Wirtschaftsumfeld | Italien | Investitionsklima
Investitionsklima: Es gibt regionale Unterschiede
In den kommenden Jahren werden steigende ausländische Direktinvestitionen erwartet. Die administrativen Rahmenbedingungen können sich jedoch örtlich unterscheiden.
18.07.2024
Von Torsten Pauly | Mailand
Italien wird laut einer Studie der Unternehmensberatung EY aus dem Jahr 2023 innerhalb der nächsten drei Jahre an Attraktivität als Investitionsstandort gewinnen. Rund 57 Prozent der befragten ausländischen Investoren teilen diese Einschätzung. Etwa 12 Prozent erwarten eine Verschlechterung, während der Rest keine signifikanten Veränderungen erwartet.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Mitte 2024 veröffentlichte Mitgliederumfrage der Deutsch-Italienischen Handelskammer. Demnach gaben 34,5 Prozent der Unternehmen an, ihre Investitionen in Italien in den nächsten zwölf Monaten zu steigern, während 11,1 Prozent eine Reduktion vornehmen wollen. Der Rest erwartet ein gleichbleibendes Investitionsniveau.
Viele Investoren beklagen jedoch eine mitunter intransparente öffentliche Verwaltung. Im Corruption Perception Index von Transpareny International liegt Italien 2023 weltweit an 43. Stelle und im EU-Vergleich zusammen mit Slowenien auf Rang 17. Beim Rechtstaatlichkeitsindex (rule of law index) des World Justice Project befand sich Italien 2023 EU-weit auf Rang 20.
Landeskenner weisen aber darauf hin, dass sich die konkreten Bedingungen örtlich unterscheiden. Gerichtsverfahren dauern in nördlichen Gebieten oftmals kürzer als in südlichen Regionen. Italiens Nationale Antikorruptionsbehörde ANAC (Autorità Nazionale Anticorruzione) veröffentlicht detaillierte Statistiken über ihre Erkenntnisse. Diese lassen sich auch regional gliedern.
"Wir raten zu sorgfältigen Prüfungen bei Beteilungen und Übernahmen in Italien"
Jörg Buck ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Italienischen Handelskammer und Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Italien.
Herr Buck, wo sehen Sie Stärken der Investitionsförderung in Italien?
Ein Vorteil sind sicher die zurzeit hohen EU-Förderungen, die Investoren nutzen können. Viele Projekte werden durch regionale Investitionsförderagenturen professionell begleitet.
Und was sind die Schwächen?
Wir sehen oft ein buntes Gemisch an Vorschriften und Regelungen. Genehmigungen dauern oft zu lange. Wir raten zudem zu sorgfältigen Prüfungen bei Beteiligungen und Übernahmen.
Die meisten ausländischen Investitionen fließen in die Industrie
Laut der Unternehmensberatung EY ist die Zahl der Projekte ausländischer Direktinvestoren 2022 um 17 Prozent auf 243 Engagements gestiegen. Damit lag Italien im Vergleich der EU, der Schweiz und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland an siebter Stelle. Etwa 69 Prozent aller Projekte wurden in Norditalien realisiert. Deutlich geringer war der Anteil Mittel- und Süditaliens mit 16 Prozent beziehungsweise 15 Prozent der Projekte.
Wichtigste Zielbranche ausländischer Direktinvestitionen ist das verarbeitende Gewerbe, das 2022 etwa 31,5 Prozent des italienischen Bestands auf sich vereinigen konnte. Es folgten das Finanz- und Versicherungswesen mit 27,2 Prozent, der Handel mit 9,1 Prozent und die Bauwirtschaft mit 7,5 Prozent.
Deutschland stellte 2022 etwa 9,2 Prozent des italienischen Bestands an ausländischen Direktinvestitionen und lag damit an vierter Stelle. Bedeutendere Herkunftsländer waren die Niederlande mit einem Anteil von 23,8 Prozent, Luxemburg mit 17,7 Prozent und Frankreich mit 17,5 Prozent.
Übernahmen (Mergers and Acquisitions) spielen eine wichtige Rolle. Im Jahr 2022 gab es laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG 450 derartige Käufe italienischer Firmen durch ausländische Investoren. Das Investitionsvolumen war mit 31 Milliarden Euro um 78 Prozent höher als im Vorjahr.
Die italienische Regierung behält sich das Recht vor, Übernahmen durch ausländische Investoren in strategischen Sektoren wie Energie, Verkehr, Kommunikation, Verteidigung, nationale Sicherheit zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen. Grundlage ist das Gesetz Decreto Legge Nummer 21 von 2012.
