Wirtschaftsumfeld | Vietnam | Investitionsklima
Investitionsklima hat noch Luft nach oben
Vietnam wird zu einem interessanten Investitionsstandort in Südostasien. Gerade in Hinblick auf Bürokratie und Rechtssicherheit gibt es jedoch noch einiges an Verbesserungsbedarf.
15.11.2023
Von Lisa Flatten | Hanoi
Vietnam hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Reformen auf den Weg gebracht, die das Geschäftsklima für ausländische Unternehmen verbessert haben. Allerdings sind Korruption und fehlende Rechtssicherheit weiterhin Hindernisse.
Firmenvertreter hoffen langfristig auf die Wirkung einer derzeit laufenden, verstärkten Antikorruptionskampagne. Aufgrund dieser schrecken viele staatliche Stellen auf allen Ebenen vor schnellen Entscheidungen zurück. Dringenden Entscheidungsbedarf gibt es aber, etwa bei der künftigen Ausrichtung des Energiesektors, beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Digitalisierung der Verwaltung.
Verwaltungsprozesse können langfristig und teuer werden
Die Umsetzung beschlossener Reformen wird durch eine ineffiziente und intern konkurrierende Verwaltung erschwert. Dies trifft vor allem ausländische Unternehmen. Um die eigene Industrie zu schützen, schreckt die Regierung nicht davor zurück, Einfuhren oder Investitionen in Einzelbereichen durch wenig transparente, ad hoc getroffene Regularien zu erschweren.
Die Beantragung und Änderung von Geschäftslizenzen sowie Arbeitserlaubnissen kann unberechenbar und zeitintensiv sein. Wegen einer vorgelagerten Investmentprüfung ist die Lizenzierung für ausländische Firmen deutlich aufwendiger als für inländische. Insgesamt müssen Unternehmer mit circa 10.000 Euro und mindestens drei Monaten für den gesamten Lizenzierungsprozess rechnen. Außerhalb von Industrieparks kann die Suche und Zuteilung eines geeigneten Grundstücks eine Unternehmung um mehrere Jahre verzögern.
Positiv ist, dass sich deutsche Firmen in Vietnam an geringen Lohnkosten, dem Freihandelsabkommen mit der EU und gut ausgebildeten Fachkräften erfreuen können. Anders als in anderen Ländern der Region gibt es in Vietnam keine Quoten, wie viele vietnamesische Mitarbeitende für einen Ausländer eingestellt werden müssen. Zudem können sich hundertprozentige ausländische Unternehmen in Vietnam ansiedeln und ihre in Vietnam versteuerten Gewinne ins Ausland transferieren. Ganze 91 Prozent der deutschen Unternehmen in Vietnam beabsichtigen, weiterhin vor Ort zu investieren oder ihre Produktion auszubauen. Das ist das Ergebnis der Frühjahrsumfrage 2023 der deutschen Auslandshandelskammer.
Die verarbeitende Industrie zieht Investitionen an
Großinvestoren kommen traditionell aus der asiatischen Nachbarschaft – vor allem aus Südkorea, Singapur, Japan, Taiwan, Hongkong und China. Mit mehr als 50 Prozent des gesamten ausländischen Investitionsbestands erhielt die verarbeitende Industrie bis Dezember 2022 die meisten Investitionen. Etwa 15 Prozent des investierten Kapitals erreichte den Immobilienmarkt. Das Wirtschaftszentrum im Südosten des Landes rund um Ho-Chi-Minh-Stadt konnte mit 40,4 Prozent den größten Teil des ausländischen Investitionsbestands anziehen. Es folgten die beiden anderen Wirtschaftscluster im Red River Delta (30,2 Prozent) und in Zentralvietnam rund um Da Nang (14,8 Prozent).
Namhafte deutsche Unternehmen produzieren in Vietnam
Mehr als die Hälfte der deutschen Firmen in Vietnam hat sich rund um Ho-Chi-Minh-Stadt niedergelassen. Insgesamt zählt die deutsche Auslandshandelskammer 94 deutsche Produktionsunternehmen, darunter auch Bosch, Schäffler, B.Braun und Knauf. Im Frühjahr 2023 begann Kärcher, fast 22 Millionen US$ in den Aufbau einer Produktionsstätte im zentral-vietnamesischen Quang Nam zu investieren. Anfang 2024 soll das Werk eröffnet werden.
Auch aus dem Bereich "Business Outsourcing" haben sich vermehrt deutsche Firmen im Land angesiedelt. Größter Arbeitgeber ist Digi-Texx. Die Zahl der deutschen Gesellschaften ist seit 2020 um 140 gestiegen. Die meisten der insgesamt 490 deutschen Unternehmen sind im Vertrieb tätig.
Unternehmen | Branche | Volumen in Mio. US$ |
---|---|---|
Bosch | Technologische Produkte und Lösungen aus dem Bereich Automotive | 450 |
HDI | Versicherungs- und Vorsorgelösungen | 260 |
Stada - Pymepharco | Pharmazeutika | 250 |
Messer | Industriegase | 228 |
B.Braun | Arzneimittel und Medizinprodukte | 150 |
Investitionsförderung: Die Regierung lockt mit Steueranreizen
In- und ausländische Investitionen sind in Bezug auf staatliche Fördermaßnahmen gleichgestellt. Die Förderlandschaft ist jedoch unübersichtlich und verändert sich häufig. Eine sorgfältige Beratung vor Aufnahme eines Engagements ist ratsam. Die Investitionsanreize der Regierung beschränken sich auf die folgenden Formen:
Befreiungen oder Vergünstigungen von Körperschaftsteuer- und Einfuhrabgaben,
günstige Landnutzungsbedingungen und
beschleunigte Abschreibungen.
Der genaue Standort, der Umfang und die Branche der Investition bestimmen das Ausmaß der Förderung.
Die Regierung möchte verstärkt die Ansiedlung moderner, nachhaltiger und technologisch fortgeschrittener Industrien unterstützen. Daher betreffen Fördermaßnahmen unter anderem die Informations-, Bio- und Automatisierungstechnologie, aber auch Forschung und Entwicklung. Auch Bereiche von sozialer Bedeutung sowie Großinvestitionen mit einem Umfang von mehr als 6.000 Milliarden vietnamesischer Dong (knapp 230 Millionen Euro) werden staatlich gefördert. Eine gezielte Förderung von aus China umsiedelnder Investitionen bietet die vietnamesische Regierung nicht.
Regional werden insbesondere Projekte in wirtschaftlich benachteiligten Gebieten, vorwiegend im bislang hinterherhinkenden Hochland, gefördert. Industrieparks spielen eine Schlüsselrolle bei der Ansiedlung von ausländischen Direktinvestitionen und bieten je nach Region unterschiedliche Anreize. Qualitativ unterscheiden sich die einzelnen Industrieparks erheblich – gerade in Hinblick auf Infrastruktur sowie Beratungs- und Unterstützungsleistungen. Rund um Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt werden die Zonen teurer und nehmen nicht mehr jeden Investor auf.
Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.