Special | Brasilien | Rohstoffsicherung
Kritische Rohstoffe kommen zunehmend aus Brasilien
Brasilien ist der weltweit wichtigste Lieferant von Niob. Bei Nickel, Lithium und seltenen Erden wird das Land zukünftig stärker zur Rohstoffsicherung beitragen.
20.08.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
Als Vorreiter bei erneuerbaren Energien will Brasilien eine stärkere Rolle in der globalen Versorgung mit Rohstoffen einnehmen, die für die Energiewende von besonders großer Bedeutung sind. Wenigstens 50 Projekte zur Gewinnung von Kupfer, Lithium, Graphit, Nickel, seltenen Erden und Kobalt befinden sich bereits in der Erschließungsphase. Brasiliens Bergbauverband Ibram erwartet bis 2030 Investitionen von über 18 Milliarden US-Dollar (US$). Das entspricht etwa einem Viertel der gesamten Bergbauinvestitionen des Landes.
Wie groß das Potenzial Brasiliens bei kritischen Rohstoffen ist, verdeutlicht der Vergleich zwischen Vorkommen und aktueller Förderung. Laut einer Studie des Beratungsinstituts Deloitte in Partnerschaft mit AYA Earth Partners weist Brasilien rund 10 Prozent der weltweiten Reserven auf, trägt aber bislang nur knapp 1 Prozent zur globalen Förderung bei.
Brasilien stellt die Weichen
Alle zentralen Akteure arbeiten daran, die Voraussetzungen für mehr Investitionen zu schaffen. Brasiliens Regierung bewirbt die Chancen für ausländische Investoren. Das Ministerium für Bergbau und Energie MME entwickelt den Bergbauplan 2050 und einen Rechtsrahmen eigens für kritische Rohstoffe. Dieser soll vor der 30. Weltklimakonferenz verabschiedet werden, die im November 2025 in Belém im nördlichen Bundesstaat Pará stattfinden wird. Im Mai 2025 fasste der Bergbauverband IBRAM wichtige Aspekte in einem Diskussionspapier zusammen. Im August 2025 gründete Brasiliens Regulierungsbehörde für Bergbau ANM eine eigene Abteilung für kritische und strategische Rohstoffe. Eine wichtige Fördermaßnahme ist die zinsgünstige Finanzierung.
Zinsgünstige Finanzierung über die Entwicklungsbank BNDES
Brasiliens Regierung fördert den Bergbau als strategischen Sektor für die Energiewende, die Dekarbonisierung und die technologische Entwicklung der nationalen Industrie. Dafür stellen die Entwicklungsbank BNDES und die Förderagentur für Studien und Projekte Finep einen neuen Rohstofffonds bereit.
Von 124 Vorschlägen wurden 56 Projekte ausgewählt. Davon beziehen sich zehn Projekte auf seltene Erden und acht auf Lithium. Für alle 56 Projekte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 8,5 Milliarden US$ werden derzeit Finanzierungspläne erstellt. Erste Verträge werden frühestens 2026 abgeschlossen.
Run auf brasilianische Rohstoffe
Zur Sicherung der Versorgung deutscher Unternehmen stellt die Bundesregierung einen Rohstofffonds bereit, der auch für Projekte in Brasilien genutzt werden kann. Im Jahr 2024 schloss Brasilien Partnerschaften zur Forschung und Entwicklung mit Chile, dem Vereinigten Königreich und den USA. Im aktuellen Zollkonflikt mit den USA könnten Investitionspartnerschaften verhandelt werden.
China hat sich bereits einen Teil der Rohstoffe gesichert. Der Betreiber Serra Verde der ersten Mine für seltene Erden wird zwar über US-amerikanische Investoren finanziert, verkaufte aber die gesamte Produktion bis 2027 nach China, wo Neodym, Praseodym, Dysprosium und Terbium aus den schweren Seltenerdoxiden aufbereitet werden.
Chinesische Bergbaukonzerne investieren zunehmend: CMOC fördert schon seit 2016 Niob und Phosphat in Brasilien. China Nonferrous Mining Metal Company (CNMC) erwarb Ende 2024 Mineração Taboca und somit auch die Rechte an der Niob- und Tantal-Mine Pitinga. Im Februar 2025 übernahm CMM Limited die Nickelsparte von Anglo American in Brasilien.
