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Wirtschaftsausblick | Albanien
Der Tourismus in Albanien kuriert sich von der Pandemie und setzt Impulse für die gesamte Wirtschaft. Das grüne Licht für EU-Beitrittsverhandlungen schafft Optimismus.
28.07.2022
Von Martin Gaber | Belgrad
Der Tourismus in Albanien erholt sich von den Auswirkungen der Coronapandemie. Das bringt Schwung in die gesamte Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2022 real um rund 3,5 Prozent zulegen, so das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in seiner Sommerprognose. Auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnen mit einem Wachstum von rund 3 Prozent.
Wegfallende Coronabeschränkungen und ein großer Nachholbedarf bei Reisen sorgen dafür, dass die Touristenzahlen nach oben gehen. Alleine zwischen Januar und Mai 2022 verzeichnete das Adrialand 3,5 Millionen Gäste. Das entspricht ungefähr dem Niveau von 2019.
Der Tourismus gilt als Zugpferd der albanischen Wirtschaft. Rund 225.000 Personen arbeiten direkt und indirekt im Tourismus, so das Weltforum für Reise und Tourismus (WTTC). Daher blickt Albaniens Tourismus nun mit Sorge auf die Personalkrise an internationalen Flughäfen, steigende Preise und eine Corona-Sommerwelle. Auch fehlende Arbeitskräfte aufgrund massiver Abwanderung bereiten der Branche Sorge. Das bremst ein stärkeres Wachstum.
Optimistisch hingegen stimmen gute Nachrichten aus Brüssel: Nachdem die Europäische Union (EU) im politischen Konflikt um Minderheitenrechte und unterschiedlichen Auffassungen zu Fragen der Geschichte und Sprache zwischen Bulgarien und Nordmazedonien erfolgreich vermittelt hat, haben die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien begonnen. Vor einiger Zeit hatte die EU entschieden, nur mit beiden Kandidaten gemeinsam die Verhandlungen zu beginnen. Im Land hoffen Bevölkerung und Wirtschaft auf umfassende Reformen im Zuge des Beitrittsprozesses und einen entschiedenen Kampf gegen Korruption.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 15,1 | 18,3 | 4.224 |
BIP pro Kopf (US$) | 5.332 | 6.494 | 50.771 |
Bevölkerung (Mio.) | 2,8 | 2,8 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Albanische Lek) | 123,8 | 122,5 | - |
Albanien verzeichnete bei den Bruttoanlageinvestitionen nach dem Coronajahr 2020 einen großen Nachholbedarf. Nun flauen die Investitionen 2022 wieder etwas ab. Mit einem prognostizierten Plus von rund 5 Prozent in den Jahren 2022 und 2023 wachsen diese aber weiter, so das wiiw. Im Jahr 2021 hatten die Bruttoanlageinvestitionen allerdings noch real um fast 20 Prozent zugelegt.
Bei ausländischen Investoren wurde Albanien in den vergangenen Jahren immer beliebter. Im vergangenen Jahr wurde das Vorkrisenniveau mit Zuflüssen von knapp über 1 Milliarde Euro schon fast wieder erreicht, berichtet die albanische Zentralbank. Im 1. Quartal 2022 verzeichnete Albanien Zuflüsse von rund 270 Millionen Euro.
Aus Deutschland gehören der Tirana Business Park von der Linder Gruppe und der Kabelbaumhersteller Forschner zu den größten Investoren. Forschner plant derzeit seine Kapazitäten deutlich auszubauen.
Albanien investiert in größere Infrastrukturvorhaben. So werden das marode Schienennetz sowie die Straßeninfrastruktur ausgebaut. Zudem soll ein dritter internationaler Flughafen in Vlora entstehen. Das Projekt gilt allerdings als umstritten, da das Vorhaben in dem neuen Vjosa-Nationalpark geplant ist.
