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Wirtschaftsausblick | Italien

Moderates Wachstum setzt sich fort

Der Export ist 2024 stärkster Wachstumstreiber, während die reale Inlandsnachfrage wegen Teuerungen nur moderat zulegt. EU-geförderte Großprojekte stabilisieren die Auftragslage.

Von Torsten Pauly | Mailand

Wirtschaftsentwicklung: Steigende Preise dämpfen Nachfrage

Italiens Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll 2024 preisbereinigt um 0,9 Prozent wachsen. Dies erwartete die Europäische Kommission im November 2023. Stärkster Konjunkturmotor ist dabei der Export von Waren und Dienstleistungen, der um 2,5 Prozent anziehen soll. Die Inlandsnachfrage wird der Prognose zufolge 2024 dagegen nur leicht um 0,7 Prozent zulegen. Dabei entwickelt sich die Konsumnachfrage besser als die Investitionstätigkeit, die 2024 stagnieren soll. Diese schwache Dynamik liegt am Preisanstieg, da die Inflation 2023 mit voraussichtlich 6,1 Prozent hoch bleibt. Zudem verteuern die stark gestiegenen Zinsen Investitions- und Konsumkredite.

Italiens Leistungsbilanz wird 2024 laut Europäischer Kommission einen Überschuss in Höhe von 0,9 Prozent des BIP ausweisen. Die Privatwirtschaft ist international wettbewerbsfähig und profitiert von Innovationsstärke und vorteilhaften Lohnkosten. Die Bruttostundenlöhne im verarbeitenden Gewerbe lagen 2022 um 9,6 Prozent unter dem EU-Schnitt. Allerdings sind die Energiepreise zuletzt stark gestiegen.

Problematisch ist die Budgetdisziplin der öffentlichen Hand. Die Europäische Kommission erwartet, dass Italiens Haushaltsdefizit 2024 bei 5,1 Prozent des BIP liegt. Dies ist in der Eurozone der zweitschlechteste Wert nach der Slowakei. Italiens öffentliche Gesamtverschuldung soll 2024 sogar 140,6 Prozent des BIP erreichen. Auch dies ist in der Eurozone der zweithöchste Schuldenstand nach Griechenland.

Weiterhin existiert ein Nord-Süd-Gefälle in der Wirtschaftskraft. Das zeigt sich an der Beschäftigungsquote. Diese war 2022 in nördlichen Regionen wie der Lombarbei, Ligurien, Piemont, Venetien, der Emilia Romagna und der Toskana mit 66 Prozent bis 70 Prozent im internationalen Vergleich hoch. In den südlichen Regionen Apulien, Kampanien, Kalabrien und Sizilien liegt sie dagegen bei unter 50 Prozent. Allerdings gibt es in Süditalien große Investitionen, nicht zuletzt wegen der verfügbaren Fachkräfte.

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Top-Thema: EU-Förderung ermöglicht Großprojekte

Italien erhält aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU von 2021 bis 2027 Fördergelder in Höhe von 191,5 Milliarden Euro. Diese setzt das Land vor allem zum Ausbau der Verkehrs- und IT-Infrastruktur sowie zum Umbau der Energieversorgung ein. Dadurch bieten sich deutschen Unternehmen viele Auftragsmöglichkeiten. Allein der Bau von Hochgeschwindigkeitstrassen und Alpentunneln kostet über 60 Milliarden Euro. Rom, Turin, Mailand und Neapel erweitern auch ihre U-Bahnlinien.

Bis 2033 entstehen Stromtrassen für 21 Milliarden Euro. Zudem sollen bis 2030 etwa 55 Gigawatt an Fotovoltaik-, 16 Gigawatt an Windkraft- und 5 Gigawatt an Wasserstoffanlagen ans Netz gehen. Das sizilianische Catania wird Europas größte Fabrik für Fotovoltaikzellen beherbergen. Zudem laufen Planungen zur Kohlendioxidspeicherung unter der Adria bei Ravenna.

Baukonjunktur schwächelt

Trotz der Großprojekte prognostiziert die EU-Kommission, dass die Bauinvestitionen 2024 preisbereinigt um 2,6 Prozent sinken werden. Viele private Bauherren überdenken ihre Vorhaben wegen gestiegener Kosten für Materialien, Energie und Kreditzinsen. Zudem sinken Abschreibungsmöglichkeiten für nachhaltige Baumaßnahmen Anfang 2024, dann können nur noch 70 Prozent und nicht mehr 110 Prozent der Investitionskosten geltend gemacht werden.

Gute Lieferchancen eröffnet die Umstellung der Kfz-Produktion auf die Elektromobilität. Hierfür wenden Stellantis, Lamborghini, Ferrari und HongQi 12 Milliarden Euro auf. Darüber hinaus entstehen in Süditalien zwei große Fertigungsstätten für Batterien. Auch der Markt für Hybrid- und Elektrofahrzeuge wächst kräftig. Insgesamt werden die Ausrüstungsinvestitionen 2024 laut Europäischer Kommission real um 2,5 Prozent steigen. Es gibt jedoch auch viele Hersteller, die ihre Ausrüstungsbestellungen auf den Prüfstand stellen. Gründe dafür sind hohe Kaufpreise, teure Finanzierungen und die seit Anfang 2023 reduzierten Abschreibungsmöglichkeiten.  

Reallöhne sollen erstmals seit drei Jahren steigen

Die Europäische Kommission erwartet, dass der Reallohn in Italien 2024 um 1,7 Prozent zulegt. Zudem soll die Beschäftigung 2024 leicht um 0,3 Prozent zunehmen, was das Einkommen der Haushalte ebenfalls verbessert. Dennoch hat die hohe Inflation zuletzt zu Kaufkraftverlusten geführt. So ist der Reallohn 2022 um 2,4 Prozent gesunken und auch für 2023 rechnet die Europäische Kommission mit einem Rückgang um 1,4 Prozent. Daher wird der reale Konsumanstieg 2024 mit 1 Prozent moderat bleiben.

Die Verschuldung der Haushalte hat sich seit Ausbruch der Coronakrise stark erhöht: Das Volumen der Konsumkredite war im 2. Quartal 2023 um 14 Prozent höher als drei Jahre zuvor. Die Belastung pro Kopf betrug Ende Juni 2023 etwa 2.650 Euro.

Importbedarf nimmt zu

Die italienische Einfuhr von Waren und Dienstleistungen soll 2023 um 1,1 Prozent und 2024 um 2,1 Prozent wachsen, so die preisbereinigte Prognose der Europäischen Kommission. Deutschland ist Italiens wichtigster Handelspartner, auf den 2022 etwa 13,9 Prozent des Warenimports und 12,4 Prozent des Exports entfielen. Zweitwichtigstes Lieferland war die Volksrepublik China mit einem Anteil von 8,8 Prozent vor Frankreich (7,4 Prozent). Zweitgrößter Exportmarkt waren 2022 die USA, wohin 10,4 Prozent der Warenausfuhr gingen, gefolgt von Frankreich (10 Prozent).

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Deutsche Perspektive: Nur verhaltener Optimismus

Laut einer im Herbst 2023 durchgeführten Mitgliederbefragung der Deutsch-Italienischen Industrie- und Handelskammer (AHK) rechnen 31 Prozent der Firmen mit einer besseren und 23 Prozent mit einer schlechteren Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten. Zu den drängendsten Problemen zählen die schwache Nachfrageentwicklung und der Fachkräftemangel im Norden des Landes. Mehr investieren wollen im nächsten Jahr 26 Prozent der AHK-Unternehmen. Jedes vierte Mitglied will seine Investitionen jedoch herunterfahren.

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