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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Bosnien und Herzegowina
Die Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina verliert etwas an Dynamik, wächst aber weiter. Dafür sorgen der private Konsum und Investitionen – auch aus Deutschland.
07.08.2023
Von Martin Gaber | Belgrad
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Bosnien und Herzegowinas wird im Jahr 2023 real um knapp 2 Prozent zulegen, so die Juni-Prognose der Erste Bank Group Research. Auch die nationale Direktion für Wirtschaftsplanung (DEP) prognostiziert ein Plus von 2 Prozent. Etwas pessimistischer ist der Ausblick des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), das mit einer Zunahme um 1,5 Prozent rechnet. An die Dynamik aus den Vorjahren kann die Wirtschaft damit nicht anknüpfen. Ab dem Jahr 2024 dürfte das Wachstum mit einem realen Plus zwischen 2 und 3 Prozent etwas anziehen.
Mit der Aufhebung der Coronamaßnahmen im Sommer 2021 war die Konjunktur wieder angelaufen, maßgeblich getragen von Privatkonsum, Investitionen und Exporten. Das BIP-Wachstum hatte dabei in den Jahren 2021 und 2022 die Erwartungen deutlich übertroffen. Nun scheint der Gipfel zunächst erreicht. Die Exporte verfehlen die hohen Vorjahreswerte, der Konsum gibt etwas nach und der Industrie fehlt die Nachfrage. Die Industrieproduktion lag im 1. Halbjahr 2023 mehr als 4 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum, so die Zahlen der Statistikbehörde. Selbst die sonst starke Metallverarbeitung, eigentlich Wachstumsgarant, lag im Minus.
Im Dezember 2022 hat der Europäische Rat zugestimmt, dass Bosnien und Herzegowina den Status als Beitrittskandidat erhält. Und das, obwohl nicht alle dafür benötigten Reformen umgesetzt wurden. Diese sind laut EU jedoch Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen. Das schürt die Hoffnung auf ernste Reformen in dem Balkanstaat.
Doch das wird nicht einfach. Es schwellt weiterhin ein latenter politischer Konflikt. Die Republika Srpska, eine der beiden Entitäten, droht seit Jahren mit der Abspaltung vom Gesamtstaat. Ihr Regionalparlament hat im Sommer 2023 Gesetze verabschiedet, die den Gesamtstaat umgehen sollten. Nur durch das Einschreiten des Hohen Repräsentanten Christian Schmidt konnte das verhindert werden. Für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind das keine guten Signale.
Bild vergrößernIndikator | 2021 | 2022 * | Vergleichsdaten Deutschland 2022 * |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 20,0 | 23,3 | 3.870 |
BIP pro Kopf (Euro) | 5.796 | 6.781 | 46.182 |
Bevölkerung (Mio.) | 3,5 | 3,4 | 83,4 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = 1,9558 Konvertible Mark) | 1,9558 | 1,9558 |
Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) sind auf Erholungskurs. Im Jahr 2022 lagen die Zuflüsse bei rund 1,2 Milliarden Konvertiblen Mark (BAM; rund 614 Millionen Euro). Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2008 und ein Plus von über 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so Zahlen der Zentralbank. Der Wert der Zuflüsse entsprach 2022 etwa 2,7 Prozent der Wirtschaftskraft. Die DEP geht jedoch davon aus, dass dieses Niveau in den kommenden Jahren nicht gehalten werden kann und sich die FDI bei einem Anteil am BIP von knapp unter 2 Prozent einpendeln werden.
Auch deutsche Unternehmen setzen Impulse: So hat der Discounter Lidl bereits Grundstücke in Bosnien und Herzegowina erworben und plant mittelfristig den Markteinstieg. Zudem treibt der Windparkentwickler wpd sein Vorhaben im Bereich erneuerbare Energien voran. Das Bremer Unternehmen plant insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro für Windenergieanlagen aufzubringen.
