Special | Chile | Seidenstraße
Chinas Präsenz in Chile wächst rasant
China ist Chiles wichtigster Handelspartner und ein bedeutender Investor. Aber das Verhältnis ist nicht ungetrübt. Nicht alle Investitionspläne sind Selbstläufer. (Stand: 13.11.2025)
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Für Chile ist China der mit Abstand größte Absatzmarkt weltweit. Rund 38 Prozent der Exporte gingen 2024 in die Volksrepublik. Ein großer Teil davon entfällt auf Kupfer und Lithium. Gefragt sind aber auch Wein, Lachs und Kirschen. Auch als Lieferland steht China auf Platz 1.
Chiles Bevölkerung schätzt an den chinesischen Produkten vor allem die wettbewerbsfähigen Preise. Im Einzelhandel ist die Dominanz geradezu überwältigend. Laut chilenischer Zentralbank stammten 2024 rund 37 Prozent der importierten Konsumgüter aus China. Besonders hoch sind die Anteile bei Bekleidung (68 Prozent), Elektroartikeln wie Handys (55 Prozent) und Schuhen (52 Prozent), ermittelte die Cámara Nacional de Comercio für 2024.
Chinesische Investitionen offiziell stark unterschätzt
Auch als Investor ist China nicht mehr wegzudenken, wobei jedoch Kanada weiter die unangefochtene Nummer 1 ist. Allerdings ist schwer abzuschätzen, wieviel China tatsächlich investiert hat. Die Zentralbank gibt das Volumen 2024 mit 959 Millionen US-Dollar (US$) an; das wären lediglich 0,3 Prozent des Gesamtbestands der Direktinvestitionen.
Dabei hatte allein Tianqi Lithium für seinen 24-Prozentanteil an der chilenischen Sociedad Química y Minera (SQM) 2018 rund 4 Milliarden US$ gezahlt. Auch die Übernahme des Lachszüchters Australis kostete rund 1 Milliarde US$. Grund ist: Vielfach fließen die Gelder nicht direkt, sondern schwer nachvollziehbar über andere Länder.
Chinas Bemühungen um Chiles Lithium
Besonders herausragend ist die chinesische Beteiligung von Tianqi Lithium an SQM, dem neben Albemarle bislang einzigen Lithiumförderer in Chile. Künftig wird der Anteil von Tianqi an SQM von bislang rund 24 Prozent aber schrumpfen. Grund ist die unter der Regierung Gabriel Boric angeschobene nationale Lithiumstrategie. Diese sieht ab 2031 eine Mehrheitsbeteiligung des staatlichen Kupferkonzerns Codelco an der Lithiumförderung im Salar de Atacama vor.
Da es zu dieser Vereinbarung keine öffentliche Ausschreibung gab und die Chinesen zu Recht ihre Interessen gefährdet sahen, zogen sie vor Gericht, scheiterten aber auf dem Rechtsweg. Im November 2025 erfolgte die notwendige Zustimmung der chinesischen Wettbewerbsbehörden zur Joint-Venture-Gründung von Codelco und SQM. Hierfür musste die chilenische Seite China mit einer erhöhten garantierten Mindestliefermenge innerhalb einer fixen Preisspanne entgegenkommen. Pressemeldungen sprechen dabei von einer Menge von 120.000 bis 140.000 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent pro Jahr.
China im Energiebereich problematisch
Schlagzeilen machte der Einstieg von China State Grid (SGCC) beim Netzbetreiber Chilquinta in Valparaíso für 2,2 Milliarden US$ im März 2020 und ein Jahr später der Kauf des Netzbetreibers CGE für rund 3 Milliarden US$. CGE versorgt rund 57 Prozent der chilenischen Endverbraucher mit Strom.
Kritisch sehen Juristen den Zuschlag für den Bau der 1.500 Kilometer langen Hochspannungs-Gleichstromleitung Kimal-Lo Aguirre an das Yallique-Konsortium 2021. An Yallique ist auch China Southern Power Grid International (CSG) beteiligt. Nach chilenischem Recht sind Stromerzeugung, -übertragung und -versorgung strikt zu trennen. Sowohl SGCC als auch CSG gehören dem chinesischen Staat.
CSG hält überdies fast 28 Prozent an Transelec, dem größten Übertragungsnetz im Land, und bewirbt sich derzeit gemeinsam mit Patria Investments (Chile) und dem GIC-Fonds aus Singapur um die verbleibenden Anteile, die bei kanadischen Eignern liegen. Presseberichten zufolge will CSG angesichts von Bedenken westlicher Staaten offiziell nicht Haupteigentümer werden.
Schwerpunkt Krankenhäuser und Gesundheitszentren
Auch nach dem Gesundheitsmarkt strecken Chinas Firmen ihre Fühler aus. Zwar wurde die schlagzeilenträchtig angekündigte Impfstofffabrik von Sinovac letztlich doch gekappt, nach Plan läuft es dagegen mit dem Bau des neuen Krankenhauses in Coquimbo. Die Ausschreibung hatte 2022 China Railway Construction (CRCC) gewonnen, bis 2028 soll die Klinik fertig sein.