Auch die Energieinfrastruktur soll weiter ausgebaut und diversifiziert werden. Aktuell bezieht Albanien seine Energie fast ausschließlich aus Wasserkraft, was bei ausbleibendem Regen zum Problem wird. In Vlora sollen schwimmende Gasterminals entstehen und weitere Erdgasfelder im Landesinneren erschlossen werden. Zudem prüft der Großkonzern Shell Möglichkeiten zur Erdölförderung und Gasgewinnung. Auch erneuerbare Energien werden weiter ausgebaut, im Fokus stehen dabei Wind- und Solarenergie.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Modernisierung der albanischen Eisenbahninfrastruktur: Abschnitt Durrës-Rrogozhina-Lin-Grenze zu Nordmazedonien | 291 | Finanzierung: EIB-Darlehen über 136 Mio. Euro, andere Quellen: 125 Mio. Euro, Eigenmittel 25 Mio. Euro; Projekt in Vorbereitung | |
Ausbau der Autobahnstrecke Muriqan-Lezha am Mittelmeerkorridor | 255 | Finanzierung: WBIF 97 Mio. Euro, EBRD-Darlehen über 128 Mio. Euro, Eigenmittel: 30 Mio. Euro; Projekt in Vorbereitung | |
Bau neuer Brücken in Albanien | Über 200 | Vorgesehene Finanzierung: IBRD 100 Mio. Euro und andere; Projekt in Vorbereitung | |
Ausbau der regionalen Breitbandinfrastruktur – Digitale Infrastruktur in Albanien | 198 | Finanzierung: EIB 57 Mio. Euro, WBIF 50 Mio. Euro, staatl. Eigenfinanzierung: 26 Mio. Euro; Telekommunikationsunternehmen 41 Mio. Euro, und weitere; Machbarkeitsstudie und Bebauungsplan in Ausarbeitung | |
Bau eines unterirdischen Erdgasspeichers in Dumreja | 76 | Finanzierung: EIB und WBIF 45 Mio. Euro, andere Quellen: 30 Mio. Euro; Projekt in Vorbereitung | |
Modernisierung und Erweiterung des Frachthafens in Durrës | Mind. 63 | Finanzierung WBIF: 28 Mio. Euro, EBRD-Darlehen über 25 Mio. Euro, Eigenmittel 10 Mio. Euro | Ministerium für Infrastruktur und Energie |
Abfallmanagementsystem in der Region Fier | 63 | Finanzierung: KfW-Darlehen über 24 Mio. Euro; WBIF: 25 Mio. Euro; Eigenmittel: 15 Mio. Euro; Machbarkeitsstudie in Vorbereitung | |
Sanierung des Wasserkraftwerks Fierza | 48 | Finanzierung: KfW-Darlehen über 40 Mio. Euro, WBIF: 8 Mio. Euro und Eigenmittel; Projektdokumentation in Vorbereitung | |
Nationales Wasserversorgungs und -entsorgungsprogramm: Durrës Abwassermanagement | 41 | Finanzierung: WBIF 13 Mio. Euro und Französische Entwicklungsagentur AFD: Darlehen über 28 Mio.; Machbarkeitsstudie in Arbeit | |
Schwimmendes Solarkraftwerk in Vau-Deja | 14 | Finanzierung: EBRD-Darlehen, WBIF und Eigenmittel; Projektdokumentation in Vorbereitung |
Eine Übersicht über nationale Projekte bietet die Plattform Open Procurement Albania.
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Die Coronakrise hatte den Positivtrend beim Konsum gestoppt. Seit 2021 zieht dieser wieder an und dürfte trotz hoher Inflation weiter zulegen. Er wird 2022 und 2023 real aber wohl nur noch um jeweils knapp 2 Prozent wachsen, so das wiiw. Wachstum erzeugen weiter steigende Einkommen und Rücküberweisungen. Im 1. Quartal 2022 liegt das Durchschnittsgehalt bei 59.242 albanischen Lek (rund 500 Euro) und damit nominal fast 6 Prozent über dem entsprechenden Vorjahresquartal, berichtet die Statistikbehörde INSTAT.
Zudem stocken viele Familien in Albanien ihr Einkommen dank Rücküberweisungen aus dem Ausland auf. Fast jeder vierte Haushalt profitiert davon. Laut albanischer Zentralbank fließen insgesamt rund 1 Milliarde Euro an Rücküberweisungen ins Land.
Albaniens Außenwirtschaft hängt von der Nachfrage aus der EU ab. Rund 75 Prozent der Exporte gehen in die Union, so INSTAT. Obwohl die Konjunktur in der EU abflaut, ist die Nachfrage nach Waren aus Albanien groß. Im 1. Halbjahr 2022 liegen die Exporte nominal 43 Prozent über dem Vorjahreswert, bei den Importen sind es immerhin 26 Prozent. Bereits 2021 hatte es ein deutliches Plus im Außenhandel gegeben. Die derzeitigen Zuwächse liegen deutlich über den Prognosen, die sich im einstelligen Bereich bewegten. Der Trend zur regionaleren Beschaffung, in diesem Fall innerhalb Europas, könnte dafür sorgen, dass die Nachfrage nach albanischen Waren anhält.
Wichtigster Handelspartner Albaniens bleibt Italien. Rund 20 Prozent aller Importe und die Hälfte aller Exporte entfallen auf den Adriaanrainer. Deutschland gehört zu den fünf wichtigsten Handelspartnern Albaniens. Die wichtigsten Importprodukte aus Deutschland sind Kraftfahrzeuge, Maschinen, Apparate und Geräte, Pharmaprodukte und Vorprodukte für die Bekleidungsindustrie. Deutschland bezieht vor allem Bekleidung aus Albanien.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 4.890,2 | 6.538,6 | 33,7 |
Exporte | 2.197,3 | 3.011,3 | 37,0 |