Special | USA | Start-ups
Digitalisierungsschub: Start-ups sammeln Rekordsummen ein
Die Anziehungskraft des Silicon Valley ist weiterhin groß. Doch haben sich in den letzten Jahren noch weitere Technologiehubs in den USA herausgebildet.
24.08.2022
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Einst als Start-ups und Ideenschmieden gegründet, sind sie binnen weniger Jahre zu Techgiganten herangewachsen: Amazon, Apple, Facebook, Google, Microsoft und weitere Unternehmen. Ihren Vorsprung haben sie sich durch revolutionäre Innovationen verschafft. Besonders in der San Francisco Bay Area, und dort vor allem im Silicon Valley, haben sich enorm schnell wachsende und disruptive („marktstörende“) Unternehmen entwickelt. Auf die Region entfallen rund 41 Prozent der gesamten US-Wagniskapitalinvestitionen und etwa 15 Prozent der US-Patente.
Nähe zum Kapital und die Forschungslandschaft beflügeln das Start-up-Umfeld
Die Bedingungen für Start-ups sind verlockend: Schneller als in Deutschland ist nach der Finanzierung erster Prototypen (Seed-Phase) die Series-A-Runde möglich. In diesem Roll-out hat das Start-up bewiesen, dass sein Produkt funktioniert. So sind in den USA unter anderem die Anlagevorschriften, etwa für Versicherungsfirmen, weniger restriktiv, sodass Start-ups in der Wachstumsphase schneller Kapitalgeber finden können.
Innovation Labs und Hochschulen sorgen für einen fortwährenden, kräftigen Schub an bahnbrechenden Ideen. In der San Francisco Bay Area zum Beispiel sind das vor allem die University of California, Berkeley, und die Stanford University, in Boston das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die Harvard University und im „Research Triangle“ North Carolinas die Duke University, North Carolina State University (NCSU) und die University of North Carolina at Chapel Hill (UNC).
Wie in den Vorjahren sammelten Jungfirmen das meiste Risikokapital auch 2021 in Kalifornien ein: Laut PitchBook waren es knapp 400 Transaktionen im Gesamtwert von rund 100 Milliarden US-Dollar (US$). Dahinter folgten New York und Massachusetts. Auch in diesen US-Bundesstaaten treffen innovative High-Tech- und Robotik-Start-ups auf viel Wagniskapital sowie große Innovationsnetzwerke und Inkubatoren.
Vor allem Massachusetts investiert stark in die Digital-Health-Industry: Durch Initiativen wie das Massachusetts Technology Collaborative und dessen E-Health-Institut entstehen Partnerschaften zwischen Unternehmen, Hochschulen und Behörden, um Innovationen zu fördern. Schwerpunkte in New York sind unter anderem Fashion, FinTech, Maschinelles Lernen und Smart-City-Anwendungen.
Inkubator | Fokus | Focus-Englisch | Anmerkungen |
Start-up Communities, Tech-Start-ups, Wagniskapital | Start-up Communities, Technology Startups, VC | - | |
Wagniskapital, Investitionen von Business Angels, Finanzdienstleistungen | VC, Angel Investment, Financial Services | - | |
Agri-Tech, Food-Tech; außerbörsliches Eigenkapital | Private Equity | - | |
Technologie, Innovation, Studentische Forschung | Technology, Innovation, Student Research | Universitätsprogramm, aber offen für alle | |
Frühphase, Seed-Funding, Wagniskapital im späteren Phasen | Early Stage, Late Stage Venture, Seed | Pennsylvania | |
Betreuung, Finanzierung | Mentorship, Funding | Auf Tech-Start-ups fokussiert | |
Wagniskapital in der Seed-Phase | Seed, VC | Auf Tech-Start-ups fokussiert | |
Start-ups weltweit | Global Start-ups | Viele Standorte, Zentrale in Palo Alto | |
Verbraucher- und Unternehmenstechnologien (Consumer and Enterprise Technology) | Consumer and Enterprise Technology | Accelerator- und Inkubatorprogramme, Standorte in den USA und Japan | |
Neue Technologien | Evanston, Illinois |
In den letzten Jahren sind neue Tech-Hubs herangewachsen
Gerade in der Pandemiezeit mauserten sich aber auch andere US-Bundesstaaten zu neuen, kleineren Tech-Hubs - vor allem Texas und Washington, wo die Lebenshaltungskosten zum Teil deutlich niedriger sind. Auch Steuern und Abgaben sind dort nicht so hoch wie in Kalifornien. Tech-Giganten wie Apple und Google haben in Austin (Texas) Tausende Jobs geschaffen. Auch die Investitionen von Oracle und Tesla in Austin tragen dazu bei, dass derzeit keine andere Stadt in den USA so stark wächst. Weitere Start-up-Hubs sind die Konkurrenten Atlanta (Georgia) und Miami (Florida), ferner Denver (Colorado) und Kansas City.
