Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen I USA I FoodTech

Kultiviertes Fleisch: US-Start-ups setzen auf Hybridlösungen

Die Erzeugung von künstlichem Fleisch im Labor ist komplexer als gedacht. Doch junge Unternehmen schlagen bereits alternative Wege ein, die zum Erfolg führen könnten.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Was zunächst wie ein Rückschritt wirkt, könnte sich als entscheidender Move nach vorn entpuppen. Im März 2025 erhielt das Start-up Mission Barns aus San Francisco als drittes Unternehmen die behördliche Zulassung, zellbasiertes Fleisch auf den amerikanischen Markt zu bringen.

Anders als die Vorgänger setzt Mission Barns nicht auf vollständig kultiviertes Fleisch. Das Unternehmen produziert kultiviertes Schweinefett – kein Gewebe – und kombiniert es mit pflanzlichen Proteinen zu Hybridprodukten, etwa "Fleischbällchen" oder "Speck".

Vorreiter geraten beim Markthochlauf ins Stocken

Damit verfolgt Mission Barns einen anderen Ansatz als die beiden Start-ups Upside Foods und Eat Just, die 2023 als erste Unternehmen eine Zulassung für reines kultiviertes Hühnerfleisch erhielten. Kurzzeitig schaffte es das von den beiden Pionieren im Labor erzeugte Hühnerfleisch auf die Speisekarte zweier exklusiver Restaurants in San Francisco und Washington, D.C., verschwand nach Ende der Testläufe aber wieder von der Bildfläche. 

Darin zeigt sich die zentrale Crux der Branche: Die Herstellung von kultiviertem Fleisch in Bioreaktoren ist technisch hochkomplex und die Skalierung gestaltet sich deutlich schwieriger als erwartet. Die erhofften Produktionserfolge blieben bislang aus.

So legte Upside Foods die Pläne für eine erste Großanlage in Glenview bei Chicago auf Eis. Das Projekt sollte rund 141 Millionen US-Dollar (US$) kosten und eine jährliche Kapazität von 13.000 Tonnen erreichen. Dabei waren modulare Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Litern geplant.

Auch Eat Just verabschiedete sich von Plänen für ein Reaktorvolumen von 250.000 Litern. Stattdessen konzentrieren sich beide Unternehmen auf ihre bestehenden Standorte in der San Francisco Bay Area, um Prozesse und Kosten zu optimieren. 

Hybridprodukte als Türöffner

Ebenso wie Mission Barns wollen auch Upside Foods und Eat Just auf Hybridprodukte setzen, um die Markteinführung zu beschleunigen. "Der Trend zu Hybridprodukten ist global zu beobachten, denn die Kombination aus pflanzlichen Proteinen mit kultiviertem tierischen Fett sorgt für einen authentischen Geschmack und ein realistisches Mundgefühl", sagt Simone Poppe im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Als Geschäftsführerin von NewFood Consulting aus Oldenburg berät sie deutsche und internationale Unternehmen der Branche.

"Da sich kultiviertes Fett deutlich einfacher und günstiger herstellen lässt als ganze Fleischstücke, können solche Mischlösungen den Weg zu ersten Markterfolgen für Start-ups ebnen", erklärt Poppe. Mission Barns kooperiert beispielsweise mit der italienischen Restaurantkette Fiorella in San Francisco, um seine Produkte auf den Teller zu bringen. Zudem sollen sie über Filialen der Supermarktkette Sprouts Farmers Market vertrieben werden. 

Um die Produktion schnell und kostengünstig zu skalieren, hat Mission Barns einen neuartigen Bioreaktor entwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Anlagen aus der Pharmaindustrie ermöglicht er ein besseres Zellwachstum.

Pflanzliche Ersatzprodukte: vom Hype zur Ernüchterung

Einst galten sie als gefeierte Stars: Rein pflanzliche Fleischalternativen von Unternehmen wie Beyond Meat oder Impossible Foods sorgten für Aufsehen, als sie Einzug in Supermarktregale und auf die Speisekarten großer Fast-Food-Ketten hielten.

Doch die anfängliche Euphorie ist verflogen. Laut Daten des Good Food Institute sank der Umsatz mit pflanzlichen Fleischalternativen im US-Einzelhandel im Jahr 2024 um 7 Prozent auf 1,2 Milliarden US$ – der dritte Rückgang in Folge. Der Marktanteil dieser Produkte lag zuletzt bei 1,7 Prozent.

Fleischrevolution könnte neue Gewinner hervorbringen

Der Bau spezialisierter Bioreaktoren könnte sich auch für deutsche Maschinenbauer zu einem lukrativen Geschäftsfeld entwickeln. "Der deutsche Anlagenbau ist nicht nur bereit, sondern längst dabei, passende Lösungen zu schaffen – viele mittelständische Spezialisten treiben die Entwicklung gezielt voran“, so Poppe.

