Branchen | Chile | Lithiumgewinnung
Lithium aus Chile hat den kleineren ökologischen Fußabdruck
Chiles Lithiumbergbau hat ein Imageproblem: Der Wasserkonsum gilt als kritisch. Doch gegenüber dem zweitgrößten Lithiumexporteur Australien fällt die Umweltbilanz viel besser aus.
30.10.2025
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Chile besitzt die weltgrößten Lithiumreserven. Laut U.S. Geological Survey 2025 beziffern sie sich auf rund 9,3 Millionen Tonnen. Das entspricht 31 Prozent der weltweiten Reserven. Die Vorkommen befinden sich in 45 Salaren (Salzseen) und 18 Salzlagunen auf 610.000 Hektar.
Aktiv sind bislang aber nur zwei Förderstätten im Salar de Atacama. Betreiber sind SQM (Sociedad Química y Minera de Chile) aus Chile und Albemarle aus den USA. Gemeinsam trugen ihre Aktivitäten in Chile zu rund 20 Prozent (2024) zur Weltproduktion bei. Weitere Projekte befinden sich in Ausschreibungs- und Genehmigungsprozessen.
Seit Jahren hat der chilenische Lithiumabbau ein Imageproblem. Die hektargroßen, scheinbar mit Wasser gefüllten Becken, in denen SQM und Albemarle mitten in der Wüste Lithiumsole aufkonzentrieren, suggerieren eine unsägliche Verschwendung. Der Schluss liegt nahe, das verwendete Wasser fehle den Menschen vor Ort und schädige außerdem Fauna und Flora.
Die Realität ist komplexer. Tatsächlich handelt es sich bei der zwischen blau und gelb chargierenden Flüssigkeit um stark salzhaltige Sole (englisch: brine). Die Firmen pumpen sie mit einer natürlichen Konzentration von 0,2 bis 0,8 Prozent Lithium aus der Tiefe und lassen sie mithilfe der Sonne verdunsten, bis der Lithiumgehalt etwa 4,5 bis 6 Prozent erreicht. Schon wenn die Sole, die neben Lithium auch zahlreiche andere Mineralien enthält, aus dem Boden kommt, ist sie rund acht- bis zehnmal salzhaltiger als Meerwasser. Zur Trinkwassernutzung/-aufbereitung ist sie völlig ungeeignet, ebenso für die Landwirtschaft. Auch an Wüsten angepasste Tiere oder Pflanzen können hier nicht leben.
Kategorie | Salzgehalt 1) |
|---|---|
Frischwasser | 5 |
Meerwasser | 35 |
Lagunen in der Atacama-Wüste 2) | 30 bis 150 |
Totes Meer | 240 |
Atacama-Sole 3) | 350 |
Kupferminen sind die größten Wasserverbraucher
Gerade weil der Salar so lebensfeindlich ist, siedeln die Menschen seit Jahrhunderten nur an seinem Rand oder oberhalb in den Bergen. Dort beziehen sie ihr Wasser aus den seltenen Niederschlägen oder den Schmelzwässern aus höhergelegenen Regionen.
Was hiervon noch weiter unten am Rand des Salars meist unterirdisch ankommt, tritt aufgrund der spezifischen geologischen Gegebenheiten in einer Übergangszone an die Oberfläche. Dort bilden sich beispielsweise die berühmten Lagunen der Atacama. Mit der noch tiefergelegenen Sole mischt sich das Frischwasser wegen der Dichteunterschiede nicht.
Dessen ungeachtet ist Wasserknappheit in der Atacama-Wüste ein existenzielles Problem. Umso wichtiger ist es, für die Verteilung des knappen Gutes eine politische Lösung zu finden. Die größten Wasserverbraucher in der Kommune San Pedro de Atacama (zu der auch die beiden Lithium-Abbaustätten gehören) sind die Kupferminen. Ihnen stehen laut chilenischer Wasserbehörde Dirección Genéral de Aguas (DGA) 2.529 Liter pro Sekunde zu. An zweiter Stelle folgt die Landwirtschaft mit 1.591 Litern pro Sekunde. Ein weiterer wichtiger Verbrauchsfaktor ist der Tourismus.
Dagegen besitzt zum Beispiel SQM, die größere der beiden Lithiumfirmen, Wasserrechte von 547 Liter pro Sekunde. Von diesen dürfen laut Umweltverträglichkeitsprüfung 240 Liter pro Sekunde zur Extraktion genutzt werden. Nach eigenen Angaben entnimmt das Unternehmens hiervon aktuell 107 Liter pro Sekunde, Tendenz sinkend, vor allem um die mit Salz verstopften Rohre und Pumpen zu säubern.
Laut staatlicher Kupferkomission Cochilco verbrauchten die Kupferminen in der Region Atacama (heruntergebrochen auf die Kommune gibt es keine Daten) 2023 insgesamt 9.847 Liter pro Sekunde, davon stammten 6.032 Liter aus dem Meer; 3.815 Liter waren Kontinentalwasser bei einem Recht auf Wasserentnahme für alle Bergbauunternehmen von 9.292 Liter pro Sekunde. Insgesamt sind sowohl die Kupferminen als auch die Lithiumfirmen dabei, ihren Frischwasserkonsum zurückzufahren und durch Meerwasser zu ersetzen.
