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GTAI-Umfrage: Mittelstand bereit für höhere Rohstoffkosten

Strukturelle Risiken bei kritischen Rohstoffen zwingen deutsche Firmen zum Handeln. Von der Politik erwarten KMU klare Unterstützung.

Von Edda Schlager | Berlin

Die Beschaffung kritischer Rohstoffe ist für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland zunehmend ein strategisches Problem. Und: Kosten rücken in den Hintergrund. Das ergab eine exklusive Umfrage, die die bei Germany Trade & Invest (GTAI) angesiedelte Geschäftsstelle Markterschließungsprogramm (MEP) im Juni und Juli 2025 unter deutschen Mittelstandsunternehmen durchgeführt hat. Befragt wurden 84 Unternehmen, die durch den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und den Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) vertreten werden. 

Ziel für GTAI war es, Beschaffungsstrategien für kritische Rohstoffe zu verstehen, um Unternehmen zielgenauer zu unterstützen. So wird das MEP im Jahr 2026 ein neues Format anbieten, das sich unter anderem an Rohstoffeinkäufer richtet. Geplant sind sogenannte Rohstofftouren in ausgewählte Zielländer, um Bedarfsträger kritischer Rohstoffe mit Anbietern zu vernetzen. Informationen werden zeitnah im GTAI-Exportguide bereitgestellt.

Die Ergebnisse der Umfrage ermöglichen differenzierte Rückschlüsse zu Beschaffung und Lieferketten deutscher KMU und ihren Strategien in Bezug auf kritische Rohstoffe. Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen für Verbände und Politik. 

China, EU und USA sind wichtigste Beschaffungsmärkte

Die befragten Unternehmen geben China und die EU vor den USA als wichtigste Herkunftsorte eingekaufter Rohstoffe an. Doch Importe aus der EU oder den USA bedeuten nicht zwangsläufig Diversifizierung und Unabhängigkeit von China. Denn Rohstoffhändler, über die deutsche Unternehmen ihre Waren oft beziehen, beschaffen diese selbst häufig aus Asien. 

Direkte Lieferantenbeziehungen als Schlüssel

Die befragten Unternehmen setzen auf direkte Beschaffung durch feste Lieferanten, unter anderem Rohstoffproduzenten. Mit 70 Prozent wurde dies als wichtigste Bezugsquelle für kritische Rohstoffe genannt, mit deutlichem Abstand vor Handelshäusern (22 Prozent) und Recycling (12 Prozent). Der persönliche Kontakt, langjährige Lieferantenbeziehungen und das Vertrauen in Partner sind zentrale Elemente der jeweiligen Beschaffungsstrategie. 

Recycling noch teuer und qualitativ herausfordernd

Recycling spielt für die befragten Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Die Gründe: hohe Kosten und geringe Qualität. Vereinzelt lassen sich Rohstoffe gut recyceln. Doch bei vielen Materialien sind die technischen und regulatorischen Hürden hoch. Das stellt auch der Einkäuferverband BME fest: 

"Die Verfügbarkeit und Qualität recycelter Materialien ist häufig nicht konstant", sagt Verbandsexpertin Lisa Immensack. "Das macht industrielle Standards schwer erfüllbar. Zudem sind Rückverfolgbarkeit und Zertifizierungssysteme noch unzureichend ausgebaut, was das Vertrauen in Sekundärrohstoffe mindert.“ Primärrohstoffe seien oft schlicht günstiger.

Unternehmen werten Lieferketten als stabil, haben Diversifizierung aber eingeleitet

Rund zwei Drittel der an der Umfrage beteiligten Unternehmen halten ihre Rohstofflieferketten - mit Stand Sommer 2025 - für stabil oder sehr stabil, nur rund 20 Prozent für weniger stabil oder instabil. Tatsächlich reagieren die Unternehmen bereits mit Maßnahmen, um Lieferketten zu diversifizieren und sich abzeichnenden Engpässen vorzubeugen. 

Fast drei Viertel aller befragten Unternehmen geben an, neue Lieferanten für kritische Rohstoffe zu suchen. Rund die Hälfte ist dabei, Lagerbestände für kritische Rohstoffe und Folgeprodukte zu erhöhen. Die Unternehmen verabschieden sich damit vom kostengünstigen Just-in-time-Ansatz. 

Preis wird nachrangig

Zwar bleiben günstige Einkaufspreise ein relevanter Faktor bei der Beschaffung kritischer Rohstoffe. Doch die Unternehmen sind bereit, durch volatile Märkte und geopolitische Spannungen entstehende langfristige Risiken zu minimieren. Und für die Stabilität ihrer Lieferketten nehmen sie höhere Kosten in Kauf. 

