Wirtschaftsausblick | Hongkong
Finanzwirtschaft stützt Hongkongs Wirtschaft
Hongkongs Rolle als Handelsdrehscheibe bleibt trotz Volatilität stabil. Während der Einzelhandel schwach bleibt, profitiert der Finanzplatz von Börsengängen.
10.07.2025
Von Robert Herzner | Hongkong
Topthema: Finanzmarkt als Stabilisator
Hongkongs Finanzsektor zeigt sich 2025 wieder stabiler. Der Hang Seng Index legte bis Ende Juni um 42,7 Prozent seit Jahresbeginn zu – getragen von der Rückkehr internationaler Investoren und der starken Performance von Technologie- und Finanzwerten. Der Börsengang des Batterieherstellers CATL mit einem Emissionserlös von 4,6 Milliarden US-Dollar (US$) war der bislang größte weltweit in diesem Jahr.
Besonders chinesische Technologieunternehmen nutzen die chinesische Sonderverwaltungsregion (SVR) weiterhin als Plattform für die Kapitalaufnahme. Gleichzeitig profitiert der Standort von dem DeepSeek-Moment, als China Anfang 2025 gezeigt hat, dass es mit einem Open-Source-Modell und trotz US-Chipsanktionen im Bereich Künstliche Intelligenz aufgeholt hat.
So verzeichnete Hongkong einen Kapitalzufluss an Portfolioinvestitionen von 49,6 Mrd. US$ aus den USA und Europa im Zeitraum Oktober 2024 bis März 2025, was 82 Prozent des Gesamtvolumens nach Angaben der Hong Kong Monetary Authority ausmacht.
Auch die Rolle Hongkongs für die Internationalisierung des Renminbi Yuan (RMB) bleibt stark. Die Stadt fungiert als wichtigstes Offshore-Zentrum für die chinesische Währung. Die Hong Kong Exchanges and Clearing Limited (HKEX) fördert aktiv die Emission von RMB-Anleihen und motiviert Unternehmen, ihre Aktien in RMB zu notieren.
Wirtschaftsentwicklung: Ausbleibender Konsum drückt Wachstum
Nach einem moderaten Anstieg von 2,5 Prozent im Jahr 2024 erwarten die Hongkonger Finanzbehörden für 2025 und 2026 ebenfalls ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,5 Prozent. Damit bleibt Hongkong jedoch hinter dem regionalen Durchschnitt zurück.
Insbesondere der private Konsum, der auf dem chinesischen Festland wie auch in Hongkong als wesentlicher Wachstumstreiber gilt, entwickelte sich zuletzt schwach: Im Jahr 2024 ging er um 0,6 Prozent zurück, auch im 1. Quartal 2025 setzte sich dieser Trend mit einem Rückgang von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal fort.
Die Konsumzurückhaltung wirkt sich spürbar auf den Immobilien- und Einzelhandelssektor aus. Die Mieten im Einzelhandel sinken, Transaktionen bleiben verhalten. Zwar verzeichnete Hongkong 2024 mit 44,5 Millionen Besuchern einen deutlichen Anstieg im Tourismus (31 Prozent gegenüber dem Vorjahr), doch die Ausgaben der Reisenden blieben hinter den Erwartungen zurück. Viele Besucher – rund 75 Prozent aus Festlandchina – beschränken sich auf Kurzaufenthalte mit geringem Konsumbudget. Gleichzeitig zieht es viele Hongkonger für Einkäufe und Dienstleistungen ins benachbarte Shenzhen.
Unsicherheit durch US-China-Handelskonflikt
Während im Jahr 2024 Hongkongs Warenexporte noch um 4,7 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen waren, dürfte das Fahrwasser 2025 schwieriger werden. So hat die Einführung und dann wieder Aussetzung reziproker Zölle zwischen den USA und China den Außenhandel Hongkongs seit Februar 2025 bereits spürbar beeinträchtigt.
Hinzu kommt, dass die USA Anfang Mai die De-Minimis-Regelung für Sendungen aus China (inklusive Hongkong und Macau) abgeschafft haben, was den Wirtschaftsstandort besonders stark trifft, da der Export von Konsumwaren, die in China produziert werden, oft über Hongkong abgewickelt wird. Die Regelung ermöglichte zuvor die zollfreie Einfuhr in die USA von Waren mit einem Wert von bis zu 800 US$. Bereits im 1. Quartal 2025 gingen die De-Minimis-E-Commerce-Sendungen aus Hongkong in die Welt im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent zurück, in die USA sogar um 62 Prozent, während die Versendung in die EU und nach ASEAN um 9 Prozent anstiegen.
Hongkongs wirtschaftliche Entwicklung ist außerdem eng mit politischen Rahmenbedingungen in China verknüpft. So steht etwa eine Genehmigung der Zentralregierung für den Verkauf von CK Hutchisons Panama-Häfen an JP Morgan noch aus. Der neue stellvertretende Direktor des Verbindungsbüros der Zentralregierung in Hongkong, Qi Bin, hat zudem Kapitalmarktreformen angekündigt, darunter vereinfachte IPO-Prozesse für Festlandunternehmen und regulatorische Anpassungen.
Verschuldung für mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) soll die Wirtschaft Hongkongs bis 2029 um 27 Prozent auf 511 Milliarden US$ im Vergleich zu 2023 steigen. Gleichzeitig wird ein Anstieg der Staatsverschuldung auf 16,1 Prozent des BIP in 2029 prognostiziert – gegenüber 6,5 Prozent im Jahr 2023.
Die Regierung hat Nachhaltigkeit und Digitalisierung als zentrale strategische Leitlinien definiert. Ziel ist es, langfristig Resilienz aufzubauen und die Abhängigkeit von externen Märkten zu reduzieren. Die Regierung reagiert auf die Neuverschuldung mit Sparmaßnahmen wie höheren ÖPNV-Kosten und Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst. Die Arbeitslosenquote bleibt mit rund 3 Prozent auch 2025 stabil.
Deutsche Perspektive: Asiens Sourcing-Hub
Deutsche Unternehmen profitieren weiterhin von Hongkongs Rolle als Handels- und Sourcing-Drehscheibe. Der Hong Kong International Airport ist mit einem jährlichen Frachtvolumen von derzeit 4,3 Millionen Tonnen seit 2010 der größte Frachtflughafen der Welt. So dient die Hafenstadt auch als Ausgangspunkt zur Umsetzung der Strategie China-Plus-1. Die deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in Hongkong verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 463 auf rund 430 Mitglieder.
Im Konsumgüterbereich bietet sich das Premiumsegment in Hongkong an, um Konzepte für China am Markt zu testen. Auf dieses Geschäftsmodell konzentrieren sich deutsche Unternehmensdelegationen bei ihren Besuchen in Hongkong. Austausch erfolgt ebenso mit der wachsenden Start-up-Szene mit Schwerpunkten in FinTech und BioTech.
Im Zuge des kontinuierlichen Ausbaus der Infrastruktur können deutsche Unternehmen von staatlichen Großprojekten wie dem Ausbau von Krankenhäusern, U-Bahn Linien und den Flughafen profitieren. Für die Datenspeicherung soll die Kapazität der 46 Rechenzentren um 698 Megawatt (MW) erweitert werden.