Vorkommen: Einer der vielversprechendsten Standorte der Welt
Bis heute sind lediglich 35 Prozent der Fläche Brasiliens geologisch erfasst. Dennoch verfügt das Land bereits jetzt über die weltweit größten Reserven an Niob und die zweitgrößten an Graphit. Bei seltenen Erden und Mangan sind es die drittgrößten und bei Nickel die viergrößten Vorkommen weltweit.
Rohstoff | Vorräte (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Niob | 16.000 | 89,8 |
Graphit | 74.000 | 22,9 |
Seltene Erden | 21.000 | 16,7 |
Mangan | 270.000 | 15,7 |
Nickel | 16.000 | 15,7 |
Bauxit | 2.700.000 | 8,6 |
Erschließung: Hohe Investitionen in neue Projekte
Bei der Förderung von Niob liegt Brasilien ganz vorne. Dabei entfallen 80 Prozent der Weltproduktion allein auf das brasilianische Unternehmen Companhia Brasileira de Metalurgia e Mineração (CBMM). Außerdem liegt das Land bei Tantal auf Rang 2, bei Beryllium und Magnesit auf Rang 3, bei Aluminium und Vanadium auf Rang 4 und bei Lithium und Graphit auf Rang 5 der weltweit wichtigsten Förderländer.
Rohstoff | Förderung (in t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Niob | 75.600 | 88,2 |
Tantal | 350 | 21,5 |
Beryllium | 1.000 | 12,8 |
Bauxit | 33.157.000 | 8,3 |
Magnesit | 2.000.000 | 8,0 |
Vanadium | 7.249 | 6,6 |
Laut Angaben des Bergbauverbands Ibram steigen insbesondere die Investitionen in seltene Erden, Lithium und Kupfer. Auch bei Graphit und Nickel wird die Produktion in den kommenden Jahren zulegen.
Zu den wichtigsten Produzenten kritischer Rohstoffe in Brasilien zählen die Konzerne Vale, CBMM, AMG Brasil, CBA, CBL, MRN, Nexa Resources und Sigma Lithium sowie Anglo American aus dem Vereinigten Königreich, Alcoa aus den USA, Hydro aus Norwegen sowie Ero Copper und Largo Resources aus Kanada. Im Bereich Seltene Erden engagieren sich nach dem Pionierunternehmen Serra Verde nun auch das chilenische Unternehmen Aclara und vier Unternehmen aus Australien: Meteoric, Viridis Mining, St. George Mining und Brazilian Rare Earth.
Verarbeitung: Bislang kaum Veredlung vor Ort
Brasilien exportiert die Rohstoffe größtenteils als Erze, so wie das größte Bauxitförderunternehmen Mineração Rio do Norte (MRN). Anders als MRN verarbeiten Alcoa, SBA und Hydro Bauxit vor Ort. Alle drei Unternehmen investieren, um sich als nachhaltige Hersteller zu profilieren. Mit einer Jahresproduktion von über 11 Millionen Tonnen in den Raffinerien Alunorte und Alumar ist Brasilien der weltweit drittgrößte Produzent von Aluminiumoxid, nach China und Australien. Bei Primäraluminium liegt das Land jedoch nur auf Rang 9.
Vale und Anglo American produzieren Ferronickel. Das britische Unternehmen Brazilian Nickel will im Bundesstaat Piauí auch batterietaugliches Nickelsulfat gewinnen. Um unabhängiger von China zu werden, unterstützt die EU ein Projekt des australischen Unternehmens Jervois in Brasilien. Es geht darum, die Aufbereitungsanlage São Miguel Paulista bis 2027 wieder in Betrieb zu nehmen und pro Jahr 10.000 Tonnen Nickel und 2.000 Tonnen Kobalt zu gewinnen.
Sigma Lithium und AMG erweitern die Produktion von Lithiumkonzentrat und investieren in Veredlungsanlagen. Zurzeit stellt nur CBL batteriefähiges Lithiumkarbonat in Brasilien her. Mit Atlas Lithium und Lithium Ionic nehmen bald zwei weitere Unternehmen die Produktion in Brasiliens Lithium Valley auf.
In Maracás im Bundesstaat Bahia verarbeitet Largo Resources Erze zu Vanadiumpentoxid, das für Batterien und Legierungen verwendet wird.
