Wirtschaftsausblick | Kambodscha
Wachstum in Kambodscha schwächt sich ab
Die Zeiten des exorbitanten Wirtschaftswachstums sind vorbei. Kambodscha muss illegale Aktivitäten loswerden und seine Wirtschaft diversifizieren.
11.12.2025
Von Frank Malerius | Bangkok
Top-Thema: Rückgang der Schattenwirtschaft dämpft Realwirtschaft
Kambodscha hat eine beeindruckende Wirtschaftsentwicklung hinter sich. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) gehört das Land seit der Jahrtausendwende mit einem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von mehr als 7 Prozent zu den weltweit zehn wachstumsstärksten Ländern.
Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung schnellte in den letzten 25 Jahren um das Zehnfache auf rund 2.800 US-Dollar (US$, 2025). Der Pro-Kopf-Stromverbrauch legte in diesem Zeitraum sogar um das Zwanzigfache zu.
Industrieparks entstanden und die Hauptstadt Phnom Penh hat sich zu einer lebhaften Metropole mit einer modernen Skyline entwickelt. Ein Automobil-Showroom reiht sich an den nächsten. Und die Ambitionen gehen weiter. Der im September 2025 eröffnete Flughafen vor den Toren der Hauptstadt soll zu einem der größten Südostasiens ausgebaut werden.
Doch die Hochkonjunktur hat vorerst ein Ende. Der IWF prognostiziert von 2025 bis 2028 nur noch jährliche Wachstumsraten von 4 bis 5 Prozent – damit liegt Kambodscha nur noch im ASEAN-Durchschnitt.
Ein Grund für die Abschwächung ist ein Rückgang der protegierten Schattenwirtschaft. Ihr Anteil wird auf ein Viertel der Wirtschaftsleistung geschätzt. Und sie erzielt gigantische Gewinne, die unter anderem Spielcasinos, das Online-Gambling sowie die kriminelle, maßlose Online-Betrugs-Industrie abwerfen.
Druck aus China
Chinesische Staatsbürger sind dabei sowohl Täter als auch Opfer der illegalen Aktivitäten. Die Betrüger nehmen aber auch zunehmend Bürger und Unternehmen anderer Länder ins Visier. Die Betrugsfabriken und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen geraten derart außer Kontrolle, dass sowohl der enge Partner China als auch die USA und die Nachbarländer auf einen Stopp der Aktivitäten drängen.
Seitdem der Druck steigt, ist die Bauwirtschaft eingebrochen. In der ehemaligen Casino-Hochburg Sihanoukville, einer Hafenstadt am Golf von Thailand, stehen zahllose unvollendete Bauten und auch in Phnom Penh sind zahlreiche Gebäude leer.
Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur schwächelt - neue Impulse werden gesetzt
Die Säulen des Booms, die informelle Ökonomie und die Exportwirtschaft, stehen unter Druck. Die USA sind der wichtigste Absatzmarkt und haben Importe aus Kambodscha mit Zusatzzöllen von 19 Prozent belegt. Die regionalen Wettbewerber bekamen ähnlich hohe - Indien sogar noch höhere Zölle - auferlegt, daher bleibt die Wettbewerbsfähigkeit erhalten.
Doch die Abkühlung des Welthandels und globale Unsicherheiten belasten die kambodschanische Exportindustrie. Ab dem Jahr 2029 verliert das Land außerdem seinen Sonderstatus als Least Developed Country und wird nach einer Übergangsfrist bis 2032 in vielen Exportmärkten zollpflichtig. Auch Kürzungen der Entwicklungsgelder durch Geberorganisationen drohen.
Teurer Grenzkonflikt mit Thailand
Der aktuelle Grenzkonflikt mit Thailand dämpft die Konsumlaune und den Warenaustausch. Beide Länder haben den Grenzhandel teilweise ausgesetzt. Die meisten kambodschanischen Arbeitsmigranten kehrten aus Thailand zurück – ihre Überweisungen fehlen und schwächen die Kaufkraft. Die kambodschanischen Verbraucher boykottieren auch thailändische Waren und Geschäfte. Landeskenner schätzen die Verluste für die heimische Wirtschaft auf 3 Milliarden US$ - mehr als 5 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Neue Industrien gesucht
Die über Jahre aufgebaute Bekleidungsindustrie erzielte bislang die größten Erfolge. Heute produzieren circa 900.000 Arbeitskräfte in 1.700 Fabriken Bekleidung für den Weltmarkt. Zusammen mit Schuhen und Reiseartikeln machen Kleidungsstücke mehr als die Hälfte der stetig gewachsenen Ausfuhren aus.
Die Regierung will nun die Wirtschaft diversifizieren, wertschöpfungsstarke Industrien anziehen und bietet Investoren lukrative Steueranreize. In den Sonderwirtschaftszonen dominieren bislang chinesische Unternehmen. Aber auch japanische, südkoreanische und taiwanische Firmen machen Kambodscha zu ihrer verlängerten Werkbank und beliefern von dort in immer größeren Mengen ihre internationalen Abnehmer.
Internationale Fahrradhersteller sind bereits vor Ort. Auch die Kfz-Industrie kommt: Toyota betreibt eine Teilmontage eines Pickup-Trucks und eines SUV-Modells. BYD aus China hat angekündigt, vor Ort E-Autos zu montieren. Zuletzt investierten auch Unternehmen aus der Elektronik.
Deutsche Perspektive: Mangelnde Rechtssicherheit schreckt ab
Es gibt noch keine deutschen Produktionen in Kambodscha. Für den Standort sprechen die circa 12 Millionen Personen im erwerbsfähigen Alter. Es fehlen aber überall Fachkräfte und die Rechtssicherheit gilt als gering. Logistik, Zulieferungen von Vorprodukten und Strom sind im Vergleich zu den Nachbarländern kostspielig. Kambodscha will nun umweltbewusste Produzenten ins Land holen und bis 2030 ungefähr 70 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen.
Aber es gibt Chancen
Kaufkraft und Nachfrage nach Hightech sind zwar noch gering. Das Land rangierte 2024 auf Platz 114 unter den deutschen Exportdestinationen. Dennoch stiegen die deutschen Ausfuhren Januar bis Oktober 2025 um knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. In der Getränkeindustrie sind deutsche Maschinen gefragt. In Supermarktregalen finden sich Snacks mit deutscher Flagge. Deutsche Luxusautos fahren auf den Straßen und Bosch beliefert Kfz-Werkstätten. Ein deutsches Handelshaus betreibt eine erfolgreiche Repräsentanz und ein deutscher Sportartikelhersteller gibt über seine Vertragsfabriken bis zu 80.000 kambodschanischen Beschäftigten Arbeit.
Auch als Beschaffungsmarkt gewinnt Kambodscha für deutsche Unternehmen an Bedeutung. In den ersten zehn Monaten 2025 legten die Importe um 15 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode zu. Bekleidung machte 2024 circa drei Viertel der Einfuhren aus. Die Importe sorgen für das 16.-größte bilaterale Außenhandelsdefizit Deutschlands.