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Branchen | Brasilien | Pharma, Biotechnologie

Lokale Branchenstruktur

Brasilianische Pharmakonzerne expandieren, halten sich in der Forschung jedoch weiter zurück.

Von Gloria Rose | São Paulo

Brasiliens Pharmaindustrie setzt sich aus 341 Herstellern zusammen, ermittelte das Marktforschungsinstitut IQVIA für den Branchenverband Sindusfarma. Zu zwei Dritteln handelt es sich um nationale Hersteller, die den Markt über Generika und zunehmend auch über Biosimilars bedienen. So erklärt sich, dass die 231 brasilianischen Hersteller im Jahr 2021 zwar 80 Prozent der gesamten Absatzmenge lieferten, aber nur 60 Prozent des Branchenumsatzes erwirtschaften.

Der Verband Associação Brasileira das Indústrias de Medicamentos Genéricos e Biossimilares (PróGenéricos) gibt an, dass in Brasilien 97 Generika-Hersteller über 2.335 Arzneimittelzulassungen verfügen und mehr als 4.600 Produkte anbieten. Die 15 Biosimilars-Produzenten verfügten über 52 Zulassungen und 79 Produkte.

Unter den zwanzig umsatzstärksten Pharmaanbietern in Brasilien finden sich fünf ausländische Hersteller: Sanofi, Sandoz, Novo Nordisk, Novartis und Nestlé Health Science. Zu den zwanzig Herstellern mit dem höchsten Medikamentenabsatz zählen nur drei multinationale Konzerne: Sanofi, Merck und Sandoz.

Führende Pharmaunternehmen in Brasilien (Umsatz in Millionen US-Dollar, Einheiten in Tausend, Veränderung in Prozent)

Unternehmen

Umsatz 2021

Verkauf in Einheiten

Veränderung

EMS

1.892

357,4

4,2

Eurofarma

1.799

230,7

6,9

Cimed

1.224

371,2

1,5

Aché

1.187

203,2

10,5

Neo Química

1.131

416,9

6,4

Sanofi

723

167,5

2,9

Medley

705

173,0

-3,3

Sandoz

593

71,8

-1,5

Teuto

556

193,2

5,6

Novo Nordisk

556

k.A.

k.A.

Umgerechnet über den Durchschnittswechselkurs: 1 US$ = 5,39 R$. Quelle: IQVIA 2022

Erste Maßnahmen zur Minderung der hohen Importabhängigkeit

Obwohl Brasilien zu den Top-Ten-Märkten weltweit gehört und zwei Drittel der Arzneimittel vor Ort produziert werden, importieren die Hersteller rund 95 Prozent aller zugrundeliegenden Wirkstoffe. Drei Viertel der Einfuhren stammen aus China und Indien. Laut dem Verband der Wirkstoffproduzenten Abiquifi werden lediglich 124 pharmazeutische Wirkstoffe vor Ort produziert. Davon erhalten nur 15 Förderung durch öffentlich-private Produktionspartnerschaften. Der größte Produzent Lateinamerikas ist Nortec Química mit einem Portfolio von über 50 Wirkstoffen.

Das Außenhandelsdefizit des Sektors hat sich in der Coronakrise nahezu verdoppelt und erreichte im Jahr 2021 die Marke von 10 Milliarden US$. Lieferengpässe gefährdeten zwischenzeitig sogar die Versorgung. Im vergangenen Jahr lag das Defizit immerhin noch bei 8,8 Milliarden US$. Die hohe Importabhängigkeit rückte ins Augenmerk der Politik. Die Regierung erließ den Zoll auf einige Wirk- und Impfstoffe, um Preissteigerungen entgegenzuwirken. Zukünftig sollen lokal produzierte Wirkstoffe in den Verfahren der Gesundheitsaufsicht Anvisa bevorzugt behandelt werden. Diesen Investitionsanreiz legt der Gesetzesvorschlag PL 4209/2019 fest, der kurz vor der Verabschiedung steht. Darüber hinaus nimmt sich der Vorschlag PL 1505/2022 die Stimulierung von Produktionspartnerschaften vor.

