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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Investitionsförderung

Praxischeck

Investoren schätzen den großen Absatzmarkt und das hohe Bildungsniveau. Die Zollgrenze stellt eine Hürde dar.

Von Marc Lehnfeld | London

Britische Insel als zweitattraktivster Standort Europas

Im europäischen Vergleich gehört das Vereinigte Königreich zu den attraktivsten Standorten. Im EY Attractiveness Survey Europe belegen die Briten gemessen an den angekündigten Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen den zweiten Platz hinter Frankreich. Darauf folgt Deutschland auf dem dritten Platz. Besonders London wird in den Umfrageergebnissen als attraktivster europäischer Standort der nächsten drei Jahre beurteilt. Damit schneidet die Stadt besser ab als die darauffolgenden Städte Paris und Frankfurt.

Im UK Attractiveness Survey von EY bewerten 44 Prozent der Befragten das Königreich als zweitattraktivstes Land nach Frankreich und vor Deutschland. Sie schätzen dabei vor allem den großen Absatzmarkt als wichtigsten Standortfaktor ein. Ungewöhnlich ist, dass auch die Bildung und der Zugang zum europäischen Markt als Attraktivitätsfaktoren genannt werden. Während das Land mit der University of Oxford laut Times Higher Education Ranking schon zum siebten Mal in Folge über die weltweit beste Universität verfügt, schaffen es die Briten außerdem mit insgesamt drei Universitäten in die sonst völlig US-dominierte Top 10. Die Berufsbildung gilt hingegen als ausbaufähig.

Der Zugang zum EU-Markt hat sich infolge des Brexit durch die Zollgrenze verschlechtert. Die britische Handelskammer fällte erst im Dezember 2022 per Mitgliederbefragung ein verheerendes Urteil. Wurde das britisch-europäische Freihandelsabkommen nach Abschluss noch als Erfolg gefeiert, zeigen sich nun seine Lücken. Drei Viertel der befragten, überwiegend mittelständischen Unternehmen beklagen, dass das Abkommen nicht dabei hilft, den Verkauf zu beschleunigen und das Geschäft zu vergrößern. Etwa 44 Prozent monieren außerdem Probleme bei der Visabeschaffung für benötigte Fachkräfte aus dem Ausland. Wer also sein Personal nach Niederlassungsgründung auf die britische Insel schicken will, muss eine ausreichende Vorbereitungszeit einplanen.

Oberes Mittelfeld in Standortrankings

Im IMD World Competitiveness Ranking 2022 fällt die Beurteilung des Standortes gemischter aus. Die Schweizer Institution platziert das Königreich auf den 23. Rang (Deutschland: Rang 15) von 63 Ländern. Die besten Bewertungen erhält das Land für den Binnenmarkt und internationale Investitionen. Bemängelt werden vor allem das Preisniveau und die öffentlichen Finanzen. Die letztgenannte Kategorie ist auch die am schwächsten bewertete der Briten im 2022 Index of Economic Freedom der Heritage Foundation, in dem das Land den 24. Rang einnimmt. Gelobt wird der Schutz von Eigentum. 

WEF-Länderrating 2020, Vereinigtes Königreich (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 142 Ländern)

Kriterien

Vereinigtes Königreich

Deutschland

1 Qualität öffentlicher Institutionen

65,7

66,5

2 Modernisierung der Infrastruktur in Bezug auf die Energiewende und den Zugang zu Strom sowie Kommunikations- und Informationstechnologien

80,9

79,6

3 Fortschrittliches Besteuerungssystem

54,1

54,2

4 Fokus des Bildungssystems auf Wissen und Fähigkeiten, die zukünftig benötigt werden

59,7

61,4

5 Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherungssysteme 

75,2

74,0

6 Altersvorsorge, Kinderbetreuung und Gesundheitsinfrastruktur

50,4

51,4

7 Anreize für langfristige Investitionen, verbesserte Stabilität und mehr Inklusion

72,4

79,3

8 Wettbewerbs- und Kartellrecht in Bezug auf Industrie 4.0; gewährleisteter Marktzugang national und international

62,7

65,6

9 Schaffung moderner Märkte insbesondere in Bereichen, die eine Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Hand benötigen