Darüber hinaus konnte der Baukonzern die Ausschreibung der Konzessionen für ein Institut für Neurochirurgie und Krankenhäuser in Rengo und Pichilemu für sich entscheiden. Ebenfalls im Krankenhauswesen aktiv ist die China Communications Construction Company (CCCC) mit klinischen Zentren in Cauquenes, Constitución und Paral.
Chinas Baufirmen etablieren sich gegen spanische Konkurrenz
Insbesondere beim anstehenden Ausbau von Eisenbahn und Häfen (nach dem Vorbild des Megaports Chancay/Peru) haben chinesische Firmen Chancen. Beispielsweise wurden für das Präqualifizierungsverfahren für Chiles wichtigsten Hafen San Antonio auch zwei chinesische Interessenten ausgewählt.
Neuer Vorstoß für Chinas digitale Seidenstraße
Zwar scheiterten 2020 Huaweis erste Pläne, Chile mit China über ein Unterwasser-Glasfaserkabel zu verbinden. Die Entscheidung unter dem damaligen Präsidenten Piñera erfolgte auf Druck der USA. Chile entschied sich hingegen für ein ähnliches Projekt mit Google. Das 14.800 Kilometer lange Humboldt Cable soll bis 2027 Valparaíso mit Sydney verbinden.
Doch China gibt nicht auf. Wie die Zeitung Pulso Domingo im August 2025 berichtete, gründete Chinas staatlicher Telefongigant China Mobile die Gesellschaft CMI Chile mit einem Startkapital von 3 Millionen US$. Ziel ist die Neuauflage eines Unterwasserkabelprojekts zwischen Chile und Hongkong. Projektpartner sind Huawei und der brasilianische Dienstleister EGS. Als Vehikel zur Umsetzung nutzt China Mobile den britischem Dienstleister Inchape Shipping Services (ISS).
Obwohl unter britischer Flagge segelnd, dürfte das ISS-Projekt ähnliche geopolitische Empfindlichkeiten auslösen wie das ursprüngliche Humboldt-Kabel. Allerdings sind den chilenischen Behörden aus rechtlicher Sicht die Hände gebunden, denn es handelt sich um eine private Initiative ohne staatliche Beteiligung. Außerdem enthält der Vertrag für das Kabelprojekt mit Google keine Exklusivitätsklausel. Es gibt daher aus Verfahrenssicht, sofern einmal alle Genehmigungen vorliegen, keinen Grund, eine Investition von 500 Millionen US$ abzulehnen.
China hat nicht zuletzt aus nationalen Sicherheitserwägungen großes Interesse an einer eigenen Datenverbindung mit Südamerika, welche nicht durch das Kabel läuft, das sich in den Händen der USA befindet. Darüber hinaus heißt es in der Presse, hätten die chinesischen Unternehmen den chilenischen Behörden angeboten, ein oder mehrere Rechenzentren in Chile zu errichten. Huawei betreibt bereits zwei Rechenzentren im Land, der Bau eines dritten ist seit Längerem angekündigt. Daneben ist der IT-Konzern einer der Hauptausrüster für die 4G- und 5G-Netze von Chiles Mobilfunkanbieter Movistar, Entel und WOM.
Lachszucht mit Problemen
Nach wie vor ungelöst ist der Fall Australis. Joyvio, der Agrobusiness-Arm der chinesischen Legend Holdings, hatte den Lachserzeuger 2019 übernommen. Dessen chilenische Vorbesitzer sollen mit zu hohen Lachsbeständen massiv gegen die Umweltauflagen verstoßen haben. Joyvio wirft ihnen Betrug vor. Jetzt müssen die Gerichte entscheiden.
Wie sieht Chile China?
Anders als noch vor fünf Jahren, als Politik und viele Menschen in Chile dem chinesischen Engagement grundsätzlich positiv gegenüberstanden, hat sich die Situation inzwischen leicht verändert. So war die Enttäuschung in der Politik groß, als Sinovac 2023 die angekündigte 100-Millionen-US$-Fabrik für seinen Corona-Impfstoff stoppte. Dies umso mehr, da die Entscheidung unmittelbar nach dem Besuch von Präsident Boric in der Volksrepublik einschließlich Gesprächen mit seinem Amtskollegen Xi bekanntgegeben wurde.
Auch dass BYD nun doch keine Batteriefertigung im Land aufbauen wird, hat zu Ernüchterung geführt. Allerdings wird Kritik am größten Handelspartner oft nur hinter vorgehaltener Hand geäußert.
Dennoch bleibt China wichtigster Kunde und Lieferant – und angesichts des unzureichend konkreten Interesses zum Beispiel aus Europa der pragmatische Investor, der "auch Geld in die Hand nimmt". Unterstützt werden Chinas Firmen dabei durch die Präsenz von Staatsbanken wie China Construction Bank oder der Bank of China. Umgekehrt ist Chile Mitglied in der von China initiierten Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB).
Allerdings wünschen sich nicht wenige aus dem Unternehmenssektor inzwischen ein Screening für chinesische Investoren. Der Bevölkerungsmehrheit dürfte China aber gleichgültig sein. Hauptsache der Preis stimmt.