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Wirtschaftsumfeld | EU | Entwicklungszusammenarbeit

Schwellenwerte für öffentliche Ausschreibungen in EU-Drittstaaten

Bei EU-Projekten in Partnerländern gibt es für Ausschreibungen unterschiedliche Vergabeverfahren - je nach Auftragswert und Auftragsart. Firmen sollten diese kennen.

Von Heike Hoffmann | Brüssel

Die EU ist einer der größten Geber in der Entwicklungszusammenarbeit: 2021 sagte sie 15,75 Milliarden Euro zu. Diese flossen vor allem über Drittstaatenprogramme. Zum einen fördert die EU über NDICI, das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit, Afrika, Asien, Lateinamerika, die Karibik, den Pazifikraum sowie die südliche und östliche Nachbarschaft. Zum anderen unterstützt die EU die Beitrittskandidaten des Westbalkans über das Instrument für Heranführungshilfe III, IPA III.

Öffentliche Ausschreibungen für Aufträge in Partnerländern

Wenn die EU und ihre Partnerländer Projekte umsetzen, schreiben sie Aufträge im transparenten Wettbewerb aus. Je nach Projekt tun dies mal die Partnerländer, mal die EU selbst. Ziel einer Ausschreibung ist die Beschaffung einer Bau-, Liefer- oder Dienstleistung gegen Bezahlung. Dienstleistungsaufträge haben einen großen Anteil an Vorhaben in Drittstaaten. Will ein Unternehmen davon profitieren, muss es an den Ausschreibungen teilnehmen.

Rechtsgrundlagen und das Vergabehandbuch PRAG

Die Haushaltsordnung und die Verordnungen von NDICI und IPA III sind die bindenden Rechtsgrundlagen für EU-finanzierte Aufträge in Drittstaaten. Sie stehen im Online-Portal zum EU-Recht EUR-Lex.

Auf ihnen basiert auch das Handbuch für Vergabeverfahren im Rahmen von EU-Außenmaßnahmen PRAG (Practical Guide to contract procedures for EU External Actions). Es beinhaltet praktische, aber nicht rechtlich bindende Anleitungen zur Vorbereitung und Durchführung von Beschaffungsverträgen. Es richtet sich an öffentliche Ausschreiber, Bieter und Auftragnehmer und adressiert Bau-, Liefer- und Dienstleistungen.

Die EU-Kommission überarbeitet den PRAG regelmäßig. Die GTAI berichtet in Artikeln und Webinaren über wichtige Änderungen. Die aktuelle Version INTPA PRAG 2021.1 (in Kraft seit 24. Juni 2022) enthält vor allem Neuerungen zur elektronischen Angebotseinreichung.

Schwellenwerte bei öffentlichen Aufträgen in Drittländern

Die EU als öffentlicher Auftraggeber muss für Ausschreibungen bestimmte Bekanntmachungsmuster und Vergabevorschriften beachten. Diese richten sich nach der Auftragsart (Baumaßnahmen, Lieferungen, Dienstleistungen) und den Schwellenwerten. Ob ein Schwellenwert erreicht ist, ergibt sich aus dem vom Auftragsgeber geschätzten Gesamtauftragswert. Für den gleichen Schwellenwert kann mehr als eine Vergabeart greifen. Wann gelten welche Schwellenwerte und wie funktionieren die Verfahren?

Bei hohen Auftragswerten sind viele Bieter erwünscht

Kostet eine Bauleistung 5 Millionen Euro oder mehr, wendet die EU meist ein internationales offenes, manchmal auch ein internationales nicht-offenes Vergabeverfahren an. Für Lieferungen und Dienstleistungen wird ab einem Vertragswert von mehr als 300.000 Euro ein internationales offenes oder nicht-offenes Vergabeverfahren nötig. Lieferungen werden meist offen vergeben, Dienstleistungen nicht-offen.

Die EU will mit einem internationalen Vergabeverfahren viele Angebote anziehen, um das bestmögliche zu erhalten. Sie schreibt dann auch international über ihre Kanäle aus. Dabei bedeutet offen, dass alle teilnahmeberechtigten Bieter ein Angebot einreichen können (Call for Tender). Ist ein Verfahren nicht-offen, ruft die EU infrage kommende Anbieter zur Interessenbekundung für den Auftrag auf (Call for Expression of Interest). Nur ausgewählte Bewerber werden um ein Angebot gebeten.

Nur das Vergabeverfahren im mittleren Schwellenwertbereich kennt Untergrenzen

Bei Bauaufträgen zwischen einschließlich 300.000 Euro und bis unter 5 Millionen Euro greift ein lokales, offenes Vergabeverfahren. Lokal besagt, dass eine Ausschreibung in den offiziellen Registern im Partnerland veröffentlicht wird - nur teilweise auch über die EU. Liegt ein Bauauftrag unter 300.000 Euro, aber über 20.000 Euro, muss die EU ein vereinfachtes Verfahren (früher sogenanntes wettbewerbliches Verhandlungsverfahren) anwenden. Hierbei kontaktiert die ausschreibende Stelle selbst ausgewählte Unternehmen und evaluiert mindestens drei Angebote, ohne den Auftrag vorher auszuschreiben.

Diese Vergabeverfahren gelten auch für Lieferaufträge, aber die Schwellenwerte sind niedriger. Zwischen 100.000 Euro und bis unter 300.000 Euro Vertragswert gilt das lokale, offene Vergabeverfahren. Alle Aufträge unter 100.000 Euro, aber über 20.000 Euro schreibt die EU im vereinfachten Verfahren aus.

Im mittleren Schwellenwertbereich sind Dienstleistungsvergaben der Exot unter den Vergabearten. Verträge unter 300.000 Euro können über das vereinfachte Verfahren oder einen Rahmenvertrag vergeben werden. Rahmenverträge sind nicht projektgebundene, zeitlich auf höchstens vier Jahre begrenzte Vorabvereinbarungen zwischen dem öffentlichem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Über einen Rahmenvertrag kann der Auftragnehmer mehrfach Leistungen aus einem Sektor erbringen. Aktuell laufen drei Rahmenverträge zu EU-Außenmaßnahmen mit verschiedenen Inhalten, Laufzeiten und oberen Schwellenwerten:

  • EVA 2020 (Evaluierung, August 2024) mit unter 300.000 Euro
  • SIEA 2018 (Dienstleistungen, Mai 2023) mit maximal 999.999 Euro
  • Events 2020 (Veranstaltungsorganisation, August 2024) mit maximal 999.999 Euro

Niedrige Schwellenwerte

Für Schwellenwerte bis 20.000 Euro gilt das freihändige Vergabeverfahren (ein einziges Angebot). Hierbei verhandelt die ausschreibende Stelle frei mit dem ausgewählten Unternehmen. Den niedrigsten Schwellenwert legt die EU bei maximal 2.500 Euro fest: Hier greift die Zahlung gegen Rechnung ohne vorherige Genehmigung eines Angebots. Nur selten schreibt die EU in diesem Preissegment über andere Vergabeverfahren aus, bei denen keine Schwellenwerte als Richtschnur dienen.

GTAI publiziert EU-Projekt- und -Ausschreibungsmeldungen in einer Online-Datenbank. Die EU veröffentlicht alle Ausschreibungen im Tenders Electronic Daily (TED, online-Version des Supplements zum Amtsblatt der EU), im Funding & Tenders-Portal und bei der Generaldirektion Internationale Partnerschaften (INTPA).

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