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Wirtschaftsausblick I Aserbaidschan
Aserbaidschans Wirtschaft wird in diesem Jahr voraussichtlich real um rund 3 Prozent zulegen. Haupttreiber sind Dienstleistungen, das Baugewerbe und das Gasgeschäft.
04.01.2023
Von Uwe Strohbach | Baku
Die Regierung Aserbaidschans und internationale Beobachter prognostizieren für das Jahr 2023 eine schwächere Konjunktur als in den beiden Vorjahren. Sie rechnen mit einem realen Plus von 2,5 bis 3,5 Prozent. Einem höheren Wachstum stehen Verwerfungen in der globalen Weltwirtschaft und hausgemachte Probleme entgegen.
Der erwartete Zuwachs geht hauptsächlich auf das Konto des Nichtölsektors. Dieser werde 2023 um 5,6 Prozent zulegen, so die Regierung. Auf mittlere Sicht, das heißt im Zeitraum 2022 bis 2026, hofft sie auf ein Wirtschaftswachstum von etwa 4,1 Prozent im Jahresdurchschnitt. Die Prognose für den Nichtölsektor beläuft sich dabei auf ein Plus von 6,3 Prozent.
Die Prognose für 2023 geht von einem realen Umsatzwachstum in den Sektoren Dienstleistungen (besonders Transport, IKT und Tourismus), Bauwesen (inklusive Baustoffe), Ernährungswirtschaft und Erdgasförderung aus. Die Bauwirtschaft profitiert von Projekten zur Erneuerung der Verkehrswege und Infrastruktur in den Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Territorien im Westen des Landes.
Viele Marktbeobachter betrachten die mittelfristigen Aussichten aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Aserbaidschan mit Skepsis. Die dominierenden staatlichen, oligarchischen und monopolistischen Unternehmensstrukturen in vielen Branchen schränken einen freien Wettbewerb ein und bremsen somit die weitere Diversifizierung der Wirtschaft. Erschwerend wirken auch die fehlende unabhängige Justiz, die hohe Schattenwirtschaft und die schleppende Korruptionsbekämpfung.
Dennoch sind Reformerfolge im Land nicht zu übersehen. Genannt seien die reformierte Verwaltung von Staatsunternehmen, die effektivere Unternehmensförderung und forcierte öffentlich-private Partnerschaften bei prioritären Projekten.
Indikator | 2020 | 2021 | 2022 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. US$) | 42,7 | 54,6 | 71,4 *) | 4.261 |
BIP pro Kopf (US$) | 4.281 | 5.453 | 7.097 *) | 51.214 |
Bevölkerung (31.12.; Mio.) | 10,1 | 10,2 | 10,2 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = ... Aserbaidschan-Manat/AZN) | 1,7 | 1,7 | 1,7 | - |
Die Investitionen zeigten 2022 nach einem langjährigen Tief preisbereinigt erstmals wieder nach oben. Im Zeitraum Januar bis November 2022 stiegen sie um 8,2 Prozent auf 7,7 Milliarden US-Dollar (US$). Fünf Jahre lang zuvor, von 2016 bis 2021, sanken sie durchschnittlich um real 8,1 Prozent im Jahresdurchschnitt.
Allerdings verharren die privaten in- und ausländischen Investitionen auf einem niedrigen Niveau. Geschäftsbanken kreditieren nur in geringem Umfang Projekte in der verarbeitenden Industrie und im Agrarsektor. Die Anlagen in den Sparten außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft betrugen in den ersten elf Monaten 2022 nur 632 Millionen US$ (Ist Gesamtjahr 2021: 0,9 Milliarden US$).
