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Studie | China | Seidenstraße

Industrieprojekte der neuen Seidenstraße boomen

Immer öfter entstehen im Rahmen der neuen Seidenstraße chinesische Produktionen im Ausland. Das verschärft den Wettbewerb für deutsche Firmen.

Von Lisa Flatten | Bonn

China verbindet Industriemodernisierung auf dem Heimatmarkt (Made in China 2025) mit einer Außenstrategie (neue Seidenstraße) und setzt zunehmend auf Industrieprojekte im Ausland. Für die deutsche Wirtschaft steigt damit der Wettbewerbsdruck auf Drittmärkten, insbesondere in Südostasien und Afrika.

Im 1. Halbjahr 2025 stieß die von China vorangetriebene Belt and Road Initiative (BRI) so viele Industrieprojekte im Ausland an wie nie zuvor. Mit 192 Projekten hat sich ihre Zahl gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdreifacht. Sie übertrifft erstmals die traditionell starke Energiebranche, auf die nun 131 Projekte entfielen. Dies ergab eine Analyse von Germany Trade & Invest (GTAI), die die im 1. Halbjahr 2025 neu abgeschlossenen Projekte untersuchte, die in China unter dem Schirm der neuen Seidenstraße laufen.

Insgesamt zählte GTAI 572 neue BRI-Projekte und damit rund 60 mehr als im 1. Halbjahr 2024. Der Boom chinesischer Industrievorhaben fällt mit dem zehnjährigen Jubiläum des Industriemodernisierungsprogramms Made in China 2025 (MIC25) zusammen.

Made in China 2025 und die neue Seidenstraße greifen ineinander

Beide Initiativen unterstützen das übergeordnete Ziel, China als führende Industrienation mit weltweitem Einfluss zu etablieren. MIC25 fördert Schlüsseltechnologien wie Robotik, Elektromobilität und innovative Materialien und treibt so die Modernisierung der heimischen Produktionsstrukturen voran. Damit bereitet sie der BRI eine technologische Basis.

Seit ihrem Start 2013 trägt BRI dazu bei, dass China über Infrastrukturprojekte vor allem im globalen Süden neue Märkte erschließt, sich Rohstoffe sichert und chinesischen Firmen erste Erfahrungen auf Auslandsmärkten ermöglicht.

Die BRI-Strategie dient zudem als Instrument, um chronische Überkapazitäten aus dem Binnenmarkt ins Ausland zu verlagern. Früher traf das vor allem die Zement- und Stahlbranche, heute zunehmend auch die Industrieproduktion. Mit den Überkapazitäten wird auch der ruinöse Preiskampf aus dem chinesischen Markt in andere Märkte getragen. Deutsche Firmen spüren durch diese Entwicklungen den Wettbewerb früher und stärker in Drittmärkten als noch vor zehn Jahren erwartet.

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Industrieboom in Südostasien und Großprojekte in MENA-Region

Regional betrachtet rückten die ASEAN-Staaten mit 178 Projektneuankündigungen gleichauf mit Afrika (176). Südostasien ist damit neue Schwerpunktregion.

In Südostasien wurden mit 109 Vorhaben auch die meisten Industrieprojekte (56,8Prozent) abgeschlossen. Thailand und Vietnam führen mit jeweils 31 Industrieprojektankündigungen. Dabei befinden sich sieben der weltweit 17 neuen Automobilzubehörvorhaben in Thailand. In Vietnam dominieren der Elektroniksektor und die Metallverarbeitung.

In Afrika wurden 38 Industrieprojekte angekündigt, davon 26 in Nordafrika. Allein Ägypten kam auf 17 Vorhaben. Dort ist auch eines der größten Industrieprojekte geplant: Die China National Chemical Engineering übernimmt das verfahrenstechnische Design für ein Chemiewerk zur Herstellung von unter anderem Ethylen und Propylen. Das Projektvolumen liegt insgesamt bei 7,5 Milliarden US-Dollar (US$).

Weitere große Vorhaben wurden jenseits des Industriesektors im Nahen Osten abgeschlossen: ein Solarkraftwerk mit Speicher in den VAE (6 Milliarden US$), ein Erdölprojekt in Irak (17 Milliarden US$) sowie der Bau des Mubarak Al-Kabeer Hafens in Kuwait (9 Milliarden US$).

Europa verliert mit nur 16 Projekten insgesamt weiter an Bedeutung. Nur sechs Vorhaben entfallen hier auf den Industriesektor. Alle drei für Osteuropa angekündigten Industrieprojekte befinden sich in Ungarn.

Breite Branchenvielfalt statt klarem Fokus

Mit Blick auf die Branchen überholte die Industrie bei der weltweiten Projektzahl erstmals die bisher dominierende Energiebranche.

