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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung
Der Hochbau in den VAE wächst dynamisch. Immobilien, Tourismus, Industrie und Gesundheitswesen treiben die Nachfrage – deutsche Firmen finden Nischen, stoßen aber auch auf Hürden.
08.12.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zählen zu den aktivsten Bau- und Immobilienmärkten weltweit. Eine wachsende Bevölkerung, internationale Investoren und staatliche Entwicklungsprogramme treiben die Branche voran. Für deutsche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ergeben sich vielfältige Möglichkeiten – von Architektur- und Ingenieurleistungen über nachhaltige Baustoffe bis hin zu moderner Gebäudetechnik. Gleichzeitig ist der Markt stark reguliert, wettbewerbsintensiv und preissensibel. Wer erfolgreich agieren will, braucht Geduld, verlässliche lokale Partner und eine klare Markteintrittsstrategie.
betrug 2024 der Wert von Projekten im Baustadium in den VAE.
Immobilienmarkt boomt
Der Immobiliensektor in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gehört seit Jahren zu den wichtigsten Wachstumstreibern der Region. Im Jahr 2024 befanden sich Projekte im Wert von 36 Milliarden US-Dollar (US$) im Bau – ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Boom setzt sich auch 2025 fort: Allein bis August wurden neue Vorhaben im Umfang von 15 Milliarden US$ vergeben, ähnlich viele wie im Vorjahreszeitraum. Besonders gefragt sind Luxusobjekte, nachhaltige Baukonzepte und Smart-Home-Technologien.
Dubai und Abu Dhabi verzeichnen Rekordzahlen. Laut Dubai Land Department wurden im 1. Halbjahr 2025 über 125.000 Immobilientransaktionen abgeschlossen. Der Gesamtwert stieg in dem Zeitraum auf rund 117 Milliarden US$. Die Zahl der Vertragsabschlüsse und der Vertragswert wuchsen damit jeweils um rund ein Viertel.
Dennoch bleibt Vorsicht geboten. Die Ratingagentur Fitch warnt, dass bis 2026 bis zu 210.000 neue Wohneinheiten auf den Markt kommen könnten. Ein Überangebot könnte Preissenkungen von bis zu 15 Prozent nach sich ziehen. Zudem verschärft sich die soziale Lage: Während Luxusimmobilien florieren, finden einkommensschwächere Haushalte immer schwerer bezahlbaren Wohnraum. Viele Nachrichtendienstleister berichten von steigenden Problemen für Arbeitsmigranten, die einen großen Teil der Bevölkerung stellen.
Wachstumsmarkt Tourismus sorgt für gute Absatzchancen
Neben dem Immobiliensektor gilt der Tourismus als wichtiges Standbein der Nicht-Ölwirtschaft. Dubai verzeichnete im 1. Halbjahr 2025 knapp 10 Millionen internationale Gäste und übertraf damit deutlich den Vorjahreswert von 8,5 Millionen. Die Weltorganisation für Tourismus prognostiziert für 2025 touristische Rekordausgaben von rund 57 Milliarden Euro.
Die Hotellerie reagiert mit Investitionen in Neubauten und Modernisierungen. Laut Datenbank MEED Projects stieg das Volumen laufender und geplanter Hotelprojekte im Jahr 2024 auf 478 Millionen US$ (gegenüber 194 Millionen US$ im Vorjahr). In den ersten acht Monaten 2025 kamen weitere Vorhaben im Umfang von 452 Millionen US$ hinzu.
Für deutsche KMU in den Bereichen Innenausbau, Hoteltechnik und Gastronomieausstattung ergeben sich daraus attraktive Geschäftsmöglichkeiten in einem wachstumsstarken Markt.
Industrie und Energie: Öl bleibt Konjunkturtreiber
Trotz globaler Klimaschutzpolitik setzen die VAE weiterhin auf den Ausbau ihrer Öl- und Gasindustrie. Die staatliche Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) plant zwischen 2022 und 2027 Investitionen von rund 127 Milliarden US$, um die Produktionskapazität von 3,8 Millionen auf 5 Millionen Barrel pro Tag (b/d) zu steigern.
Der Fortschritt ist sichtbar: Am Offshore-Feld Upper Zakum erhöhte sich die Kapazität zwischen 2023 und August 2025 von 1 Million auf 1,2 Millionen Barrel täglich. Auch die Arbeiten an Umm Shaif und Lower Zakum kommen voran. Analysten wie Bloomberg und die Economist Intelligence Unit (EIU) halten das Ausbauziel für erreichbar.
Für deutsche KMU ist der Zugang zum Öl- und Gassektor anspruchsvoll, doch es bestehen Chancen. Anbieter von Ventiltechnik, Sensorik und Automatisierung können sich im Umfeld großer EPC-Verträge (Engineering, Procurement, Construction) positionieren. Dank niedriger Förderkosten bleibt der Markt attraktiv – auch bei volatilen Preisen. Mittelfristig rücken die Lebensdauerverlängerung bestehender Felder sowie die Gasförderung stärker in den Fokus. Hier bieten sich Potenziale für deutsche Lösungen in Prozessoptimierung, Energieeffizienz und Emissionsminderung.
Gesundheitswesen: Stabiler Markt trotz Kostendruck
Auch das Gesundheitswesen sorgt für kontinuierliche Bautätigkeit und gilt als stabiler Wachstumstreiber. Bevölkerungswachstum, steigendes Gesundheitsbewusstsein und zahlungskräftige Patienten aus der Region befeuern die Nachfrage. Laut Business Monitor übertreffen private Anbieter inzwischen die Zahl staatlicher Krankenhäuser in Abu Dhabi und Dubai.
Nach Angaben von MEED Projects befinden sich Klinikvorhaben im Wert von mehr als 6,7 Milliarden US$ in Bau oder Planung. Dazu zählt auch ein Zentrum für Neutronentherapie zur Krebsbehandlung in Abu Dhabi mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Milliarden US$. Das Projekt ist derzeit in der Planungsphase, die Ausschreibung ist für September 2026 vorgesehen.
Für deutsche KMU ergeben sich Chancen als Zulieferer von Medizintechnik, Gebäudetechnik und Laborausstattung. Auch Beratungs- und Ingenieurdienstleistungen aus Deutschland sind gefragt. Allerdings erschweren strenge Regularien und hohe Ansiedlungskosten den Markteintritt. Hinzu kommt wachsender Kostendruck, der Betreiber zu effizienter Planung zwingt. Unternehmen, die hochwertige und wirtschaftliche Lösungen bieten, können sich hier klar positionieren.