Der Großteil der ausländischen Firmen kommt aus Deutschland
Laut einer Studie der Bank Intesa Sanpaolo für die Deutsch-Italienische Handelskammer waren 2019 etwa 1.700 deutsche Unternehmen in Italien tätig. Dies kommt 16 Prozent aller ausländischen Firmen in Italien gleich. Damit lag Deutschland an erster Stelle, vor den USA und Frankreich mit Anteilen von 14 Prozent beziehungsweise 12 Prozent.
Die deutschen Unternehmen beschäftigten 2019 etwa 193.000 Mitarbeiter und erzielten einen Gesamtumsatz von 96 Milliarden Euro. Im verarbeitenden Gewerbe waren 453 deutsche Firmen mit 67.500 Arbeitnehmern aktiv. Noch bedeutender war der Handel mit 774 deutschen Gesellschaften und 74.500 Beschäftigten.
Unternehmen | Branche | Umsatz 2022 |
---|---|---|
Lidl Italia | Einzelhandel | 6.687 |
Volkswagen (inkl. Lamborghini) | Kfz-Industrie | 8.794 *) |
BASF | Chemieindustrie | 2.550 |
Siemens | Diverse Industriesparten | 1.429 |
DHL Express | Logistik | 1.394 |
Investitionsförderung: Hohe EU-Gelder stehen zur Verfügung
Die öffentliche Hand fördert Unternehmen, die in Italien in Hightech-Branchen investieren. Neben landesweit geltenden Programmen gibt es immer wieder auch spezielle Fördertitel für den weniger wirtschaftsstarken Mezzogiorno. Dieses Gebiet umfasst die sechs südlichen Festlandsregionen und die Inseln Sardinien und Sizilien. So hat die Regierung 2024 das Programm Specializzazione intelligente aufgelegt, das dortige Projekte in einigen innovativen Sparten unterstützt.
Im Mezzogiorno existieren acht Sonderwirtschaftszonen, Zona Economica Speciale genannt. Für dort ansässige Unternehmen gibt es ein spezielles Wirtschaftsförderprogramm, das sogenannte Credito d’Imposta ZES Unica. Dort können je nach Standort und Größe des Unternehmens bis zu 70 Prozent der Investition steuerlich abgeschrieben werden.
Italien erhält aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU von 2022 bis 2027 Fördergelder von 194,4 Milliarden Euro. Diese muss Italien für die nachhaltige und digitale Transformation sowie Kohäsions-, Bildungs- und Inklusionsprojekte verwenden. Der Großteil der Gelder fließt in Infrastrukturprojekte und Ausrüstungen. Es gibt jedoch auch Programme für Technologieentwicklungen, etwa in der Wasserstoffnutzung und Kreislaufwirtschaft.
Programm | Adressat | Anmerkungen |
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Contratto di sviluppo | Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im verarbeitenden Gewerbe, Fremdenverkehr und Umweltschutz | Die Förderagentur Invitalia fördert Projekte mit einem Investitionsvolumen von mindestens 20 Millionen Euro (7,5 Millionen Euro für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Tourismusprojekte im ländlichen Raum und Investitionen in stillgelegte Brownfieldanlagen). Es werden auch zeitlich befristete Sonderprogramme, etwa zur Halbleiterproduktion oder Rückgewinnung kritischer Rohstoffe, aufgelegt. |
Credito d’imposta per investimenti in beni strumentali | Steuererstattungen für Investitionen in Sachanlagen und Patente zur technologischen und digitalen Transformation von Unternehmen (auch Industrie 4.0) | Das Ministerium für Unternehmen und Made in Italy fördert bis Ende 2025 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 1 bis 20 Millionen Euro (50 Millionen Euro bei Förderungen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU). |
Specializzazione intelligente | Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Hightech-Branchen, insbesondere in der Materialforschung, Nanotechnologie, Elektronikindustrie, Life Science, Künstlichen Intelligenz und Sicherheit digitaler Netze | Das Ministerium für Unternehmen und Made in Italy fördert Projekte mit einem Investitionsvolumen von 3 bis 20 Millionen Euro im Mezzogiorno. |
Green New Deal | Forschungs-, Entwicklungs-, Innovations- und Produktionsvorhaben für die ökologische Transformation und die Kreislaufwirtschaft | Das Ministerium für Unternehmen und Made in Italy fördert Projekte mit einem Investitionsvolumen von mindestens 3 Millionen Euro und maximal 40 Millionen Euro. |
Beni strumentali - Nuova Sabatini | Zinsgünstige Darlehen für den Kauf oder das Leasing von Ausrüstungsgütern einschließlich digitaler Hard- und Software | Das Ministerium für Unternehmen und Made in Italy fördert Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem Investitionsvolumen von 20.000 Euro bis 4 Millionen Euro. |
Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.