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Nachhaltige Metallerzeugung ist Chance für MENA-Länder

In der Eisenverhüttung stellen Unternehmen weltweit auf das emissionsarme Direktreduktionsverfahren um. In den Ländern des Mittleren Osten ist es schon heute die Regel.

Von Marcus Knupp | Berlin

Die angestrebte Dekarbonisierung der Produktion stellt insbesondere energieintensive Branchen wie die Eisen- und Stahlindustrie vor enorme Herausforderungen. Der Umbau der Anlagen auf emissionsarme Verfahren verschlingt Milliarden. Erneuerbare Energien stehen nicht überall ausreichend zur Verfügung. Das gilt auch für Rohstoffe wie grünen Wasserstoff. Dieser wird zum Beispiel für die saubere Gewinnung von Roheisen aus Eisenerz benötigt. Aus Sicht des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus stellen die Investitionen in Solarkraftwerke, Elektrolyseure und Anlagen zur Direktreduktion neue Absatzmöglichkeiten dar.

CBAM fördert Innovation innerhalb und außerhalb der EU

Der ab dem 1. Januar 2026 greifende EU-Grenz-Ausgleichsmechanismus (CBAM) soll Unternehmen schützen, die mit zunächst aufwändigeren Verfahren und nach umfangreichen Investitionen teurer, aber emissionsarm produzieren. Sie konkurrieren mit Firmen, die mit herkömmlichen Verfahren billiger, aber mit hohen Emissionen produzieren.

Ein vielleicht in der Tragweite nicht bedachter Nebeneffekt: Weltweit denken Unternehmen energie- und emissionsintensiver Branchen darüber nach, wie sie für den Zugang zum europäischen Markt zügig sauberer werden können, ohne Ausgleichszahlungen leisten zu müssen. Ein Beispiel ist die Eisen- und Stahlindustrie. Hier deuten sich globale Verlagerungen in der Produktionskette an. Dabei geht es um die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, um grünen Wasserstoff und günstigen Strom erzeugen zu können.

Schritte zu einer neuen globalen Arbeitsteilung?

Länder mit großen Eisenerzvorkommen wie Australien oder Brasilien streben an, einen größeren Teil der Verarbeitung am eigenen Standort anzusiedeln und dafür erneuerbare Energien zu nutzen. Die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) sehen sich eher in der Mitte der Produktionskette. Einige Staaten wie Ägypten, Saudi-Arabien oder Algerien verfügen bereits über eigene Eisen- und Stahlwerke.

Aus deutscher Sicht stellt sich die Frage, welche Produktionsschritte in Deutschland verbleiben sollen, welche Investitionen dafür notwendig sind und welche Erzeugnisse in Zukunft global noch wettbewerbsfähig sein werden. In einem arbeitsteiligen Modell könnte vor allem die Herstellung von Spezialstählen in Europa stattfinden.

Direktreduktion in der Eisenverhüttung

Die Reduktion von Eisenerz zu Roheisen erfolgt traditionell im Hochofen unter Einsatz von Koks. Dabei verbindet sich der dem Erz entzogene Sauerstoff mit Kohlenstoff aus dem Koks zu Kohlendioxid (CO2). Neben dem Energieeinsatz für den Schmelzprozess liegt hier eine der wesentlichen Emissionsquellen der Eisen- und Stahlindustrie. An den weltweiten CO2-Emissionen hat die Branche einen Anteil von rund 7 Prozent. Einsparungen haben daher erhebliche Auswirkungen auf den Gesamtausstoß von Treibhausgasen. Wasserstoff kann im Direktreduktionsverfahren (Direct Reduction Iron, DRI) Koks als Reduktionsmittel ersetzen. Er verbindet sich mit dem Sauerstoff, das dem Erz entzogen wurde, zu Wasser.

