Wirtschaftsausblick | Norwegen
Solide norwegische Wirtschaftsentwicklung bietet Chancen
Norwegens Wirtschaft wächst 2025 und 2026 robust. Für deutsche Unternehmen bietet der Energiesektor viele Chancen, und auch im Bergbau gibt es neue Perspektiven.
21.10.2025
Von Leonie Schneiderhöhn | Stockholm
Top-Thema: Mehr Bergbauaktivitäten in Norwegen zu erwarten
Im Juni 2025 hat das norwegische Parlament ein neues Bergbaugesetz ("mineralloven") verabschiedet, das den Weg für mehr Bergbauaktivitäten ebnen soll. Ziel ist es, Norwegen als stabilen, nachhaltigen und verlässlichen Lieferanten kritischer Rohstoffe zu positionieren. Technologiemetalle wie Kupfer oder Grafit spielen eine Schlüsselrolle für die europäische Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie sowie die digitale und grüne Transformation.
Die wichtigsten Änderungen, die das Gesetz mit sich bringt, sind:
- Zentralisierung der Zuständigkeiten und Vereinheitlichung von Verfahren zur Effizienzsteigerung beim Bearbeiten von Projekten
- Klarere Regelungen für Meeresbodenbergbau
- Stärkere Berücksichtigung von Umwelt- und Aspekten der lokalen Gemeinden
- Digitalisierung und Transparenz für verbesserte Zugänglichkeit von Informationen
Das Gesetz bietet Chancen für deutsche Firmen, die in der Rohstoffsicherung, Exploration oder Technologieentwicklung tätig sind. Deutschland und die EU sehen Norwegen auch als potenziell wichtiges Lieferland für Metalle der seltenen Erden.
Wirtschaftsentwicklung: Stabile Wirtschaft mit leichtem Dämpfer aus dem Ölsektor
Nach zwei Jahren mit schwachem Wachstum legt die norwegische Wirtschaft wieder einen Zahn zu. Das Statistikamt SSB rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2025 und 2026 real um 1,9 beziehungsweise 1,8 Prozent steigen wird. Diese Zahlen beziehen sich auf das Festlands-BIP, das heißt ohne die Bereiche Energierohstoffe und Hochseetransport. Als Treiber sieht SSB dabei höhere Reallöhne, niedrigere Zinsen und mehr öffentliche Investitionen. Letztere betreffen hauptsächlich den Infrastrukturbereich sowie die Verteidigungsindustrie.
Seit ihrem Höchststand von 5,8 Prozent im Jahr 2022 ist die Inflationsrate schrittweise gesunken. Im Jahr 2025 soll sie sich bei 3 Prozent einpendeln. Im Folgejahr könnte sie weiter auf 2,2 Prozent zurückgehen. Dies hat positive Auswirkungen auf die Realeinkommen der Verbraucher. Der private Konsum erholt sich 2025 deutlich und wird bis 2028 voraussichtlich um etwa 3 Prozent jährlich wachsen.
Aufgrund der rückläufigen Inflation und einer sich leicht abschwächenden Konjunktur im Jahr 2026 erwarten Analysten, dass die norwegische Zentralbank Norges Bank ab Ende 2025 oder Anfang 2026 mit moderaten Zinssenkungen beginnen wird. Aktuell liegt der Leitzins bei 4,5 Prozent. Nach einem starken Rückgang in den vergangenen Jahren dürften die niedrigeren Zinsen die Wohnbauinvestitionen ab 2027 wieder ankurbeln und das Wirtschaftswachstum stützen. Auch die Baukosten stabilisieren sich aktuell.
Gegenwind kommt vom Ölsektor. SSB geht davon aus, dass die Investitionen in den Bereich 2026 bis 2028 um durchschnittlich 5 Prozent fallen werden. Grund sind auslaufende Projekte. Neue Vorhaben wie das Offshore-Ölfeld Wisting in der Barentssee sind zwar geplant, reichen aber nicht als vollständiger Ersatz. Dem Projekt Wisting fehlt zudem noch eine offizielle Investitionsentscheidung von Seiten des Betreibers Equinor, der sich erst bis Ende 2026 dazu äußern wird.
Auch aufgrund der gesunkenen Ölpreise und der schwachen Konjunktur in vielen Abnehmerländern sind die Aussichten für das kommende Jahr 2026 leicht gedämpft. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs und der Handelskonflikt mit den USA trüben die Wirtschaftsaussichten von wichtigen Handelspartnern wie Deutschland und reduzieren so die Nachfrage nach norwegischen Produkten.
Arbeitslosigkeit erreicht neuen Höhenpunkt
Die Arbeitslosenquote hat SSB zufolge mit 4,8 Prozent im 2. Quartal 2025 einen neuen Höhepunkt seit Juli 2021 erreicht. Allerdings ist der Anstieg hauptsächlich auf ein erhöhtes Arbeitskräfteangebot zurückzuführen. Immer mehr Personen, insbesondere junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die zuvor nicht zum Arbeitsmarkt gehörten, suchen nun aktiv nach Arbeit. Dies ist ein erstes Ergebnis der Maßnahmen der Regierung, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Gleichzeitig ist eine leicht erhöhte Anzahl an Erwerbstätigen von der Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit gerutscht. Dank der steigenden Binnennachfrage soll sich die Arbeitslosenquote in den nächsten Jahren jedoch auf etwa 4 Prozent einpendeln.
Deutsche Perspektive: Energiesektor bietet die größten Chancen
Im Juli 2025 hat die norwegische Regierung ihre neue Strategie für die Zulieferindustrie im Offshore-Windsektor vorgestellt. Darin sind Milliardeninvestitionen und neue Förderprogramme vorgesehen. Ein wichtiges Thema ist auch der Ausbau von Hafeninfrastruktur für schwimmende Offshore-Windanlagen. Auch eine Vertiefung der Kooperation im Nordseeraum mit der EU wird explizit erwähnt. Für deutsche Unternehmen ergibt sich dadurch Potenzial für gemeinsame Wertschöpfungsketten in der Nordsee. Deutsches Know-how ist zudem beim Bau und der Instandhaltung von Windturbinen und Netztechnologien gefragt.
Im Rahmen der deutsch-norwegischen Energiepartnerschaft wurde im Juni 2025 das Longship-Projekt gestartet. Als Europas erste vollständige Wertschöpfungskette für CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) bietet das Projekt eine skalierbare Lösung zur Dekarbonisierung der europäischen Industrie. Es umfasst die CO2-Abscheidung im Zementwerk von Heidelberg Materials in Brevik. Dort werden die abgeschiedenen Gase auf den Weitertransport der Emissionen per Schiff vorbereitet und in 2.600 Metern Tiefe unter dem Meeresboden bei Øygarden nahe Bergen gespeichert.
Die Themen CCS, Offshore-Windkraft und Wasserstoff waren auch wichtige Themen des deutsch-norwegischen Energiedialogs am 23. September 2025. Die Veranstaltung findet jährlich statt.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer GTAI-Länderseite Norwegen.