Brasilien baut Permanentmagneten
Im Juli 2025 fiel der Startschuss für das Projekt MagBras. Das Ziel: Zukünftig Hochleistungsmagnete aus seltenen Erden in Brasilien herzustellen und die Importabhängigkeit zu mindern. Permanentmagnete sind essenziell für Elektroautos, Windräder, Smartphones und Medizintechnik. Bislang stammen fast alle aus China.
Im Technologiezentrum CIT SENAI in Lagoa Santa im Staat Minas Gerais soll die komplette Wertschöpfungskette abgebildet werden: vom Abbau der Erze über die Trennung der Elemente bis zur Magnetfertigung und zum Recycling. Das Projekt läuft über 36 Monate bis Juli 2028. Es beteiligen sich 28 Unternehmen, darunter 12 Bergbaukonzerne, sowie 7 Forschungsinstitute und 3 Stiftungen.
ESG gewinnt an Stellenwert
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind in Brasilien verfassungsrechtlich verankert. Dennoch treffen Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien auf Herausforderungen.
Stärken | Schwächen | |
---|---|---|
Ökologie | Es gelten strikte Umweltauflagen. Nach Dammbrüchen in zwei Rückhaltebecken im Bundesstaat Minas Gerais – in Mariana 2015 und Brumadinho 2019 – wurden die Auflagen verschärft. Große Bergbauunternehmen investieren in Dekarbonisierung, nachhaltige Verfahren und Renaturierung.
| Bei der praktischen Durchsetzung der Gesetze hapert es. Laut der Regulierungsbehörde ANM weisen derzeit 3.943 genehmigte Minen Anzeichen auf, dass die Aktivitäten eingestellt wurden, ohne dass das Gelände renaturiert wurde. Außerdem schädigen illegale Goldschürfarbeiten den Amazonas-Regenwald. Sehr lange Bearbeitungszeiten von Umweltlizenzen sorgen immer wieder für Kritik. Im Kongress wurde ein neues Gesetz verabschiedet, doch Präsident Lula legte 63 Vetos ein, über die der Kongress nun abschließend entscheiden wird. |
Soziales | Große Bergbauunternehmen achten auf den Schutz und die Einhaltung der Rechte ihrer Arbeitnehmer. Die aktive Einbeziehung der Gemeinden wird wichtiger. Die lokalen Verwaltungen erhalten Royalties. Bei unvorhergesehenen Beeinträchtigungen werden Unternehmen zu Entschädigungszahlungen an die betroffene Bevölkerung verurteilt. | Bei ausgelagerten Dienstleistern und in kleineren Unternehmen in abgelegenen Regionen herrschen in der Regel deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen. Diversität bei der Stellenbesetzung ist immer noch eine Herausforderung. Es fehlen Mechanismen zur transparenten Überwachung der Zuwendungen, die die Gemeinden in Zuge der Bergbauaktivitäten einnehmen. Dies kann zu Konflikten innerhalb der Gemeinden führen. Die mit Abstand meisten Konflikte drehen sich um die Land- und Wassernutzung. Gesundheitliche Probleme oder arbeitsrechtliche Konflikte wurden zwischen den Jahren 2020 bis 2023 wesentlich seltener registriert. |
Governance | Transparenz in der Unternehmensführung steigt. Außerdem integrieren immer mehr Unternehmen globale Nachhaltigkeitsziele in ihre Pläne. | Brasilien verzeichnet einen Boom bei Fusionen und Übernahmen im Bergbau. Im Jahr 2024 waren es 30 Transaktionen, ergab eine Erhebung des Beratungsinstituts KPMG. Es ist unklar, wie sich die strukturellen Veränderungen auf die Transparenz und geplante Vorhaben auswirken. |
Bezeichnung | Anmerkungen |
---|---|
Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Zentraler Unterstützungsservice der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in Zusammenarbeit mit GTAI und DIHK | |
AHK Brasilien | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen in São Paulo, Rio de Janeiro, Porto Alegre und Curitiba |
Kompetenzzentrum Bergbau und Rohstoffe der AHK São Paulo Ansprechpartner: Katharina Gerlitz und Franz Hinze | |
VDMA Brasil | VDMA Verbindungsbüro in São Paulo |
Ministerium für Bergbau und Energie | |
Brasiliens Institut für Bergbau (Branchenverband) | |
Brasiliens Regulierungsbehörde für Bergbau | |
Serviço Geológico do Brasil (SGB) | Geologischer Dienst Brasiliens |