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Wirtschaftsumfeld | China | Kaufkraft und Konsum

Chinas Binnenkonjunktur hofft auf baldige Erholung

Einzelhandel und Konsum dürften sich zum Frühjahr 2023 spürbar beleben. Doch die nächste Infektionswelle kommt bestimmt. Auch langfristig trüben sich die Aussichten ein.

Von Roland Rohde | Bonn

Chinas Einzelhandel schöpft Hoffnung, nachdem die Zentralregierung im Dezember 2022 die drei Jahre andauernde Null-Covid-Politik beendet hat. Insbesondere Lockdowns von ganzen Stadtteilen oder Metropolen hatten den Einzelhändlern schwer zu schaffen gemacht. Nun gibt es praktisch keine Zwangsquarantäne mehr und die Menschen können sich frei bewegen. Dafür schwappt im Winter 2022/23 eine riesige Coronawelle durchs Land. Belastbare offizielle Zahlen werden zwar nicht mehr gemeldet. Doch Gesundheitsexperten rechnen mit mindestens einer Million Todesfällen.

Das Infektionsgeschehen scheint allerdings Mitte Januar 2023 in den großen Metropolen seinen Scheitelpunkt überschritten zu haben. Dafür wird die Pandemie mit der umfangreichen Reisetätigkeit zum chinesischen Neujahr aufs Land schwappen. Das dortige Gesundheitssystem ist nur schlecht gerüstet. Zudem ist die Bevölkerung im Durchschnitt älter und weniger durchgeimpft als in den Städten. Dennoch ist angesichts der hohen Geschwindigkeit der Pandemiewelle davon auszugehen, dass sich die Lage zum Frühjahr 2023 weitgehend normalisiert.

Einzelhändler hoffen auf Belebung der Konjunktur

Der Einzelhandel kann daher mit einer raschen Belebung seines Geschäfts und möglicherweise einem starken Nachholeffekt rechnen. Seine Lage hatte sich seit Anfang 2021 stetig und spürbar eingetrübt. Der Umsatz war 2022 nach Angaben des nationalen Statistikamtes sogar um nominal 0,2 Prozent geschrumpft. Dabei handelt es sich für chinesische Verhältnisse um einen äußerst schlechten Wert. Vor dem Auftreten der neuartigen Seuche waren Wachstumsraten von 8 bis 9 Prozent die Norm.

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Trotz der sich abzeichnenden Wiederbelebung ist mit Rückschlägen zu rechnen. Epidemiologen rechnen zum Herbst 2023 mit einer weiteren Welle durch neue Virus-Varianten. Das Land wird vermutlich - wie zuvor drei Jahre lang der Rest der Welt - mehrere Wellen durchlaufen müssen, bis sich in der Bevölkerung eine ausreichend hohe Immunität aufgebaut hat. 

Einkaufsmanagerindizes im Keller

Die Einkaufsmanagerindizes fürs verarbeitende Gewerbe, die in der Regel gute vorauseilende Indikatoren darstellen, spiegelten zum Dezember 2022 allerdings noch keinen baldigen Wiederaufschwung wider. Sie waren ganz im Gegenteil stark gesunken und lagen - trotz der Beendigung der Null-Covid-Politik - in etwa auf dem Niveau von April 2022, als der Lockdown von Shanghai weite Teile des Landes lähmte.

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Verschuldung, Alterung und Immobilienkrise drücken aufs Konsumklima

Zusätzlich belasten mehrere langfristig wirkende Faktoren immer stärker die Konjunktur und das Konsumklima. Die Verschuldung der Privathaushalte hat in den letzten Jahren rasant zugenommen, auch wenn sie sich im Vergleich zu anderen Ländern immer noch auf einem mittleren Niveau bewegt. Durch die Immobilienkrise sind zudem viele - zumindest auf dem Papier - ärmer geworden.

