umsetzung des US-ukrainischen Mineralabkommens und den operativen Arbeitsbeginn des gemeinsamen Wiederaufbaufonds (US-Ukraine Reconstruction Investment Fund; RIF). Beide Länder möchten Dobra als Blaupause für weitere gemeinsame Projekte im Bergbausektor für kritische Rohstoffe nutzen.
Weitere Projekte in der Pipeline
Die ukrainische Regierung und die DFC sind bereits dabei, weitere Kandidaten für den RIF-Fonds zu begutachten. Im Gespräch sind Projekte zur Titangewinnung und -veredlung in der Nordzentralregion der Ukraine, eine Grafitpilotanlage für Batteriefertigung in der Nähe von Lwiw sowie Projekte zur Erdgas- und -ölförderung. Geprüft werden aber auch Vorhaben zur Verbesserung der Logistikinfrastruktur.
Noch bis Ende 2026 sollen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums weitere Pilotvorhaben für den Wiederaufbaufond RIF identifiziert und auf den Weg gebracht werden. Dazu könnte ein Projekt zur Erschließung von Gas- und Ölvorkommen im Schelf- und Tiefseebereich im Schwarzen Meer gehören. Gedacht ist dabei an ein Joint Venture mit dem staatlichen Energiekonzern Naftogaz.
Ein weiteres großes Projekt, das die ukrainische Regierung der DFC zur Prüfung vorgelegt hatte, ist die Modernisierung der Ölraffinerie Kremenchuk im Gebiet Poltawa. Ziel ist die Erhöhung der Kapazitäten und Verbesserung des Schutzes der Anlage gegen russische Angriffe. Die notwendigen Investitionen werden mit 2,7 Milliarden US$ beziffert.
Alle genannten Investitionsvorhaben unterliegen hohen Risiken aufgrund der Gefährdung und möglicher Zerstörung durch russische Angriffe. Die kommerzielle Umsetzung dieser Projekte wäre unter normalen Umständen gar nicht möglich. Doch in diesem Fall greift der positive Effekt der Einbindung der DFC ins Management des Wiederaufbaufonds RIF.
Die DFC fungiert als zentrale Absicherungsinstanz für die US-Ukraine-Rohstoffprojekte. Sie stellt dafür 357 Millionen US$ für die Absicherung politischer Risiken bereit, darunter eine Rückversicherungsfazilität von 50 Millionen US$ in Partnerschaft mit dem in Dublin ansässigen Versicherungsmakler AON und dem ukrainischen Versicherer ARX. Das ermöglicht bessere Bedingungen für Kriegsrisikopolicen.
Lieferchancen für deutsche Unternehmen
Die Investitionsvorhaben eröffnen auch deutschen Unternehmen Geschäftschancen. Zwar gewährt das Rohstoffabkommen US-amerikanischen Unternehmen einen bevorzugten Zugang zu 57 strategisch wichtigen Mineralien in der Ukraine. Gemeint ist damit vor allem der Zugang zu Informationen über Projekte sowie der bevorzugte Zugriff auf die gewonnenen kritischen Rohstoffe.
Die Ausschreibungen für einzelne Rohstoffprojekte sind jedoch grundsätzlich nicht nur für Interessenten aus der Ukraine oder den USA offen, sondern auch ausdrücklich für deutsche und andere europäische Unternehmen. Interessante Möglichkeiten dürften sich deutschen Anbietern von Ausrüstungen für den Bergbaubedarf und die Verarbeitung der gewonnenen Erze bieten. Die geplanten Projekte dürften die Nachfrage nach Maschinen zur Erzgewinnung, Zerkleinerung und Mahlung sowie nach Bergbauchemikalien deutlich steigern. Deutsche Firmen haben gute Aussichten, sich in diesem Markt zu behaupten.
Auf einen Blick: Was Sie zum Rohstoffabkommen wissen müssen
Wie heißt das Abkommen offiziell? | United States - Ukraine Strategic Minerals and Reconstruction Investment Agreement |
Wann wurde es unterzeichnet? | am 30. April 2025 in Washington D.C. |
Wann wurde es von der Ukraine ratifiziert? | am 8. Mai 2025, durch das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada |
Was wird geregelt? |
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Welche Rolle hat der Wiederaufbaufonds? |
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Welche Projekte fallen unter das Abkommen? | das Abkommen gilt nur für neue Projekte und Abbaulizenzen für 57 kritische Rohstoffe (darunter: Lithium, Titan, Uran, Grafit, seltene Erden) sowie Erdöl und Erdgas. |
Sind alle Investoren gleichberechtigt? |
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Haben alle die gleichen Zugriffsrechte auf die geförderten Rohstoffe? |
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