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Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan

Aserbaidschans Wirtschaft kann ihr Potenzial nicht voll entfalten

Die Wirtschaft legt 2024 nur um etwa 2,5 Prozent zu. Wachstumstreiber sind Dienstleistungen sowie der Bau- und Agrarsektor. Hausgemachte Probleme verhindern ein höheres Wachstum.

Von Uwe Strohbach | Baku

Top-Thema: Aserbaidschan nimmt Kurs auf Ökostrom

Aserbaidschan springt spät, dafür aber mit hoher Geschwindigkeit auf den Zug der erneuerbaren Energien auf. Ihr jährliche Anteil an der Stromerzeugung soll sich bis 2030 gegenüber dem heutigen Niveau auf 30 Prozent versechsfachen. Das Land will bis Ende 2030 grüne Kraftwerke mit einer Kapazität von mindestens fünf Gigawatt realisieren, gab der im Januar 2024 wiedergewählte aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew bei seiner Amtseinführung bekannt.

Im Oktober 2023 ging der erste große Solarpark mit einer Kapazität von 230 Megawatt in Betrieb. In den Jahren 2024 und 2025 startet der Bau mehrerer Solar- und Windparks. Grundlage dafür sind Vereinbarungen, die die Regierung mit ausländischen Partnern im Jahr 2023 unterzeichnet hat. Diese umfassen mögliche Projekte mit einem Volumen von etwa zehn Gigawatt.

Wirtschaftsentwicklung: Mangelnde Reformen bremsen Wachstum

Internationale Marktbeobachter wie der Internationale Währungsfonds, die niederländische ING Group oder die britische Investitionsgesellschaft Renaissance Capital erwarten für 2024 ein reales Wirtschaftswachstum von 2,3 bis 2,5 Prozent. Die Regierung prognostiziert ein Plus von 2,4 Prozent, die Zentralbank ein höheres, aber wenig realistisches Plus von 3,5 Prozent. 

Hinter dem Wachstum stehen ausschließlich Branchen außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft. Hauptmotor ist der Dienstleistungssektor, darunter insbesondere die Sparten Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnologie und Transport. Auch die Landwirtschaft und das Baugewerbe dürften das Wirtschaftswachstum stützen. 

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Schwieriges Geschäftsumfeld hemmt schnelleres Wachstum 

Die konjunkturelle Lage entspricht nicht dem im Land vorhandenen Entwicklungspotenzial. Der faire und freie Wettbewerb auf dem Markt wird behindert von:

  • schwierigen geschäftlichen Rahmenbedingungen für private Unternehmen, 

  • der Dominanz des Staates und monopolistischen Strukturen in vielen Wirtschaftssektoren, 

  • einer ausgeprägten Schattenwirtschaft, 

  • Defiziten im Gerichtswesen,

  • einer hohen Korruption.

Doch es lassen sich auch Verbesserungen im unternehmerischen Umfeld beobachten. So soll bis Mitte 2024 eine neue Strategie für die Förderung ausländischer Direktinvestitionen verabschiedet werden. Bis Ende 2024 will die Regierung zudem Vorschläge vorbereiten, mit denen private Investoren für den Direkteinstieg in große Staatsbetriebe gewonnen werden sollen. 

Private Investitionen verharren auf niedrigem Niveau

Die Regierung erwartet für 2024 das dritte Jahr in Folge einen realen Investitionszuwachs. Regierungsangaben zufolge sollen die nominalen Investitionen außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft 2024 leicht auf 8,3 Milliarden US-Dollar (US$) steigen, gegenüber 8,2 Milliarden US$ im Vorjahr.

Auch 2024 fließt wieder ein Großteil der Investitionen im Land in den Wiederaufbau der Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur (2023: 3,8 Milliarden US$). Im Fokus stehen Infrastrukturprojekte.

Mittelfristig sollen die jährlichen Gesamtinvestitionen bis 2027 auf 13,4 Milliarden US$ steigen, gegenüber 11,9 Milliarden US$ im Jahr 2023. Nutznießer des Trends sind vor allem das Dienstleistungs- und Baugewerbe. Im verarbeitenden Gewerbe und im Agrarsektor sind nur bescheidene reale Investitionszuwächse zu erwarten.

Zum früheren Niveau ist es aber noch ein weiter Weg. Im Zeitraum 2016 bis 2021 schrumpften die Bruttoanlageinvestitionen im Schnitt pro Jahr um 5 Prozent, nachdem die globalen Rohstoffpreise 2015 eingebrochen waren.

Konsumklima bleibt angespannt

Der Einzelhandel dürfte 2024 um real 3 Prozent zulegen. Die offiziellen Zahlen spiegeln die tatsächliche Inflation aber nicht wider. Unabhängigen Ökonomen zufolge liegen die Preisindizes für viele Produkte über den amtlich ermittelten Raten. Somit ergeben sich kaum reale Zuwächse.

Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Handel betrugen 2023 bescheidene 284 US$. Der Anteil der Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel an den Pro-Kopf-Ausgaben im Handel nimmt seit einigen Jahren wieder zu, 2023 stieg er auf 56 Prozent. Textilien, Bekleidung und Schuhe machen ein Drittel der Ausgaben für Nonfood-Güter aus.

Im öl- und gasreichen Aserbaidschan, vor allem in Baku, können sich einige Verbraucher weiterhin teure Importprodukte leisten. Das Gros der Bevölkerung muss mit monatlichen Einnahmen auskommen, die nahe am oder unter dem Existenzminimum von 144 US$ liegen.

Importe nehmen nur leicht zu

Der Außenhandel ist stark von den globalen Rohstoffpreisen abhängig. Öl, Gas und Ölprodukte stehen für 90 Prozent der Exporte. Die Öl- und Gasexporte dürften 2024 aufgrund stabiler Preise in etwa dem Vorjahresniveau entsprechen. Im Jahr 2023 führten sinkende Öl- und Gaspreise dazu, dass die Gesamtexporte um 4,2 Milliarden US$ sanken.

Die übrigen Exporte im Jahr 2023 in Höhe von 3,3 Milliarden US$ umfassten vorrangig agrarische Güter (0,8 Milliarden US$), Kunststofferzeugnisse (0,5 Milliarden US$) und Strom (0,4 Milliarden US$).

Für 2024 erwarten die Planer ein reales Importwachstum von 3 Prozent, nach einem Plus von 1,9 Prozent in 2023. Haupteinfuhrgüter sind Zugmaschinen, Kraftfahrwagen, Teile und Zubehör (2023: 2,1 Milliarden US$), mineralische Brennstoffe und Mineralöle (2,0 Milliarden US$), Maschinen und mechanische Ausrüstungen (1,9 Milliarden US$) sowie Elektromaschinen, elektrotechnische Waren und Konsumelektronik (1,5 Milliarden US$).

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Deutsche Perspektive:  Lieferchancen bleiben überschaubar 

Deutschland importiert aus Aserbaidschan fast nur Rohöl, 2023 waren es 1,2 Millionen Tonnen. Unter den übrigen deutschen Importen sind Haselnüsse noch erwähnenswert.

Die deutschen Lieferungen umfassen vorrangig Kfz, Maschinen/Ausrüstungen inklusive der Sparte Elektro, Arzneimittel, Chemieerzeugnisse und Nahrungsgüter. Im Jahr 2023 entfiel die Hälfte aller wertmäßig aus der EU importierten Pkw (250 Millionen Euro) auf Deutschland (etwa 2.500 Einheiten). Die Lieferungen von Arzneimitteln stiegen um 16 Prozent auf 44 Millionen Euro.

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