46,1

48,1

10 Anreize für und Ausweitung von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovationen zur Schaffung neuer "Märkte der Zukunft"

40,9

49,2

11 Anreize für Firmen, Themen wie Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion anzugehen

67,1

62,6

Werte auf einer Skala von 0 bis 100, mit 100 als bestem WertQuelle: World Economic Forum, Global Competitiveness Report 2020

Regionale Kostenvorteile nutzen

Während die internationale Strahlkraft Londons Finanzinvestoren und Start-ups anlockt, sollten Investoren der Realwirtschaft die Standortattraktivität des restlichen Königreichs nicht unterschätzen. Dort lauern mit niedrigeren Mieten und Gehältern deutliche Kostenvorteile gegenüber der britischen Hauptstadt. So sind zum Beispiel die Top-Büromieten in Manchester und Birmingham mehr als die Hälfte günstiger als in Londons Midtown, also zwischen der City of London und dem Westend. Auch die Bruttolöhne liegen im Median dort mindestens ein Viertel unter dem Hauptstadtniveau. Mit fast einem Drittel sind sie in Nordostengand und Yorkshire am niedrigsten.

Birmingham und Manchester eignen sich als die zweit- und drittgrößten britischen Städte gut zum Vergleich. Mit dem derzeit in Bau befindlichen Schienenprojekt HS2 erhalten Birmingham und in einem darauffolgenden Schritt auch Manchester eine deutlich verbesserte Schienenanbindung an London. Nach geplanter Fertigstellung der ersten Route von London nach Birmingham zwischen 2028 und 2031 verkürzt sich die Zugfahrt zwischen den Städten von 1 Stunde 22 Minuten auf 45 Minuten. In der zweiten Projektphase wird Birmingham mit weiteren Schnellzugverbindungen an die Industriestädte Crewe und Manchester im Nordwesten (Phase 2a) sowie Sheffield und Leeds im Nordosten (Phase 2b) angeschlossen. 

Auch die politische Marschrichtung setzt auf eine Förderung der schon fast traditionell vernachlässigten englischen Regionen. Als "Levelling Up"-Strategie vermarktet die Regierungspartei der Konservativen ihr Vorhaben, die erheblichen regionalen Unterschiede auszugleichen. Auch wenn konkrete Erfolge der Strategie noch nicht sichtbar sind, zeigen die politischen Diskussionen um eine stärkere Regionalisierung von Budgets und Entscheidungskompetenzen die zukünftige Entwicklungsrichtung.

Durchschnittliche Büromieten in Toplagen ausgewählter britischer Städte im 3. Quartal 2022

Stadt/ Lage

Büromiete (in Euro/qm/Monat)1,2)

Verfügbarkeitsrate (in %)

London/ West End

141,67

6,2

London/ Midtown

94,45

10,0

London/ City

74,51

13,9

London/ Southbank

76,08

10,3

London/ Docklands

52,47

17,5

Südostengland

44,07

8,3

Bristol

44,60

9,6

Manchester

40,40

14,2

Edinburgh

40,93

10,0

Birmingham

41,98

13,4

Aberdeen

34,11

24,9

Glasgow

36,99

10,1

Leeds

37,78

11,2

Liverpool

28,33

6,8

Belfast

25,19

16,3

Southampton

26,76

9,7

1) Jahresdurchschnittlicher Bundesbank-Wechselkurs für 2022: 1 Euro = 0,85477 Pfund-Sterling (£); 2) Originalangaben in Quadratfuß (ft2): 1ft2 = 0,0929 QuadratmeterQuelle: CBRE "UK Office Market Figures Report Q3 2022" 2022

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