Die Unternehmen im Land investieren ebenfalls. So dürften die Bruttoanlageinvestitionen in den kommenden beiden Jahren real um rund 4 Prozent pro Jahr zulegen, so das wiiw.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Modernisierung des Eisenbahnnetzes in der Föderation Bosnien und Herzegowina | 1.200 | Finanzierung wird mit EBRD verhandelt | |
Bau der Korridor-Vc-Teilstrecke Ovčari-Mostar Jug mit Tunnel Prenj | 930 | Projektdokumentation in Vorbereitung, Finanzierung wird mit EBRD, EIB, WBIF verhandelt | |
Bau von Solarparks auf ehemaligen Tagebauflächen | 500 | Partnerschaft EP BiH mit Gemeinden, Teilfinanzierung EBRD-Darlehen, Bauvorbereitungen | |
Bau eines 500 MW Solarparks in der Gemeinde Nevesinje | 450 | Projektvorbereitungen abgeschlossen, Konzession erteilt | |
Bau einer 72 MW Windfarm in Poklečani | 198 | In Vorbereitung, EIB-Darlehen beantragt | |
Bau eines neuen medizinischen Campus als F&E-Zentrum der Universitätsklinik in Banja Luka | 127 | Finanzierung EIB-Darlehen und WBIF-Förderung, Federführend EIB | |
Bau der südlichen Gasverbindung nach Kroatien | 120 | EBRD, WBIF-Finanzierung in Verhandlung | |
Bau des Windparks Vlašić bei Travnik | 92 | Finanzierung über Kredit der EIB, KfW und EP BiH, Eigenmittel gesichert, Bauvorbereitungen | |
Modernisierung des Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystems der Republika Srpska | 62 | In Vorbereitung, Teilfinanzierung und Überwachung durch Weltbank | |
Minenräumung entlang des rechten Ufers der Save (EU-Connectivity Agenda for the Western Balkans) | 39 | Finanzierung und Federführung Weltbank, Ausschreibungen in Vorbereitung |
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten finden sich unter www.gtai.de/bosnien-und-herzegowina, "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Der Konsum hat sich zu einer wichtigen Säule des Wirtschaftswachstums in Bosnien und Herzegowina entwickelt. Auch wenn die deutlichen Impulse etwas zurückgehen, legt der Privatverbrauch weiter zu und wird bis 2025 pro Jahr real um 1 bis 2 Prozent wachsen, so das wiiw. Dämpfend wirken vor allem die steigenden Verbraucherpreise. Im 1. Halbjahr 2023 lagen diese laut Statistikbehörde 9,3 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Allerdings stabilisieren sich die Preise zunehmend und die Steigerungsraten werden in den kommenden Jahren wieder in den unteren einstelligen Bereich fallen.
Den hohen Preisen stehen anziehende Löhne und Rücküberweisungen aus dem Ausland gegenüber. Die Löhne sind in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um nominal rund 15 Prozent gestiegen. Real ist das noch ein Plus von 5 Prozent. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn liegt derzeit bei 1.967 BAM, rund 1.006 Euro. Gestützt werden die Gehälter von Rücküberweisungen aus dem Ausland.
Zudem wird der Konsum durch den wachsenden Tourismus angekurbelt. Die Zahl der ankommenden Gäste übertraf zwischen Januar und Mai 2023 erstmals wieder das Vor-Corona-Niveau.
Bosnien und Herzegowinas Außenhandel hatte in den Jahren 2021 und 2022 einen Boom erlebt und Wachstumsraten jenseits von 30 Prozent verzeichnet. Mit diesen Werten konnte das 1. Halbjahr 2023 nicht mithalten: Die Exporte sanken laut Statistikbehörde 4,5 Prozent unter den Vorjahreswert. Die Importe lagen ungefähr auf Vorjahresniveau. Grund für diese Entwicklung ist vor allem der Nachfragerückgang in der EU. Dort kämpfen wichtige Handelspartner mit einer abflauenden Konjunktur. Bosnien und Herzegowina exportiert fast 75 Prozent seiner Waren in die EU. Deutschland ist dabei wichtigster Handelspartner mit einem Außenhandelsvolumen von 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2022.
Die DEP rechnet für 2023 und die kommenden Jahre mit einem Import- und Exportplus im mittleren einstelligen Bereich. Die aktuellen Entwicklungen können diese Prognose allerdings nicht bestätigen.
In einigen Bereichen wie der Metallverarbeitung bleibt das Land aber als Beschaffungsalternative zur Ukraine oder Russland eine spannende Option.
2021 | 2022 | Veränderung 2022/2021 | |
---|---|---|---|
Importe | 11.042 | 14.642 | 32,6 |
Exporte | 7.297 | 9.190 | 25,9 |