Name | Fokus | Anmerkungen |
verschieden | Netzwerk aus mehreren Acceleratoren (zum Beispiel in Boulder, Seattle, Boston, New York) | |
keine nähere Angabe | - | |
Seed-Phase | - | |
keine nähere Angabe | Oregon | |
keine nähere Angabe | - | |
keine nähere Angabe | - | |
"Sci-Fi Tech" / sehr frühe Phase (Pre-Seed) | - | |
verschieden | Mehrere Gruppierungen je nach Region und Kernthema (Frauen, Südostasien, Voice AI) | |
Los Angeles / Frühphase | Nur in Los Angeles | |
keine nähere Angabe | Texas | |
Healthtech und Securetech / Scaling | - |
Zu starkem Unternehmergeist und Mut zum Risiko gesellt sich in den USA noch ein Hang zur Disruption. So sind dort zum Beispiel zahlreiche Entwicklungen im KI-Bereich (künstliche Intelligenz) bereits weit fortgeschritten, etwa für Vorhersageanalysen, intelligente Assistenzsysteme und autonome Mobilität. US-Firmen kommt dabei zugute, dass sie stark auf digitale Geschäftsmodelle wie Plattformen und andere datengetriebene Modelle trainiert sind. Nach einer Analyse des Trendforschungsunternehmens CB Insights kommen fast drei Viertel der 100 vielversprechendsten KI-Start-ups aus den USA.
Durch ihre Datendominanz haben US-Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber deutschen. Denn in den USA gibt es kein allgemeines und umfassendes Datenschutzgesetz. Personenbezogene Daten unterliegen dort bundesweit nicht den gleichen strengen Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen wie in der Europäischen Union (EU).
Der Digitalisierungs-Turbo Covid-19 half Start-ups in allen Finanzierungsphasen
Der durch die Coronakrise befürchtete Rückschlag für die Gründerszene ist großenteils ausgeblieben. Gerade für Start-ups in frühen Phasen hatte sich zu Beginn der Pandemie der Zugang zu Wachstumskapital zunächst verschlechtert: Viele Kapitalgeber konzentrierten sich damals weitgehend auf ihre Portfolios, um ihre bestehenden Investitionen sicher durch die Krise zu bekommen. Auf deutscher Seite waren davon besonders innovative Softwareunternehmen betroffen, die in Europa nicht genug Abnehmer fanden und dann den Sprung über den Atlantik wagen wollten, um im Firmenkundensegment stärker zu wachsen.
Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 zeigte sich aber, dass Technologie der klare Gewinner der Krise war, da Unternehmen nun massiv in die Digitalisierung investierten – was Start-ups in allen Finanzierungsphasen zugutekam. Dass viele Start-ups auch ohne staatliche Hilfen in den USA immer noch gut finanziert blieben, belegt auch die Statistik: Im 1. Halbjahr 2022 brachten Venture-Capital-Firmen laut Pitchbook rund 144,3 Milliarden US$ an Risikokapital auf. Das war zwar knapp 9 Prozent weniger als von Januar bis Juni 2021, aber immer noch fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des ersten Pandemiejahrs 2020.
Name | Bewertung (Mrd. US$) | Hauptsitz | Branche | Investoren (Auswahl) |
---|---|---|---|---|
SpaceX | 127 | Hawthorne | Sonstiges | Founders Fund, Draper Fisher Jurvetson, Rothenberg Ventures |
Stripe | 95 | San Francisco | Fintech | Khosla Ventures, LowercaseCapital, capitalG |
Instacart | 39 | San Francisco | Lieferketten, Lieferlogistik | Khosla Ventures, Kleiner Perkins Caufield & Byers, Collaborative Fund |
Databricks | 38 | San Francisco | Datenmanagement, Analytik | Andreessen Horowitz, New Enterprise Associates, Battery Ventures |
Epic Games | 31,5 | Cary | Sonstiges | Tencent Holdings, KKR, Smash Ventures |
Fanatics | 27 | Jacksonville | E-Commerce, Direkthandel | SoftBank Group, Andreessen Horowitz, Temasek Holdings |
Chime | 25 | San Francisco | Fintech | Forerunner Ventures, Crosslink Capital, Homebrew |
Miro | 17,5 | San Francisco | Internetsoftware und -dienstleistungen | Accel, AltaIR Capital, Technology Crossover Ventures |
Neue Branchen ziehen Gründerinnen und Gründer an
Besonders viel Wagniskapital ziehen seit 2020 Bereiche an, die durch das veränderte Arbeitsumfeld und Verbraucherverhalten im Zuge der Coronapandemie profitiert haben. Dazu gehören vor allem Onlinehandel, Medizin und Software.
Große Hoffnungen verbinden sich bei Digital Health mit KI. In diesen Bereich fließen in den USA Rekordsummen. Außerdem boomen die Märkte für Finanztechnologien sowie Lehr- und Lerntechnologien (Educational Technology/Edtech), Just-in-Time-Lieferdienste und Lieferkettenmanagement. Seit August 2020 dürfen in den USA auch Lieferdrohnen in größerem Umfang eingesetzt werden – ein weiteres Gebiet, auf das sich viele Start-ups spezialisieren.