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Special | Vietnam | Konnektivität

Neue Dekarboniserungspläne in Vietnam kommen nur langsam in Gang

Vietnam will den Zubau an Kohlekraft drosseln. Aber nationale Pläne zum Ausbau erneuerbarer Energien hinken noch den Zielen der "Just Energy Transition Partnerships" hinterher. (Stand: 10.08.2023)

Von Peter Buerstedde | Hanoi

Vietnam hatte sich beim Weltklimagipfel in Glasgow im November 2021 das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das Land ist damit weiter gegangen als etwa China oder Indonesien, die diese Marke erst für 2060 anvisieren. Aber die Umsetzung gestaltet sich schwierig.

Im Oktober 2022 setzte sich Vietnam neue nationale Kohlendioxid (CO₂)-Ziele (Nationally determined contributions). Demnach würde das Land erst nach einem Höchststand im Jahr 2035 mit der CO₂-Rückführung beginnen. Entwürfe des Energieplans PDP8 (Power development plan) sahen zudem einen kräftigen Ausbau der Kohlekraft vor. Studien verwiesen darauf, dass diese Pläne kaum mit dem Ziel Klimaneutralität zu vereinbaren sind. Dies alarmierte die großen Industrieländer, welche daraufhin Vietnam als drittem Land eine Just Energy Transition Partnerships (JETP) anboten. Die Partnerschaft wurde im Dezember 2022 abgeschlossen.

Just Energy Transition Partnerships (JETP) kurz erklärt

Just Energy Transition Partnerships (JETP) sind nicht bindende, internationale Vereinbarungen zwischen einzelnen Schwellenländern auf der einen Seite und einer Gruppe von Industriestaaten und der EU, der "International Partners Group" (IPG), auf der anderen Seite. Darin stellen die Industriestaaten öffentliche und private Finanzmittel in Aussicht, um die Energiewende in dem jeweiligen Partnerland zu unterstützen. Die IPG umfasst das Vereinigte Königreich, USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Dänemark, Norwegen und die EU. Die Bereitstellung privater Finanzmittel wird von dem Bankenzusammenschluss Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) koordiniert.


JETP bestehen derzeit mit Südafrika, Indonesien, Vietnam und Senegal. Weitere Vereinbarungen mit den Philippinen und Indien sind in Verhandlung.

Im Rahmen der Partnerschaft wollen die Geberländer Vietnam in den kommenden drei bis fünf Jahren zusätzlich zu anderen bereits zugesagten Finanzmitteln 15,5 Milliarden US-Dollar (US$) zur Verfügung stellen, um die Dekarbonisierung im Energiesektor zu beschleunigen. Dieser ist für zwei Drittel der CO₂-Emissionen verantwortlich. Die Summe lässt sich sehen: Südafrika wurden 8,5 Milliarden US$ und dem weitaus bevölkerungsreicheren Indonesien 20 Milliarden US$ zugesprochen.

Die eine Hälfte der Finanzierung sind staatliche Hilfen, die andere private Mittel über Geschäftsbanken. Die JETP-Mittel sind als erste Tranche eines größeren Unterstützungspakets gedacht. Den gesamten Finanzbedarf für die Klimaneutralität im Energiesektor soll Vietnam bis November 2023 in einem "Resource Mobilization Plan" definieren. 

JETP setzt engagierte Ziele für Vietnam

Zentrales Ziel der JETP-Vereinbarung ist es, den Höchststand bei den Emissionen im Energiesektor von 2035 auf das Jahr 2030 vorzuziehen. Mit 170 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent wird außerdem ein niedrigerer Scheitelpunkt angepeilt als vor JETP-Abschluss mit etwa 240 Millionen Tonnen. Vietnam soll den Ausbau der Kohlekraft auf insgesamt 30,2 Gigawatt begrenzen. Vorherige PDP8-Entwürfe sahen noch bis zu 37 Gigawatt vor. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll bis 2030 auf 47 Prozent ansteigen, gegenüber der früheren Planung mit 36 Prozent.

Die Umsetzung der Vereinbarung lief zunächst sehr zäh. Dem Vernehmen nach gestaltete sich die interne Abstimmung unter verschiedenen Ministerien innerhalb der Regierung schwierig. So ließ Vietnam das in der Vereinbarung gesetzte Zieldatum für die Schaffung eines JETP-Sekretariats bis April 2023 verstreichen. Mitte Mai 2023 veröffentlichte die Regierung dann mit zweijähriger Verspätung den Energieplan PDP8.

