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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Kosovo
Der Konflikt mit Serbien hemmt den jungen Westbalkanstaat weiterhin. Doch trotz der angespannten Situation wächst die Wirtschaft. Dafür sorgen auch Investitionen aus Deutschland.
23.12.2022
Von Martin Gaber | Belgrad
Kosovos Wirtschaft wächst auch im Jahr 2022. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steuert auf ein reales Wachstum von rund 3 Prozent zu, so die Prognose des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Ähnlich ist die Einschätzung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. An das starke Wachstum von über 10 Prozent aus dem Vorjahr kann die Wirtschaft aber nicht anknüpfen. Für das große Plus hatten vor allem Aufholeffekte nach der Coronapandemie gesorgt.
Die Experten der Weltbank rechnen bereits ab dem Jahr 2023 damit, dass das reale BIP-Wachstum wieder in Richtung 4-Prozent-Marke steigt. Das wiiw ist pessimistischer und erwartet erst ab dem Jahr 2024 mehr Dynamik.
Für das Wachstum sorgen vor allem die anziehenden Exporte, staatliche Investitionen sowie die Inlandsnachfrage. Zudem bleiben die Rücküberweisungen der Diaspora ein wichtiger Impulsgeber. Diese lagen bis Oktober 2022 bei rund 1 Milliarde Euro. Das entspricht 13 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Deutschland steht bei der Herkunft der Zahlungen an erster Stelle.
Künftig könnten sich die Rahmenbedingungen für Kosovo verbessern: Ab dem Jahr 2024 wird dem Balkanstaat eine Visa-Liberalisierung in Aussicht gestellt. Bislang können die Bürger und damit auch Geschäftsleute nur mit einem Visum in die Europäische Union einreisen. Die kosovarischen Unternehmen kritisieren das als eines der größten Hemmnisse bei ihrer Tätigkeit. Außerdem hat das Land Ende 2022 den Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Das sorgt für Aufbruchstimmung.
Der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien hingegen dürfte weiterhin negative Akzente setzen. Serbien erkennt die Unabhängigkeit Kosovos nicht an, was immer wieder zu Spannungen zwischen Pristina und Belgrad führt. Die EU versucht, den Dialog voranzutreiben, zuletzt beim EU-Westbalkan-Gipfel im Dezember 2022 in Tirana. Währenddessen setzt sich Russland für Serbien ein.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 6,8 | 8,0 | 3.571 |
BIP pro Kopf (Euro) | 3.722 | 4.486 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 1,8 | 1,8 | 83,2 |
Die Unternehmen zeigen sich im Jahr 2022 beim Investitionsgeschehen zurückhaltend. So prognostiziert das wiiw einen Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen von real rund 5 Prozent. Im Jahr 2021 hatte es als Aufholeffekt noch ein deutliches Plus gegeben. Doch explodierende Preise und die angespannte regionale und globale Situation haben die Betriebe zur Zurückhaltung bewegt. Das dürfte sich in den kommenden Jahren wieder stabilisieren.
Staatliche Investitionen sollen weiter vorangetrieben werden. Gerade der marode Energiesektor benötigt dringend Investitionen: Energie liefern hauptsächlich die beiden alten Kohlekraftwerke Kosova A und B. Derzeit befindet sich die nationale Energiestrategie in der Ausarbeitung. Laut Entwurf sollen 1.400 Megawatt (MW) im Jahr 2031 durch erneuerbare Energien produziert werden. Dafür sollen Wind-, Wasser- und Solarprojekte sorgen. Aktuell sind es rund 200 MW.