Für 2023 und 2024 bestehen jedoch Aussichten auf weiter anziehende Investitionen. Hierfür sprechen unter anderem die belebte Bauwirtschaft und neue Projekte in der Öl- und Gaswirtschaft. Allein in den Wiederaufbau der Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur dürften 2023 mehr als 2 Milliarden US$ öffentliche und private Gelder fließen.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
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Windpark-Pilotprojekt und Anbindung an das Stromnetz (Landkreise Chizi/Xızı und Abscheron/Abşeron; 240,5 MW; Betreibermodell: BOO) | 300 | Bauzeit: 2022 bis 2023, Kofinanzierung durch die EBRD | ACWA Power Azerbaijan Renewable Energy LLC, (Saudi-Arabien), Energieministerium Aserbaidschans |
Fotovoltaikpark-Pilotprojekt und Anbindung an das Stromnetz (Stadtbezirk Garadagh/Baku; 230 MW; Betreibermodell: BOO) | 240 | Bauzeit: 2022 bis 2023, Kofinanzierung durch die EBRD und ADB | Masdar/Masdar Azerbaycan Energy LLC (VAE), Energieministerium Aserbaidschans |
Fotovoltaikpark Shafag in der Region Karabach/Qarabağ (Landkreise Cəbrayıl/Dschabrayil und Zəngilan/Sangilan; 240 MW) | 200 | Vereinbarung vom Juni 2021 und Juni 2022 (zz. Erstellung der Machbarkeitsstudie, Klärung der Finanzierung, Vorbereitung Projektierung/Bau) | BP (Vereinigtes Königreich), Energieministerium Aserbaidschans |
Windkraftpark Garadagh (38 bis 72 MW), Anschlussprojekte geplant (Fabrik für Ölaufbereitung, Produktion von grünem Wasserstoff) | k.A. | Projekte im Frühstadium, Memorandum vom November 2022 über den Bau des Windkraftparks (Partner: AIC/ Aserbaidschan, Elecnor Company/Spanien)
| |
Modernisierung und Ausbau der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in der Stadt Gandscha/Gəncə | mindestens 200 (Projektphasen ab 2023) | Realisierung: 2023 bis voraussichtlich 2035, EBRD prüft finanzielle Unterstützung | |
Weiterer Ausbau des Urlaubs-, Erholungs- und Kurortes Sea Breeze Nardaran am Kaspisee (Fünf-Sterne-Hotel, Apartment-Hotel, Handelszentrum, medizinisches Zentrum und andere Objekte) | mindestens 150 | Realisierung: 2021 bis 2023/2024 (bis Mitte 2022 flossen rund 400 Mio. US$ in das Gesamtprojekt Sea Breeze) | Crocus Group/Sea Breeze Resort |
Modernisierung der Regionalstraße Yenikend-Bilasuvar (71 km), Teil der Trasse M3 Alat-Astara-Grenze zum Iran | 96 | Realisierung: 2022 bis 2024, Kofinanzierung durch die Weltbank | State Agency of Azerbaijan Automobile Roads (AAYDA) |
Ausbau der jährlichen Umschlagkapazität des Seehafens Baku von 15 Mio. auf 25 Mio. t, einschließlich Containern von 100.000 TEU auf 500.000 TEU | k.A. | Erarbeitung der Machbarkeitsstudie bis etwa Mitte 2023 |
Staatliches Ausschreibungsportal: www.tender.gov.az
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Der Einzelhandel legte 2021 und 2022 preisbereinigt um jeweils rund 3 Prozent zu. Für 2023 hofft die Regierung auf ein Plus von etwa 2 Prozent. Die offiziellen Zahlen spiegeln die aktuelle Lage auf dem Verbrauchermarkt aber nicht wider. Unabhängige Experten schätzen die Inflationsrate um ein Mehrfaches höher ein. Somit ergeben sich reale Rückgänge im Einzelhandel. Für diesen Trend sprechen auch Einbußen bei den Reallöhnen.
Die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Einzelhandel betrugen 2022 nur circa 240 US$. In der Hauptstadt Baku erreichten sie gut 500 US$ und in den Regionen außerhalb der Landesmetropole bescheidene 100 bis 200 US$. Das Gewicht von Nahrungsgütern und Genussmitteln an den Gesamtausgaben im Handel nimmt seit einigen Jahren wieder stetig zu (Anteil 2022: 56 Prozent). Textilien, Bekleidung und Schuhe machen allein ein Drittel der Ausgaben für Nonfood-Güter aus. Im öl- und gasreichen Aserbaidschan, vor allem in Baku, können sich einige Verbraucher weiterhin teure Importprodukte leisten. Das Gros der Bevölkerung hingegen muss mit Einnahmen auskommen, die nahe am oder unter dem Existenzminimum liegen.
Hohe Preise für Erdöl und Erdgas sind die Haupttreiber des Exportwachstums. Die Ausfuhren legten in den ersten zehn Monaten 2022 nominal um 91,3 Prozent auf 35 Milliarden US$ zu. Preisbereinigt betrug das Plus nur 13,3 Prozent. Die Importe stiegen nominal um 24,1 Prozent auf 11,6 Milliarden US$. Real verharrten sie auf dem Vorjahresniveau.
Die Exporte dürften auch 2023 vom höheren Preisniveau für Öl, Ölprodukte und Gas profitieren. Gleichzeitig führt Aserbaidschan zunehmend mehr Erdgas aus. Öl, Gas und Ölprodukte stehen für gut neun Zehntel der Ausfuhren. Die jährlichen Nichtölexporte sollen von 2,7 Milliarden US$ (2021) auf 5 Milliarden US$ (2027) steigen. Im Zeitraum Januar bis Oktober 2022 erreichten sie 2,4 Milliarden US$.
Haupteinfuhrgüter Aserbaidschans sind Maschinen und Ausrüstungen aller Art (Januar bis Oktober 2022: 2,3 Milliarden US$), Nahrungsgüter (1,8 Milliarden US$) und Transportmittel (1,4 Milliarden US$). Die Lieferungen aus Deutschland zeigen nach einem langen Tief 2022 erstmals wieder nach oben. In den ersten zehn Monaten 2022 stiegen sie nominal um 44 Prozent auf 370 Millionen Euro. Sie liegen aber immer noch gut zwei Fünftel unter dem entsprechenden Niveau von 2014/2015.
| 2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 |
---|---|---|---|---|
Warenimporte (cif) | 13,67 | 10,73 | 11,71 | 9,1 |
Warenexporte (fob) | 19,64 | 13,74 | 22,21 | 61,6 |