Zur schnellen Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus setzte das Land auf Technologietransfer. Das Institut Butantan ging eine Partnerschaft mit dem chinesischen Konzern Sinovac ein. Eine ähnliche Partnerschaft schloss die Stiftung Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) mit AstraZeneca. Darauf aufbauend setzte in der Wirkstoffproduktion ein erster Investitionszyklus ein.

Nationale Hersteller übernehmen die Produktion

Das hochkomplexe Steuersystem und die hohe Steuerlast sei eines der Hauptmotive für den Rückzug ausländischer Konzerne, meint der Geschäftsführer von União Química Fernando de Castro Marques. Derzeit heben die brasilianischen Bundesstaaten die Umsatzsteuer auf Arzneimittel deutlich an und beeinträchtigen den Markt dadurch zusätzlich. Für multinationale Konzerne lohnt sich die Produktion in Brasilien immer weniger.

Im Zuge der globalen Konsolidierung des Sektors übernehmen damit die brasilianischen Hersteller die Produktion vor Ort - in der Regel durch die Übernahme von Portfolios oder über langfristige Partnerschaften mit multinationalen Konzernen. Besonders intensiv investieren die Marktführer Hypera Pharma (Neo Química, Medley, Mantecorp), EMS der Gruppe NC und Eurofarma aber auch Blau, Blanver und Cristália.

Im dritten Quartal 2022 ging Blau Farmacêutica eine Kooperation mit Similis Bio der japanischen Gruppe JSR Life Sciences ein. Eurofarma wiederum beschloss einen Technologietransfer mit der südkoreanischen Hersteller HK inno.N. União Química produziert seit der Übernahme der Arzneimittelfabrik in Cancioneiro (São Paulo) als Contract Manufacturing Organization (CMO) für Bayer und etabliert sich damit als größter Vertragshersteller Brasiliens.

In der Pharmaindustrie konzentrieren sich die Investitionen auf Minas Gerais, mittlerweile zweitwichtigster Produktionsstandort nach São Paulo und vor Rio de Janeiro, Goiás und Paraná. Auch ausländische Unternehmen wie der indische Pharmakonzern ACG und der dänische Hersteller Novo Nordisk investierten zuletzt hier. Der Bundesstaat fördert den Biotechnologiesektor über die Stiftung Biominas.

Bei Innovation hakt es

Niedrigere Gewinnmargen im hart umkämpften Generikamarkt motivieren die nationalen Hersteller zur Forschung und Entwicklung. Libbs, Eurofarma, Aché und andere greifen dabei auch auf das agile Start-Up-Ökosystem zurück. Die 13 Laboratorien, die über den Verband Grupo FarmaBrasil zusammengeschlossen sind, steigerten ihre Investitionsausgaben im Jahr 2021 auf über 185 Millionen US$.
Neben den Großkonzernen Hypera Pharma, EMS der Gruppe NC und Eurofarma investieren auch Blau, Cristália, Biolab, Prati-Donaduzzi und Aché in F&E. Brasilianische Pharmaunternehmen, die in die Entwicklung und Produktion von Biopharmazeutika investieren, sind Biomm, Libbs, Cristália, Recepta und BioNovis, ein Joint Venture der Laboratorien Aché, EMS, Hypera Pharma und União Química.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigen, sind jedoch im internationalen Vergleich noch sehr gering. Vereinzelte Projekte erhalten Fördergelder über den Forschungsfonds Fundo Setorial de Biotecnologia do Fundo Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico (FNDCT), der brasilianischen Agentur für industrielle Forschung und Innovation Empresa Brasileira de Pesquisa e Inovação Industrial (EMBRAPII) und anderer Einrichtungen.

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