Ausländische Investoren zeigen weiterhin Interesse. Die ausländischen Direktinvestitionen klettern im Jahr 2022 auf einen neuen Höchststand. Die Nettozuflüsse lagen bis einschließlich September bei rund 570 Millionen Euro, so Zahlen der Nationalbank. Allerdings geht der größte Teil davon in Immobilien. Wichtiger Investor bleibt die Bundesrepublik: Knapp 29 Prozent der Nettodirektinvestitionen kommen aus Deutschland.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Iber-Lepenc-Hydrosystem (Wasserversorgung) | 404 | Finanzierung: EBRD, EIB | |
Korridor Orient/Ost-Mittelmeer: Ausbau Straßenabschnitt Pristina-Merdare | 208 | Finanzierung: EBRD, EIB und weitere | |
Bau der Fernwärmesysteme in den Gemeinden Pristina, Gjakova, Mitrovica und Zvečan | 163 | Finanzierung: EIB, EBRD; Ausschreibungen in Vorbereitung | |
Abwasserbehandlungsanlagen für Kosovo | 158 | Finanzierung: KfW 39 Mio. Euro, Eigenfinanzierung, WBIF und weitere; in Vorbereitung | |
Innere Ringstraße Pristina | 97 | Finanzierung: EBRD-Darlehen über 32 Mio. Euro in abschließender Prüfung |
|
Solare Fernwärme für Pristina | 82 | Finanzierung: KfW, EBRD gesichert; Ausschreibungen in Vorbereitung | Finanzministerium und Projektträger: Termokos |
Ausbau des Abwassersystems in Mitrovica und Gjilan mit Abwasserbehandlungsanlagen | 58 | Finanzierung: EBRD, EIB; Ausschreibungen in Vorbereitung | |
Modernisierung der Eisenbahnstrecke Kosovo Polje-Podujevo (Korridor X) | 57 | In Vorbereitung; WBIF-Förderung; EBRD-Darlehen in Verhandlung | |
Modernisierung der medizinischen Ausrüstung in der Universitätsklinik Kosovo | 50 | Finanzierung: EIB, WBIF und weitere; in Vorbereitung | |
Ausbau der digitalen Infrastruktur in der Gemeinde Prizren (Teil des Projektes Entwicklung der IKT-Infrastruktur in Kosovo) | 22 | Finanzierung: EIB und weitere; in Vorbereitung |
Zur nationalen Ausschreibungsdatenbank in Kosovo.
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Der Konsum zieht weiter an. Die Kauflaune der Bevölkerung ist nach der Pandemie immer noch groß und so verzeichnet der Konsum 2022 ein reales Wachstum von rund 4 Prozent. Das Plus wird in den kommenden beiden Jahren aber geringer ausfallen, so die Einschätzung des wiiw.
Die Inflation liegt 2022 im Jahresschnitt zwar bei rund 12 Prozent, aber die nominalen Gehaltszuwächse übersteigen diese. Nach Prognosen des wiiw dürften die Gehälter im Zeitraum von 2022 bis 2024 real um rund 4 bis 5 Prozent pro Jahr zulegen. Das wäre einer der größten Sprünge seit Jahren. Sie würden dann bis auf 660 Euro im Jahr 2024 klettern. Zum Vergleich: Das Bruttodurchschnittsgehalt stieg im Jahr 2021 auf 484 Euro pro Monat, so Zahlen der Statistikbehörde.
Der Konsum wird zudem von den Rücküberweisungen der Diaspora sowie staatlichen Hilfszahlungen gestützt. Für viele sind diese die einzige Einnahmequelle. Nach wie vor liegt die Arbeitslosenquote im Land deutlich über 20 Prozent. Das birgt aber auch ein Risiko: Sollte die Diaspora durch eine Wirtschaftskrise in der EU weniger Geld zur Verfügung haben, könnten die Rücküberweisungen zurückgehen.
Bereits im Oktober 2022 haben Kosovos Exporte die Marke vom Vorjahr geknackt. Schon zum Halbjahr stand ein nominales Plus von 25 Prozent, so die Statistikbehörde. Auch die Einfuhren legten zum Halbjahr nominal um 28 Prozent zu. Die großen Zuwächse sind einerseits durch Preissteigerungen bedingt, andererseits rückt der gesamte Westbalkan verstärkt in den Fokus als Beschaffungsmarkt. Die Prognosen deuten auf weitere Zuwächse über das Jahr 2022 hinaus, auch wenn die Dynamik wieder abnehmen dürfte.
Deutschland bleibt der wichtigste Handelspartner in der EU. Der bilaterale Warenaustausch lag in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 bei 197 Millionen Euro, so das Statistische Bundesamt.
Durch eine weitere Annäherung an die EU erhofft sich Kosovo eine Zunahme des Außenhandels. Allerdings warten dabei auch einige Herausforderungen. Die Unternehmen exportieren vor allem Produkte mit geringer Wertschöpfung. Um mehr Wertschöpfung im Land zu halten, werden Investitionen, Qualifizierung und Standards benötigt.
2021 | Januar-Oktober 2022 1 | Veränderung 2022/2021 2 | |
---|---|---|---|
Importe (cif) | 4.684,2 | 4.642,5 | 22,4 |
Exporte (fob) | 755,7 | 774,4 | 24,9 |
Handelsbilanzsaldo | -3.928,5 | -3.868,1 | - |