Der Anlagenbauer GEA aus Düsseldorf schloss im September 2024 eine strategische Partnerschaft mit dem Start-up Believer Meats. In Wilson, North Carolina, errichten die Amerikaner eine Produktionsanlage für kultiviertes Hähnchenfleisch mit einer Kapazität von mindestens 12.000 Tonnen pro Jahr. GEA wird für Believer Meats maßgeschneiderte Bioreaktoren entwickeln und betreiben, die eine hohe Zelldichte und maximale Erträge ermöglichen. Für den Produktionsstart braucht Believer Meats aber noch die behördlichen Zulassungen.

Von den 155 Start-ups, die weltweit an der Entwicklung von kultiviertem Fleisch arbeiten, kommen 36 aus den USA. Diese decken eine große Bandbreite ab. So will BlueNalu beispielsweise kultivierten Fisch auf den Markt bringen. Für viele Unternehmen könnten Hybridlösungen ein wichtiger Zwischenschritt sein: Sie erzielen dabei erste Einnahmen, während die Forschung an komplexen Produkten wie kultiviertem Muskelfleisch weiterläuft. Unternehmen wie Upside Foods und Eat Just halten an kommerziellen Großanlagen für vollständig kultiviertes Fleisch als langfristiges Ziel fest.

Laut Prognosen von Grand View Research könnte der US-Markt für kultiviertes Fleisch bis 2030 ein Volumen von 1,8 Milliarden US$ erreichen. Mit zunehmender Marktreife eröffnen sich auch in anderen Bereichen Geschäftschancen. Die industrielle Herstellung von kultiviertem Fleisch erfordert leistungsfähige Zellkulturen und spezialisierte Nährmedien – eine Domäne, in der die deutsche Pharmaindustrie mit Unternehmen wie Merck aus Darmstadt bereits stark positioniert ist.

Zellkulturfleisch könnte zwischen die politischen Fronten geraten

Es gibt aber zahlreiche Markthürden zu überwinden: Neben dem zuletzt nur zögerlich fließenden Risikokapital sind sie vor allem regulatorischer Natur – insbesondere da kultiviertes Fleisch in den amerikanischen "Kulturkampf" gezogen wird. Florida war im Mai 2024 der erste Bundesstaat, der ein Verbot von Produktion und Vertrieb synthetischen Fleischs erlassen hat.

Ein Schritt, der in mehreren republikanisch regierten Bundesstaaten auf Nachahmung stößt. Alabama, Mississippi, Montana und Nebraska sind bereits mit umfassenden Verboten gefolgt. Weitere Bundesstaaten wie Iowa, Indiana, Utah und South Dakota haben Gesetze erlassen oder vorgeschlagen, die Etikettierungs- und Kennzeichnungspflichten vorsehen. Als Hauptargument wird der Schutz der traditionellen Landwirtschaft ins Feld geführt, wobei sich die Hersteller von kultiviertem Fleisch bereits juristisch gegen die behördlichen Einschränkungen wehren.

Präzisionsfermentation: verwandter Sektor auf Wachstumskurs

Nicht nur Fleischprodukte lassen sich künstlich erzeugen. Durch das Verfahren der Präzisionsfermentation können auch tierische Proteine wie Käse oder Eibestandteile im Labor entstehen. Mithilfe von Mikroorganismen wie Hefe oder Bakterien entstehen im Bioreaktor beispielsweise Milchproteine wie Molke und Kasein. Im Jahr 2024 hatten insgesamt 40 amerikanische Start-ups den winkenden Milliardenmarkt im Blick.

Das kalifornische Jungunternehmen New Culture will noch 2025 damit beginnen, zusammen mit der Pizzeria Mozza in Los Angeles tierfreien Mozzarella zu servieren. Er soll in Geschmack, Schmelzverhalten und Dehnbarkeit dem traditionellen Produkt entsprechen. Modern Kitchen brachte bereits 2021 den ersten tierfreien Frischkäse auf den Markt.

Angesichts fehlender lokaler Produktionskapazitäten im Bereich der Präzisionsfermentation entstehen in den USA erste spezialisierte Auftragsfertiger. So errichtet Liberation Labs derzeit eine Großanlage im Bundesstaat Indiana (Richmond) mit einer geplanten Kapazität von 600.000 Litern pro Jahr. Erster Kunde soll das niederländische Start-up Vivici werden, das dort mikrobiell erzeugte Milchproteine herstellen will. Die University of Illinois investiert bis 2029 rund 730 Millionen US$ in den Aufbau des Illinois Fermentation and Agriculture Biomanufacturing Hub (iFAB).

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.