Wirtschaftsumfeld | Ägypten | Wirtschaftsstruktur
Ägyptens Wirtschaftsstruktur ist von Gegensätzen gekennzeichnet
Besiedlung und Nutzung der einzelnen Landesteile Ägyptens sind aufgrund der Geografie sehr unterschiedlich. Das prägt auch die Wirtschaftsstruktur.
09.10.2025
Von Marcus Knupp | Kairo
Ägyptens Wirtschaft passt nicht in geläufige Kategorien. Wie die Golfstaaten fördert es Öl und Gas. Die Branche hat aber keine dominierende Stellung. Es gibt ein vielfältiges produzierendes Gewerbe. Dieses ist aber nur in geringem Maße in globale Wertschöpfungsketten integriert. Wichtige Einnahmequellen sind daneben Tourismus, Überweisungen von Auslandsägyptern und insbesondere Einnahmen aus dem Suezkanal. Dieses Nadelöhr gibt Ägypten zusätzliche Bedeutung für die Weltwirtschaft.
Großer Konsumentenmarkt und regionaler Dienstleister
Der 117 Millionen Konsumenten umfassende Binnenmarkt macht Ägypten als Produktionsstandort für Konsumgüter attraktiv. Die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher und mineralischer Rohstoffe bietet hierzu zahlreiche Ansätze. Es gibt ein großes Potenzial vergleichsweise gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Während die Ankünfte von Touristen trotz regionaler Krisen recht stabil sind, leiden die Einnahmen aus den Gebühren für die Passage des Suezkanals derzeit stark.
Die öffentliche Verschuldung Ägyptens hat zum Ende des Fiskaljahres 2024/25 etwa 85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreicht. Das waren rund 10 Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. Finanzspritzen und anziehendes Wirtschaftswachstum stehen hinter dem Rückgang. Externe Schulden und Armut bleiben aber weiterhin Risikofaktoren, ebenso Wasserknappheit.
Neue Märkte im Blick
Bislang orientiert sich Ägypten vor allem an den europäischen und arabischen Märkten. Zunehmend gewinnt aber der Blick auf afrikanische Länder an Bedeutung. Die Anfang 2021 ins Leben gerufene African Continental Free Trade Area (AfCFTA) wird die regionale Integration auf dem Kontinent vertiefen. Ein dichtes Netz an Freihandelsabkommen erleichtert vielfach die Produktion für den Export.
Die Nähe zu Europa macht Ägypten dabei zu einem interessanten Logistikstandort, von dem aus es möglich ist, die Lieferketten zu verkürzen. Ausländische Investoren finden im Land einen großen Pool mehrsprachiger, teils sogar deutschsprachiger Universitätsabsolventen vor, und dies zu günstigen Löhnen. Dies fördert vor allem IT- und andere Outsourcing-Dienstleistungen. Im verarbeitenden Gewerbe jedoch ist der Fachkräftemangel groß, vor allem bei technisch-handwerklichen Ausbildungsberufen.
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Schwellenland in Wartestellung
Mit Blick auf die Diversifizierung der Lieferketten und einen potenziell wachsenden Markt verdient Ägypten einen genaueren Blick. Die Ansiedlung von Produktionsbetrieben und deren Zulieferern verlängert lokale Wertschöpfungsketten. Der Ausbau der Straßen- und Schienennetze verspricht eine leistungsfähigere Infrastruktur. Mit Häfen am Mittelmeer und am Roten Meer sowie dem Suezkanal fungiert Ägypten als Scharnier zwischen Europa und Asien.
Nach den Erfahrungen deutscher Unternehmen birgt Ägypten aber auch Risiken. In der Vergangenheit beeinträchtigten anhaltende Devisenprobleme teils massiv die Zahlungsabwicklung. Mit der Freigabe des Wechselkurses im März 2024 ist das Problem vorerst entschärft – eine langfristige Garantie ist das jedoch nicht.