Insgesamt decken die BRI-Projekte zahlreiche Industriezweige ab. Es zeigt sich kein klarer Schwerpunkt auf einzelne Branchen. Zudem ist die Branchenstruktur der Industrieprojekte divers auf die Welt verteilt, auch wenn sich vereinzelt – wie oben beispielhaft gezeigt – Sektorschwerpunkte in einzelnen Ländern ausmachen lassen.

Während immer wieder die gleichen staatlichen Player die großen BRI-Infrastrukturprojekte umsetzen, zeigt sich in der Firmenstruktur bei den Industrieprojekten eine deutlich größere Heterogenität. So ist die The Third Construction mit nur fünf Projekten beispielsweise das Unternehmen, das mit Abstand die meisten neu unterzeichneten Industrievorhaben umsetzt.

Neue Seidenstraße fördert Absatz von chinesischen Hightechprodukten im Ausland

Erkennbar ist, dass China seine Seidenstraßenprojekte auch dafür nutzt, um neue Absatzmärkte für Produkte aus dem MIC25-Programm zu erschließen. Im Fokus stehen sechs der zehn Schlüsselbranchen: Ausrüstung zur Stromerzeugung, Meeres- und Schiffstechnik, Agrartechnologie, Bahntechnik, Biomedizin und Medizintechnik sowie Automobilprojekte mit alternativem Antrieb. Dabei handelt es sich meist nicht um Hightechinvestitionen, sondern um vorgelagerte Vorhaben, die den Absatz chinesischer Produkte ankurbeln sollen.

So setzen chinesische Firmen im Ausland noch deutlich mehr Projekte im Bereich erneuerbarer Energien um, als dass sie eine Industrie für Stromerzeugungsausrüstung außerhalb von China aufbauen. GTAI zählte beispielsweise weltweit nur sechs Projekte zur Herstellung von Solarzellen und -modulen sowie deren Vorprodukten und ein Industrieprojekt im Windbereich – ein Werk zur Herstellung von Rotorblättern für Windkraftwerke im usbekischen Jizzax.

Doch kommen bei chinesischen Energieinfrastrukturprojekten bevorzugt Zulieferungen aus China zum Einsatz. Damit sorgen BRI-Projekte indirekt dafür, dass durch MIC25 geförderte Produkte im Ausland Absatz finden. Projekte im Bereich erneuerbare Energien machen mittlerweile fast 50 Prozent aller Energieprojekte aus. Auch das spielt der Zielsetzung von MIC25 in die Hände. Die Strategie sieht vor, international wettbewerbsfähige Unternehmen im Bereich grüne Energieausrüstung zu schaffen. Für deutsche Firmen bieten Seidenstraßenprojekte dagegen eher geringe Zulieferchancen.

Auch in den MIC25-Branchen Meeres- und Schifftechnik sowie Bahnausrüstung liegt der Fokus verstärkt auf der Realisierung von Infrastrukturstrukturprojekten auf Drittmärkten und weniger auf dem Aufbau der vorgelagerten Industrie dafür. Insgesamt stellten Hafen- sowie Eisenbahn-/ÖPNV-Projekte nur 30 Prozent der BRI-Projektabschlüsse im Transportbereich. Der Fokus lag in dem Segment viel mehr auf dem Bau von Straßen und Brücken (knapp 55 Prozent).

Im Gesundheitswesen dominierten Krankenhausbauvorhaben, während es nur sechs Medizintechnikprojekte gab. Im Agrarbereich verzeichnete GTAI lediglich vier neue Projekte. Im Automobilsektor lag der Fokus fast ausschließlich auf der Herstellung von Automobilteilen, die auch in Verbrennerfahrzeugen verbaut werden könnten. Mit nur fünf Projekten weltweit war auch die Herstellung von Batterien noch kein BRI-Fokus.

Zukünftig mehr BRI-Projekte in Hochtechnologiebranchen

Derzeit fördert die BRI verstärkt den Absatz von MIC25-Produkten aus China und zielt bislang weniger darauf ab, Waren aus den MIC25-Kernbranchen auch im Ausland zu fertigen. Doch bleibt hier auch zu beachten, dass GTAI nur Projekte untersuchte, die auch China als BRI-Vorhaben labelt. Hinzu kommen noch viele weitere chinesische Auslandsinvestitionen außerhalb der neuen Seidenstraße. Diese zielen möglicherweise stärker auf MIC25-Branchen ab.

Es ist zu erwarten, dass sich die BRI-Strategie künftig noch stärker auf MIC25-Branchen ausrichten wird. So zielt auch der neue 5-Jahresplan auf eine noch stärkere Internationalisierung der chinesischen Industrie ab. Dies wird den globalen Wettbewerb weiter verschärfen – immer stärker auch in deutschen Kernbranchen.

GTAI berichtet regelmäßig zur neuen Seidenstraße:

Hier finden Sie alle GTAI-Informationen zur Belt and Road Initiative.

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