"Unternehmen bezahlen nicht mehr nur für das Material selbst", so Immensack vom BME, "sondern für Resilienz, Transparenz und strategische Sicherheit in der Beschaffung. Sie investieren zunehmend in Lagerhaltung, Dual-Sourcing-Strategien und langfristige Lieferverträge. Auch Beratungsleistungen und Zertifizierungen gewinnen an Bedeutung." Der reine Einkaufspreis trete so gegenüber Faktoren wie Planbarkeit, Liefertreue und Qualitätssicherung in den Hintergrund. 

Das bestätigt auch Franziska Brall, Referentin für wirtschaftspolitische Grundsatzfragen beim für die Elektro- und Digitalindustrie tätigen Branchenverband ZVEI. "Unternehmen investieren bewusst in die Diversifizierung von Lieferketten – durch neue oder regionale Lieferanten, den gezielten Aufbau strategischer Lagerbestände oder den Einsatz alternativer Materialien." Diese Maßnahmen seien zwar kosten- und ressourcenintensiv, verringerten aber das Risiko von Lieferverzögerungen und Produktionsausfällen. 

Die Bereitschaft für all diese Maßnahmen sehen beide Verbandsvertreterinnen als Ausdruck eines wichtigen strategischen Umdenkens bei den mittelständischen Unternehmen in Deutschland.

Komplexe Lieferketten und schwieriges Beschaffungsmanagement

Die Umfrage bestätigt auch: Lieferketten für kritische Rohstoffe sind mittlerweile so hochgradig verflochten und komplex, dass insbesondere mittelständische Unternehmen sie nicht mehr im Detail nachvollziehen können. So durchlaufen Rohstoffe zahlreiche Verarbeitungsstufen und können auf jeder dieser Produktionsstufen mehrfach den Kontinent wechseln. 

Laut qualitativen Einschätzungen der befragten Unternehmen wird das Beschaffungsmanagement zudem durch bürokratische Hürden erschwert: Umfangreiche Dokumentations-, Überwachungs- und Berichtspflichten, Genehmigungsverfahren sowie lange Bearbeitungszeiten bei Behörden bremsen Unternehmen zusätzlich zu Zoll- und Transportproblemen. 

Insbesondere Chinas Exportkontrollen und -einschränkungen sowie die Nachweispflichten von Lieferanten gegenüber China werden als Hindernisse angegeben, ebenso nötige Dokumentationen zur Einhaltung von Sanktionen durch EU und USA. Hinzu kommen Erfordernisse aus dem Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) oder dem Grenzausgleichsmechanismus der EU (CBAM)

"Begrenzte personelle und technologische Ressourcen erschweren den Unternehmen nicht nur die Risikoabschätzung, sondern auch die Einhaltung regulatorischer Anforderungen", so BME-Vertreterin Immensack.

Zwar habe sich die Struktur der Lieferketten für Rohstoffe in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren nicht grundlegend geändert, so Franziska Brall vom ZVEI. "Doch Rohstoffzugang wird in der internationalen Handelspolitik zunehmend aktiv als strategisches Instrument eingesetzt und verschärft damit die Unsicherheiten entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette."

Was sich KMU von der Politik wünschen

"Viele Unternehmen haben das Risiko einseitiger Abhängigkeiten in der Vergangenheit auch unterschätzt oder sie im Interesse von Kostenvorteilen bewusst in Kauf genommen", räumt Brall ein. Dennoch könne die Importabhängigkeit bei kritischen Rohstoffen nur durch ein gemeinsames, strategisches Zusammenspiel von Industrie und Politik reduziert werden. "Eine ganzheitliche europäische Rohstoffstrategie", so der Vorschlag des ZVEI, "kann heimische Kapazitäten stärken, Kreislaufwirtschaft fördern, Forschung vorantreiben und schon bestehende internationale Kooperationen in Handels- und Investitionsabkommen einbinden."

Laut GTAI-Rohstoffumfrage wünschen sich die Unternehmen von der Politik:

  • klare Rahmenbedingungen,  
  • bessere Förderung von Recycling zur Reduktion der Abhängigkeit von Primärrohstoffen,
  • Vereinfachung und Standardisierung der Informationen zu Lieferketten zur besseren Nachverfolgung,
  • Initiativen für den Aufbau konkreter Kontakte zu Lieferanten und
  • einen Intensiven Austausch mit Rohstoffländern, zum Beispiel durch Matchmaking-Formate oder organisierte Delegationsreisen, für leichteren Zugang zu Märkten und Ressourcen. 

Detaillierte Ergebnisse der GTAI-Umfrage zu Rohstofflieferketten

Erstellt durch die Geschäftsstelle Markterschließungsprogramm (MEP) nach einer Befragung von Mittelstandsunternehmen des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) im Juni und Juli 2025.

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