Das geschieht zu einer Zeit, in der die Bevölkerung rasant altert. Das Bevölkerungswachstum liegt seit 2020 sogar unter dem deutschen Niveau. Doch die Bundesrepublik hat im Vergleich ein wesentlich besser ausgebildetes Rentensystem. China hat das Rennen, schneller reich als alt zu werden, verloren. Auch chinesische Demografen sehen den Alterungsprozess als unumkehrbar an. Die Menschen werden stärker für ihre Rente vorsorgen und im Gegenzug ihren Konsum verringern müssen.

Chinas Einzelhandel 2022 (Umsatz in Milliarden US-Dollar, Veränderung und Anteil in Prozent)*

Umsatz

2022/21

Anteil

Insgesamt

6.541,2

-0,2

100,0

  Umsatz größerer Geschäfte

2.542,4

1,4

38,9

  Onlinehandel

1.779,7

6,2

27,2

  in Städten getätigte Umsätze

5.659,3

-0,3

86,5

* die einzelnen Kategorien überschneiden sich teilweise, sodass sie zusammengerechnet mehr als 100 Prozent ergebenQuelle: Nationales Statistikamt (NBS) 2023

Das spürt selbst der E-Commerce, der 2020/21 noch Krisengewinner war. Sein Umsatz wuchs 2022 nur noch um 6,2 Prozent. Bislang kannte der Onlinehandel ausschließlich zweistellige Wachstumsraten. Damit gerät auch die offizielle Theorie der Dual Circulation in arge Schieflage. Ihr zufolge soll sich China stärker auf die Bedienung des Inlandsmarktes konzentrieren. Doch wenn dieser schwächelt, geht die Rechnung nicht auf.

Sparten entwickeln sich uneinheitlich

Dennoch bleibt China zusammen mit den USA der mit Abstand größte Einzelhandelsmarkt der Welt. Sein Volumen belief sich 2022 nach Angaben des nationalen Statistikamtes auf 6,5 Billionen US-Dollar. Er dürfte auch weiter wachsen, wenn auch mit deutlich geringeren Raten als vor der Pandemie. In einigen Güterkategorien besteht noch Nachholbedarf. Zudem ist die Konsumstruktur nicht besonders heterogen. Nahrungsmittel sowie Autos und Brennstoffe machen einen bedeutenden Teil der Haushaltsausgaben aus. In hochwertige Möbel etwa investiert nur eine dünne Oberschicht.

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Der Lebensmitteleinzelhandel war in den drei Pandemiejahren ebenfalls Krisengewinner. Die Menschen kochten mehr zu Hause und deckten sich mit Vorräten ein. Ebenso kauften die Haushalte große Mengen an Arzneiwaren auf Vorrat. Entspannt shoppen wollten oder durften viele nicht. Daher ist vor allem der Umsatz an Waren, die man vor dem Kauf noch einmal anprobieren oder begutachten möchte, stark zurückgegangen. Das spürten zum Beispiel die Textil- und Möbelsparten.

Einzelhandelsumsatz nach Sparten 2022 (nominale Veränderung zum Vorjahr in Prozent)*

Sparte

Wert

Arzneiwaren

12,4

Nahrungsmittel

8,7

Gold, Silber und Schmuck

-1,1

Haushalts- und Unterhaltungselektronik

-3,9

Kosmetik

-4,5

Textilien

-6,5

Möbel

-7,5

* Zahlen beziehen sich auf in größeren Geschäften getätigte UmsätzeQuelle: Nationales Statistikamt (NBS) 2023

Pkw-Geschäft hat sich von Corona erholt

Auch Autos kaufen Verbraucherinnen und Verbraucher in China nicht online. Das Geschäft der Autohäuser entwickelte sich im Verlauf der Pandemie extrem zyklisch. Laut Angaben der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) war der Verkauf während des Shanghai-Lockdowns im Frühjahr 2022 sehr stark eingebrochen. Im anschließenden Sommer boomte das Geschäft dann wieder, um sich im Herbst erneut einzutrüben. Insgesamt ist der Absatz an Pkw aufs Jahr hochgerechnet um 9,5 Prozent auf knapp 24 Millionen Einheiten gestiegen. Im Vergleich zu 2020 ergab sich sogar eine Zunahme von 17 Prozent.

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