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Wirtschaftsumfeld | Indien | Arbeitskräfte

Fachkräfte

Obwohl das Arbeitskräfteangebot in Indien noch Jahrzehnte weiter wachsen wird, fehlen Fachkräfte. Deutschland interessiert sich derweil für indische Talente. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Seit 2023 ist Indien mit über 1,4 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde. Laut den Vereinten Nationen sind 50 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2024 jünger als 28,6 Jahre. Momentan verfügt das Land über ein wachsendes Angebot an Personen im arbeitsfähigen Alter, bis Mitte des Jahrhunderts wird diese Entwicklung aber anhalten. Sofern es Indien gelingt, die demografische Dividende zu nutzen, sind große Wohlstandsgewinne möglich. 

Die Wirtschaft wächst derzeit sehr robust und auch die Prognosen für die kommenden Jahre sind positiv. Allerdings gibt es Zweifel, dass das Wachstum ausreicht, um genügend Jobs zu schaffen. In den vergangenen Jahren konnte Indien trotz der guten Konjunktur nicht in gleichem Maße neue Stellen schaffen, was zu Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung führt. Zu letzterer kommt es, wenn Menschen unproduktiv eingesetzt werden und weniger arbeiten, als sie gerne möchten.

Fachkräftemangel ist ein großes Problem

Schätzungen zufolge muss der indische Arbeitsmarkt derzeit jährlich zwischen 7 und 9 Millionen Personen neu aufnehmen. Hinzu kommen hunderte Millionen Menschen, die unterbeschäftigt sind. Arbeitskraft ist also reichlich vorhanden. Einer Umfrage der Auslandshandelskammer (AHK) Indien aus dem Jahr 2023 zufolge sahen 56 Prozent der befragten Unternehmen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften als Vorteil an. Damit war dieser Punkt der zweitwichtigste positive Standortfaktor nach der politischen Stabilität. 

Trotzdem bleibt der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für die Wirtschaft. Die Qualität der Ausbildung, sowohl im akademischen als auch im nicht akademischen Bereich, unterscheidet sich stark. Die 23 Indian Institutes of Technology und 21 Indian Institutes of Management genießen weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Die meisten der fast 1.200 Universitäten und über 45.000 Hochschulen (Colleges) des Landes bleiben aber weit hinter diesem Niveau zurück. Wichtiger als die Noten der Absolventinnen und Absolventen sind daher oft die Namen der besuchten Bildungseinrichtungen. Unternehmen bemängeln zudem den geringen Praxisbezug der Einrichtungen. So sind Praktika während der Studienzeit nach wie vor die Ausnahme. 

Im India Skills Report 2024 wird der Anteil der direkt beschäftigbaren Absolventen mit durchschnittlich 51 Prozent der Graduierten angegeben – somit braucht knapp jeder 2. Absolvent mehrere Jahre interne Zusatzausbildung, ehe der neue Mitarbeitende voll eingesetzt werden kann.  

Bei den nicht akademischen Berufen ist das Problem noch ausgeprägter. Eine mit dem deutschen dualen System vergleichbare Ausbildung gibt es nicht. Die Kurse an den Industrial Training Institutes (ITI) und Polytechnika bringen kaum qualifizierte Arbeitskräfte hervor. Der Anteil an direkt beschäftigbaren Absolventen liegt laut India Skills Report 2024 bei lediglich 40 Prozent für ITI beziehungsweise 22 Prozent für Polytechnika. Eine bedarfsorientierte Berufsausbildung geht bislang vor allem auf Einzelengagements von Unternehmen zurück, die sich mit privaten oder staatlichen Ausbildungseinrichtungen zusammengetan haben. 

Aufgrund des Mangels an qualitativ hochwertigen Ausbildungsangeboten haben viele deutsche Unternehmen eigene Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Auch die Deutsch-Indische Handelskammer versucht seit einigen Jahren, die Berufsausbildung nach deutschem Vorbild zu etablieren. 

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Die Regierung möchte das Qualifikationsniveau anheben

Eine mangelhaft ausgebildete Bevölkerung ist ein Entwicklungshindernis. Das hat die indische Regierung erkannt. Insbesondere bei nicht akademischen Berufen soll das Fähigkeitslevel gehoben werden. Durch diverse Programme fördert das Ministry of Skill Development and Entrepreneurship das Ausbildungsniveau von Arbeitskräften, darunter mit dem Bildungsprogramm "Skill India".

Durch das Teilprogramm "Pradhan Mantri Kaushal Vikas Yojana" (PMKVY) wurden von 2016 bis Anfang 2023 knapp 13,7 Millionen Menschen ausgebildet. Der Erfolg ist allerdings steigerungsfähig. Nach offiziellen Angaben erhielten nur rund 20 Prozent der abschließend zertifizierten 11 Millionen Teilnehmenden im Anschluss eine Stelle. Seit 2023 läuft die 4. Phase von PMKVY. Bis Anfang April 2024 wurden etwas mehr als eine halbe Million Personen geschult. 

Zudem gibt es mit "National Apprenticeship Promotion Scheme" ein Programm, das Firmen dabei unterstützen soll, Plätze für eine praxisorientierte Ausbildung anzubieten. Die "National Skill Development Corporation" ist eine zentrale Anlaufstelle rund um das Thema Aus- und Weiterbildung. Die Organisation hat zudem einen Ableger, der sich mit der Fachkräftemigration aus Indien befasst. 

Fachkräftemigration wird Thema

Immer häufiger interessieren sich deutsche Unternehmen für das Anwerben von Fachkräften aus Indien für den deutschen Arbeitsmarkt. Die Regierung in New Delhi begrüßt dies. Insbesondere seit der Coronapandemie hat sich der Zuzug aus Indien deutlich beschleunigt und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz dürfte die Entwicklung weiter stützen.

Für deutsche Firmen bietet die AHK Indien mit "Hand in Hand for International Talents" eine Anlaufstelle für Firmen aus Deutschland mit entsprechendem Bedarf. Hinzu kommen zahlreiche private Unternehmen in Deutschland und auf dem Subkontinent, die gezielt Fachkräfte vermitteln, genauso wie staatliche Förderprogramme für einzelne Berufe, wie beispielsweise "Triple-Win". Durch dieses Programm sollen gezielt Pflegekräfte aus Indien vermitteln werden, unterstützt durch die Bundesagentur für Arbeit und mit Hilfe der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. 

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