Lithium aus Sole hat bessere Umweltbilanz als aus Erz
Die zwei gängigsten Verfahren zur Produktion von Lithium sind die Gewinnung aus Sole und die Förderung aus Erz. Dabei schneidet erstere Methode beim Wasserverbrauch deutlich besser ab, so eine Studie von Kelly et al. von 2021. Der klassische Erzbergbau findet etwa in Australien statt, dem derzeit größten Lithiumförderland sowie Exporteur für Lithiumoxid und -hydroxid.
| Evaluierung | Lithium aus Erz | Lithium aus Sole |
|---|---|---|
| Frischwasserverbrauch für Lithiumkonzentrat | 3,4 Kubikmeter auf 1 Tonne Spodumen 2) | 2,95 bis 7,3 Kubikmeter pro Tonne Lithiumkonzentrat |
| Frischwasserverbrauch für die Produktion von Lithiumkarbonat 1) | 77 Kubikmeter für 1 Tonne Lithiumkarbonat | 15,5 bis 32,8 Kubikmeter für 1 Tonne Lithiumkarbonat |
| Frischwasserverbrauch für die Produktion von Lithiumhydroxid 1) | 69 Kubikmeter pro Tonne Lithiumhydroxid | 31 bis 50 Kubikmeter pro Tonne Lithiumhydroxid |
Gleiches gilt für die Kohlendioxidemissionen – und damit gekoppelt für den Energieverbrauch: Bei der Gewinnung von 1 Tonne Lithiumkarbonat aus Erz werden 20,4 Tonnen des klimaschädlichen Gases freigesetzt; für 1 Tonne Lithium aus Sole nur zwischen 2,7 bis 3,1 Tonnen.
Insbesondere die Tatsache, dass das Erz bei etwa 1.000 Grad "geröstet" und mit Schwefelsäure behandelt werden muss, verhagelt Australien die Kohlendioxidbilanz. Dieser chemische Prozess findet in der Regel in China statt, dem Hauptkunden für australisches Lithium. In der Folge ist Lithium, das über die Prozessroute Australien-China nach Europa kommt, um ein Vielfaches kohlendioxidlastiger als chilenisches.
| Herstellungsprozess | Lithium aus Erz | Lithium aus Sole |
|---|---|---|
| Produktion von Lithiumkonzentrat | ||
| Treibhausgasemissionen | 0,42 Tonnen CO2 auf 1 Tonne Spodumen 2) | 0,08 bis 0,18 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumkonzentrat |
| Energieverbrauch | 5.500 Megajoule auf 1 Tonne Spodumen 2) | 1.300 bis 2.800 Megajoule pro Tonne Lithiumkonzentrat |
| Produktion von Lithiumkarbonat 1) | ||
| Treibhausgasemissionen | 20,4 Tonnen CO2 für 1 Tonne Lithiumkarbonat | 2,7 bis 3,1 Tonnen CO2 für 1 Tonne Lithiumkarbonat |
| Energieverbrauch | 218.000 Megajoule für 1 Tonne Lithiumkarbonat | 30.000 bis 36.000 Megajoule für 1 Tonne Lithiumkarbonat |
| Produktion von Lithiumhydroxid 1) | ||
| Treibhausgasemissionen | 15,7 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumhydroxid | 6,9 bis 7,3 Tonnen CO2 pro Tonne Lithiumhydroxid |
| Energieverbrauch | 187.200 Megajoule für 1 Tonne Lithiumhydroxid | 76.600 bis 82.900 Megajoule für 1 Tonne Lithiumhydroxid |
Ob die Umweltbilanz bei den kommenden Projekten ähnlich günstig ausfällt, muss neu untersucht werden. Denn jeder Salar ist anders, und es gibt viele Unsicherheiten zu Wasserkonsum und anderen ökologischen Folgen. In Fachkreisen, beispielsweise auf Lithiumkonferenzen, stark propagiert werden derzeit etwa Verfahren zur Direktextraktion (DLE). Bei mehreren Unternehmen laufen hierzu Pilotversuche. Die Firmen versprechen sich Effizienzgewinne im Produktionsprozess und einen reduzierten Wasserverbrauch, allerdings zu Lasten anderer Faktoren, So steigt der Energieverbrauch, allein um die verbleibende Sole zurück in den Salar zu pumpen. Hier besteht noch Forschungsbedarf.
Lieferketten resilienter machen
Lithium gehört zu den Schlüsselrohstoffen der Zukunft. Noch vor Kurzem diente das Metall gerade einmal als Zusatz zur Schmiermittelproduktion oder zur Herstellung von Glas oder -keramik. Doch im Zuge der Energiewende ist Lithium ein grundlegender Bestandteil für Lithiumbatterien und -speicher. Umso drängender stellt sich die Frage nach der Verfügbarkeit. Dies gilt auch für Deutschland, wo Lithium bisher nicht abgebaut wird.