Wird das DRI-Verfahren im folgenden Schritt der Stahlherstellung mit einem elektrischen Lichtbogenofen (Electric Arc Furnace, EAF) kombiniert, lassen sich die Emissionen erheblich senken. Während im traditionellen Verfahren laut dem Thintank Carboun Institute mit Sitz in den Niederlanden 2,32 Tonnen CO2 pro erzeugter Tonne Stahl freigesetzt werden, sinkt dieser Wert nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur bei der Kombination von DRI und EAF auf 0,71 Tonnen. Dies gilt unter Grundlage des derzeitigen Strommix; mit EE-Strom sinkt der CO2-Ausstoß noch stärker.

Von grauem zu grünem Wasserstoff in der MENA-Region

Bereits heute wird in der MENA-Region Eisen überwiegend mit Direktreduktion verhüttet. Den Anfang machte 1986 die Anlage in El-Dikheila in Ägypten. Seither ist die Zahl solcher Werke auf rund 70 gestiegen. Der dabei verwendete Wasserstoff wird jedoch aus Erdgas gewonnen ("grauer" Wasserstoff). Dieses Verfahren verringert in Verbindung mit einem Lichtbogenofen den CO2-Ausstoß pro Tonne Stahl bereits auf 1,37 Tonnen.

In Zukunft könnte in den Wüsten der MENA-Region auf Basis von Solar- und Windenergie "grüner" Wasserstoff produziert werden. Die bestehenden DRI-Anlagen könnten dann in Betrieb bleiben. Da das DRI-Verfahren relativ reines Eisenerz als Ausgangsmaterial benötigt, haben sich in der Region auch bereits Betriebe zur Aufbereitung des Erzes und Herstellung von konzentrierten Pellets etabliert, etwa in Bahrain und Oman.

MENA stellt über 40 Prozent der globalen DRI-Eisen-ProduktionAnzahl und Produktion von DRI-Anlagen in MENA-Ländern 1)
Land

Zahl der DRI-Anlagen

Produktion DRI in Mio. t (2022)

Iran

42

32,9

Saudi-Arabien

7

6,5

Ägypten

6

5,8

Algerien

3

3,9

VAE

3

3,5

Oman

1

1,8

Katar

1

1,6

Bahrain

1

1,4

Libyen

3

1,1

Summe6758,5
Weltweite Produktion 2)

k.A.

141,0

1 Energiebasis: "grauer" Wasserstoff; 2 Angabe für 2024.Quelle: Institute for Energy Economics and Financial Analysis 2023

Wege zu nachhaltigem Stahl

Produkt des DRI-Verfahrens ist poröser Eisenschwamm, der der Stahlerzeugung zugeführt wird. In einem integrierten Hüttenwerk läge dazwischen nur ein kurzer Weg, den das noch heiße Eisen zurücklegen muss. Bei der Eisenverhüttung in der MENA-Region und dem anschließenden Transport nach Asien oder Europa für die Weiterverarbeitung bietet sich die Möglichkeit, den voluminösen Eisenschwamm zu Eisenbriketts (Hot Briquetted Iron, HBI) zu pressen. Sie müssten allerdings am Bestimmungsort erneut geschmolzen werden.

Haltbare und stapelbare Eisenbriketts sind eine mögliche Antwort auf die Herausforderung, Wasserstoff über große Entfernungen zu transportieren. Denn reinen Wasserstoffs durch ein Pipelinenetz über große Distanzen zu pumpen, erscheint derzeit noch wenig realistisch. Alternative ist nach heutigem Stand der Technik die Umwandlung zu Ammoniak, das per Tankschiff transportiert werden kann. Dem Ammoniak muss dann aber am Zielort der Wasserstoff wieder entzogen werden. Diese doppelte Umwandlung ist energieaufwändig. Erfolgt die Verwendung des Wasserstoffes vor Ort, entfällt diese Problematik.

Für Standorte wie Deutschland oder Japan bliebe bei dieser Arbeitsteilung die Konzentration auf die viel Know-how erfordernde Herstellung von Spezialstählen. Entfallen würden dann die Investitionen in DRI-Anlagen und die notwendige Wasserstoff-Infrastruktur. Andererseits entstünden neue Abhängigkeiten von Lieferanten des Vorproduktes HBI. Je mehr Bezugsquellen es dafür gibt, desto geringer ist das Risiko.

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