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Der US-Markt für glutenfreie Produkte bietet spannende Nischen

Lebensmittelhersteller weiten ihr glutenfreies Angebot auf Bereiche wie Snacks und sogar Bier aus. Auch immer mehr Gaststätten setzen Speisen ohne das Klebereiweiß auf ihre Karte.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Das südtiroler Unternehmen Dr. Schär will in den USA in den Jahren 2023 und 2024 eine zweite Fertigungslinie für glutenfreie Backwaren aufbauen. Dadurch soll sich die Produktionskapazität des Unternehmens in den USA verdreifachen. Sein Werk im Bundesstaat New Jersey hat Dr. Schär bereits im November 2022 erweitert.

Gluten (Klebereiweiß) bezeichnet eine Gruppe von Proteinen, die in einigen Getreidesorten enthalten sind. Einige Menschen leiden unter einer Glutenunverträglichkeit und fragen deshalb Alternativen nach. Doch ist der Markt wesentlich größer, wie wissenschaftliche Studien der Universität von Nebraska-Lincoln vom Mai 2019 zeigen. Demnach hatten in den Jahren davor weit mehr US-Amerikaner ihren Glutenkonsum eingeschränkt, als an Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß gelitten hatten. Laut einer Gallup-Umfrage im Jahr 2015 bemühte sich damals eine von fünf Personen in den USA, glutenfreie Erzeugnisse in ihren Speiseplan aufzunehmen; eine von sechs gab an, Gluten ganz zu meiden.

Mehr und verbesserte Tests decken häufiger Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf

Ein glutenfreier Lebensstil wurde in den USA immer wieder beworben, sodass sich solche Produkte im letzten Jahrzehnt dort schnell ausbreiteten. Viele meinten, dass es gesünder sei, Gluten zu meiden, denn sie betrachteten es wie Salz, Zucker oder Fett als Nährstoff, dessen Konsum eingeschränkt werden sollte. Da sich in den letzten Jahren aber stärker die Erkenntnis durchsetzte, dass diese Art der Diät nur bei Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß gesundheitliche Vorteile bringt, gingen viele Menschen stattdessen zu veganer, vegetarischer oder ketogener (also kohlenhydratmeidender) Ernährung über.

Andererseits wächst der Markt für glutenfreie Lebensmittel dadurch, dass die Zahl der Menschen, bei denen eine Unverträglichkeit diagnostiziert wurde, in den letzten 20 Jahren angestiegen ist. Fachärzte führen das indes nicht auf eine erhöhte Fallzahl zurück, sondern eher auf eine Zunahme und Verbesserungen der Tests. Im Zuge der Coronapandemie kam es in den Jahren 2020 und 2021 zu Nachfragespitzen und Lieferengpässen. So griffen Verbraucher in dieser Zeit verstärkt nach als gesund empfundenen und lokalen Produkten, zum Beispiel Bio- aber auch „Frei von“-Lebensmitteln. Erst 2022 ist der Markt für glutenfreie Lebensmittel in den USA nicht mehr gewachsen.

Glutenfreie Pizza steht hoch in der Nachfragegunst

Hannes Berger, Chief Executive Officer (CEO) von Dr. Schär, ist dennoch optimistisch. Denn Bereiche wie Systemgastronomie – vor allem Fast-Food-Betriebe, Hotels, Bildungseinrichtungen – und Snacks böten großes Wachstumspotenzial. Wie Untersuchungen des Marktforschungsunternehmens CivicScience zeigen, setzen immer mehr Restaurants und Fast-Food-Lokale glutenfreie Gerichte auf ihre Speisekarte. So bietet zum Beispiel die kalifornische Kette In-N-Out Burger glutenfreie Burger an; zahlreiche Pizzerien glutenfreie Böden und Beläge. Laut Managementberatung Technomic will ein Viertel der US-Amerikaner Pizza probieren, deren Teig mit Alternativen zu Weizenmehl hergestellt wurde. Eine Reihe von Firmen – darunter Bay State Milling, Banza, aber auch Großplayer wie Nestlé - bietet hierfür glutenfreie Zutaten wie Reismehl, Mehle aus alten Getreidesorten und Kichererbsenmehl an.

Der Einzelhandel setzt auf glutenfreie Eigenmarken

Im US-Einzelhandel finden sich daher immer mehr glutenfreie Erzeugnisse wie Brot, Nudeln und Backwaren, in denen kein Weizen verwendet wird. Einzelhändler, wie die in acht Bundesstaaten vertretene Lebensmittelkette Hy-Vee, führen Eigenmarken für glutenfreie Nahrungsmittel ein. Seit Ende 2021 verkauft Hy-Vee solche Produkte unter seinem neuen Label "Good Graces" in Illinois, Iowa, Kansas, Minnesota, Missouri, Nebraska, South Dakota und Wisconsin. Die US-Einzelhandelskette Target hat im letzten Jahr eine neue Eigenmarke für vorgemixte Cocktails in ihr Sortiment integriert, die alle glutenfrei, vegan und frei von künstlichen Aromen und Süßungsmitteln sind.

Das Glutenfrei-Segment dehnt sich auch auf neue Bereiche wie Snacks, Frühstücksgerichte und sogar Biere aus. US-Start-ups wie Naked Nutrition und Vukoo bieten zum Beispiel glutenfreie Proteinriegel an. Die auf glutenfreie Biere spezialisierte Holidaily Brewing Company aus Golden, Colorado, vertreibt diese nicht nur in mehreren US-Bundesstaaten - im vergangenen Jahr gab es sie auch auf dem Münchner Oktoberfest. Auch in der San Francisco Bay Area setzen Brauereien in den letzten beiden Jahren verstärkt auf Biere aus Hirse, Buchweizen, Reis und anderen glutenfreien Getreidesorten, allen voran Buck Wild Brewing (aus Oakland) und Otherwise Brewing (San Francisco).

Backwarenhersteller verwenden häufiger Sorghumhirse

Um glutenfreie Bäckereien bedienen zu können, bauen einige US-Landwirte verstärkt Hafer, braunen Reis und Sorghumhirse an. Vor allem US-Hersteller von Backwaren wie Brot, Pfannkuchen, Muffins und Keksen verwenden in ihren Rezepturen nun häufiger Sorghum, das bisher hauptsächlich als Viehfutter und für die Ethanolproduktion dient.

Ein in den USA noch junger Trend ist, Milchalternativen aus Hülsenfrüchten zu gewinnen. Da sie normalerweise laktose-, gluten-, soja- und nussfrei sind, eignen sie sich gleichsam für eine Vielzahl von Allergikern.

Die Marktforschenden von Renub Research schätzten den US-Markt für glutenfreie Lebensmittel im Jahr 2022 auf 2,56 Milliarden US-Dollar (US$). Bis 2028 soll er auf 4,1 Milliarden US$ anwachsen. Die Analysten von Grand View Research gehen dagegen für 2022 erst von rund 2 Milliarden US$ Marktvolumen aus, das bis 2030 auf 4,1 Milliarden US$ steigen soll. Das Segment gilt als sehr wettbewerbsintensiv. Viele gut etablierte Unternehmen, die hohe Summen in Forschung und Entwicklung investieren, sind darin aktiv, darunter Conagra Brands, General Mills, The Hain Celestial Group, Kraft Heinz Company und Kellogg Company.

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