Handeln und Nachverhandeln gehören zur kulturellen DNA. Eine gewisse Flexibilität in der zeitlichen und finanziellen Planung sollten Unternehmen daher mitbringen. Auch auf eine bisweilen schwerfällige Bürokratie mit nicht immer offensichtlichen Entscheidungswegen sollten sie sich einstellen.
Ägyptens Wirtschaft ist vielseitig
Wichtige Zweige des verarbeitenden Gewerbes sind die Nahrungsmittel-, Textil- und Baustoffindustrie. Die Umsätze des Nahrungsmittelsektors werden weiter steigen. Zum einen muss die stark wachsende Bevölkerung ernährt werden. Zum anderen sind ägyptische Nahrungsmittelhersteller auch im Export relativ erfolgreich, insbesondere in die Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens. Durch die mehrfache Abwertung des ägyptischen Pfunds hat die Textil- und Bekleidungsindustrie einen Kostenvorteil gegenüber asiatischen Standorten gewonnen.
Der Groß- und Einzelhandel ist ein traditionsreicher und bedeutender Wirtschaftszweig Ägyptens. Da er auch ein Schwerpunkt des informellen Sektors ist, sind jedoch kaum Daten verfügbar. Internationale Handelsketten sind erst seit Kurzem in Ägypten aktiv, wollen ihre Präsenz aber ausbauen. Lieferdienste sind in den großen Städten mittlerweile gang und gäbe. Bei Finanzdienstleistungen gewinnen digitale Geschäftsmodelle an Bedeutung, die in erster Linie von Start-ups vorangetrieben werden. All dies macht Ägypten auch für ausländische Investoren interessant.
Die ägyptische Landwirtschaft spielt als Wirtschaftsfaktor und für die Beschäftigung eine wichtige Rolle. Mit wachsendem Erfolg werden Agrarprodukte wie beispielsweise Zitrusfrüchte und Kartoffeln exportiert. Der zunehmende Wassermangel ist jedoch eine zentrale Herausforderung. Der Anbau wassersparender Sorten, eine effiziente Bewässerung und die Nutzung gereinigter Abwässer werden daher immer wichtiger.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023/2024 1 | Anteil an den Beschäftigten 2024 2 |
|---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 14,4 | 18,5 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 7,7 | 0,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 14,6 | 13,3 |
Energieversorgung | 1,4 | 0,7 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 0,5 | 1,1 |
Baugewerbe | 10,0 | 12,9 |
Dienstleistungen | 51,4 | 53,3 |
Hohe Dichte trotz großer Fläche
Ägypten ist ein Flächenstaat. Der größte Teil der etwas über 1 Million Quadratkilometer werden allerdings von Wüsten eingenommen. Die Bevölkerung konzentriert sich in einem schmalen Streifen entlang des Nils sowie im Nildelta. Diese Gebiete werden traditionell intensiv landwirtschaftlich genutzt. Den Übergang zwischen den beiden Räumen markiert die Hauptstadt Kairo, mit rund 20 Millionen Einwohnern das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Zweitgrößte Stadt ist Alexandria im Norden des Nildeltas am Mittelmeer. Planmäßig angelegte Entlastungsstädte im Umland von Kairo sind wichtige Standorte der Industrie. Hinzu kommen die Hafenstädte an den Endpunkten des Suezkanals und vor allem touristisch genutzte Orte an den Küsten von Rotem und Mittelmeer.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) 1) | Bevölkerung (in Mio.) 2) |
|---|---|---|
Kairo 3) | 28,3 | 10,4 |
Giza 3) |
12,0 | 9,8 |
Alexandria | 8,5 | 5,6 |
| Qalyubia | 5,1 | 6,3 |
| Sharqia | 4,6 | 8,1 |
| Daqahlia | 4,4 | 7,2 |
| Beheira | 4,4 | 7,1 |
Port Said | 2,9 | 0,8 |