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Wirtschaftsumfeld | Israel | Justizreform

Krieg fegt Justizreform vom Tisch

Premier Netanjahu musste seine Pläne zur Justizentmachtung vorerst aufgeben. Diese hatten der Wirtschaft geschadet. Ob die Reform jemals realisiert wird, ist nun zu bezweifeln.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Am 12. Oktober 2023 wurde in Israel eine Notstandsregierung gebildet. Ihr Ziel ist es, den politischen und sozialen Zusammenhalt für die Dauer des Gaza-Krieges sicherzustellen. Zu den bisherigen Partnern kam die zentristische Partei des ehemaligen Verteidigungsministers Benny Gantz hinzu.

Justizumwälzung auf Eis gelegt

Um deren Zustimmung zum Eintritt in die erweiterte Ministerrunde zu sichern, musste Netanjahu Zugeständnisse machen. Unter anderem wurde vereinbart, die Regierung werde für die Dauer des Krieges keine Gesetze vorantreiben und keine Beschlüsse fassen, die nicht mit der Kriegführung zusammenhängen. Damit ist vor allem die von der bisherigen Regierung vorangetriebene radikale Justizreform gemeint. Dieser Reform hat sich Gantz – wie die gesamte israelische Opposition – vehement widersetzt.

Für die israelische Wirtschaft ist das eine beruhigende Nachricht. Die Justizumwälzung, bei der der Judikative die Kontrollbefugnisse gegenüber Regierung und Parlament weitgehend entzogen werden sollten, hatte nämlich bereits vor ihrer Vollendung zu negativen wirtschaftlichen Folgen geführt. 

Zu diesen gehörte insbesondere eine Verunsicherung ausländischer Investoren und eine Schwächung des für Israel existenziell wichtigen einheimischen Hightechsektors. Beispielsweise war der Anteil neuer israelischer Start-ups, die ihren Hauptgeschäftssitz im Ausland registrieren ließen, steil gestiegen.

Reformpläne führten zu Wirtschaftsschäden

In den ersten neun Monaten 2023, also seit Bekanntgabe der Regierungspläne, verlor der Schekel acht Prozent seines Wertes gegenüber dem US-Dollar. Das, so Zentralbankgouverneur Amir Yaron, sei eine Risikoprämie gewesen, mit der sich der Weltmarkt gegen die durch Justizreform verursachten Unwägbarkeiten abgesichert hätte. 

Eine Forschergruppe der renommierten israelischen Denkfabrik Institute for National Security Studies hat die Verluste geschätzt, die der israelischen Wirtschaft zwischen der Verkündung der Reform und September 2023 entstanden sind. Sie rechneten einen Betrag von 40 Milliarden US-Dollar hoch. In diese Schätzung floss auch der durch die Regierungspläne verursachte Rückgang ausländischer Investitionen ein.

Weitreichende politische Änderungen erwartet

Die Unvorbereitetheit von Regierung und Armee im Vorfeld des verheerenden Angriffs der Hamas-Organisation am 7. Oktober lässt erwarten, dass sich die politische Landschaft nach Kriegsende tiefgreifend verändert. Bildungsminister Yoav Kisch hat bereits prognostiziert, die Regierung werde "zur Rechenschaft gezogen". 

Unter diesen Umständen gilt es als wahrscheinlich, dass die radikale Reform, die die Gesellschaft tief spaltete, nicht mehr durchsetzbar sein wird. An den Schrecken des Krieges wird das nichts ändern. Langfristig wären ein Ende der Konfrontation über die Reformen und beispielsweise eine Konsenslösung für Änderungen im Justizwesen eine wichtige Weichenstellung. Eine solche käme auch der Wirtschaft zugute.

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