Beim Ausbau erneuerbarer Energien klafft eine große Lücke

PDP8 zeichnet den Pfad der Energiewende mit Vorgaben für den Energiemix bis 2030 und 2050 vor. Die JETP-Ziele werden jedoch nur teilweise berücksichtigt. Die Begrenzung des Kohleausbaus ist enthalten, aber bei den CO₂-Emissionen besteht eine deutliche Lücke. Das JETP-Ziel sind 170 Millionen Tonnen Emissionen bis 2030, PDP8 gibt Zielwerte von 204 Millionen bis 245 Millionen Tonnen CO₂ vor. Zwar erwähnt PDP8 das Ziel von 170 Millionen Tonnen, allerdings mit der Bedingung, dass die JETP-Zusagen von den internationalen Partnern voll umgesetzt werden.

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Eine große Lücke besteht entsprechend auch beim Ausbau erneuerbarer Energien. Diese könnten laut Plan bis 2030 zwischen 30,9 und 39,2 Prozent zur Stromerzeugung beitragen. Im Vergleich zum Jahr 2022, in dem die erneuerbaren Energien einen Anteil von 49,2 Prozent an der Stromproduktion hatten, wäre dies jedoch ein deutlicher Rückgang. JETP sieht bis 2030 mindestens 47 Prozent vor. Um den stark steigenden Strombedarf zu decken, setzt der PDP8 auf Gas- und Kohlekraft. Das Potenzial der Wasserkraft gilt als weitgehend ausgeschöpft.

Windkraft soll in Form von Offshore-Parks langsam an Bedeutung gewinnen, um dann zwischen 2030 und 2050 sowohl für das Inland als auch für den Export Strom und Wasserstoff zu erzeugen. Wind- und Solarkraft an Land sollen bis 2030 vor allem für die Eigenversorgung installiert werden. Bis 2021 führten attraktive Einspeisetarife für Wind- und Solarparks zu einem ungeordneten Ausbau. Die eher bescheidenen Ziele in diesem Bereich rühren daher, dass die Regierung ein solches Chaos in Zukunft vermeiden will. Auch wird das Ministerium für Industrie und Handel derzeit einer staatlichen Untersuchung unterzogen, weil im Rahmen des früheren Ausbaus informelle Zahlungen geflossen sein sollen. 

Für die Umsetzung des PDP8 müssen großteils noch die Weichen gestellt werden. Dabei geht es darum, wie die Abnahme künftig durch die staatliche Vietnam Electricity Group geregelt wird – etwa über Auktionen oder direkte Verhandlungen sowie zwischen privaten Investoren und Abnehmern über neu zu schaffende direkte Abnahmeverträge. Mit der Veröffentlichung eines übergreifenden Energie-Masterplans im Juli 2023 hat die Umsetzung an Dynamik gewonnen.

JETP kommt in Bewegung

Gleiches gilt für JETP. Hier hat die Regierung mit zweieinhalb Monaten Verspätung Mitte Juli 2023 ein Sekretariat unter der Leitung des Ministeriums für Umwelt und Rohstoffe geschaffen. Die Institution hat bereits begonnen, den "Resource Mobilization Plan" zu erstellen. Darin dürfte stehen, was an Dekarbonisierungsmaßnahmen im Energiesektor zusätzlich möglich sein wird und welche Hürden entfernt werden müssen, um private Investitionen anzukurbeln.

Der JETP-Zeitplan bis 2030 ist sehr ambitioniert und die bisherigen Verzögerungen bei der Umsetzung sowie bei der Verabschiedung des PDP8 stimmen viele Beobachter skeptisch. Experten sehen auch bei den gewollt niedrig gehaltenen Ausbauzielen für Solar- und Windkraft an Land noch Luft nach oben. Hoffnung macht, dass die Regierung in den letzten Monaten wieder mit Geberinstitutionen über Entwicklungskredite verhandelt. Sie war in den vergangenen Jahren hierbei sehr zögerlich gewesen.

Kontakte

Bezeichnung

Anmerkungen

Germany Trade and Invest (GTAI)

Außenhandelsinformationen für deutsche Exportwirtschaft, Hinweise zu Ausschreibungen und Projekten

AHK Vietnam

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

Exportinitiative Energie

Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Energy Support Programme

Portal zu Unterstützungsvorhaben für Vietnam im Energiesektor

Ministry of Industry and Trade (MOIT)

Ministerium für Industrie und Handel (federführend für Energiesektor)

Vietnam Electricity Group (EVN)

Staatlicher Stromkonzern

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