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Neuer Investitionsboom im mexikanischen Kfz-Sektor
Die Automobilindustrie erreicht in Mexiko wieder die Produktionszahlen von vor der Pandemie. Wichtige Trends sind der Umstieg auf Elektromobilität und Investitionen der Zulieferer.
04.09.2023
Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt
Die Automobilproduktion zieht in Mexiko spürbar an. Im 1. Halbjahr 2023 liefen im Land rund 1,9 Millionen Pkw vom Band, ein Plus von 13,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Damit ist Mexiko auf Kurs, im Gesamtjahr 2023 wieder das Produktionsniveau von vor der Pandemie von knapp 4 Millionen Pkw jährlich zu erreichen.
Mexikanische Kfz-Industrie ist stark auf die USA ausgerichtet
Die Probleme in den Lieferketten für Autoteile und die schwierige Versorgungslage mit Halbleiterchips sind weitgehend überwunden und die Hersteller freuen sich über eine kräftige Nachfrage, vor allem aus dem Ausland. Zwischen Januar und Juni 2023 wurden 82,4 Prozent der hergestellten Pkw exportiert, der größte Teil davon in die USA.
Wichtigste Automobilproduzenten im Land sind General Motors, Nissan, Stellantis, Ford, Volkswagen und Toyota. Jede dieser Firmen hat mindestens zwei Werke in Mexiko. Geografisch konzentriert sich die Industrie auf die zentrale Bajió-Region um die Bundesstaaten Aguascalientes, Jalisco, Guanajuato, San Luis Potosí und Querétaro. Auch die an die USA angrenzenden Bundesstaaten wie Coahuila und Nuevo León sind attraktiv, ebenso Estado de México und Puebla. Eine Übersicht der insgesamt 37 Automobilwerke in Mexiko bietet der Verband der Automobilindustrie AMIA.
In den vergangenen Jahren haben sich die Hersteller an die starke US-Nachfrage nach Sport Utility Vehicles (SUV), Pick-ups und Geländewagen angepasst. Dementsprechend führen nicht Klein- oder Kompaktwagen die Produktionszahlen in Mexiko an, sondern das Pick-up-Modell Toyota Tacoma (268.000 hergestellte Einheiten 2022), der General Motors Equinox SUV (222.000) und der Audi Q5 (178.000). Audi produziert das weltweite Angebot des Modells Q5 in Mexiko (Bundesstaat Puebla), mit Ausnahme eines Werks in China, das den dortigen Markt bedient.
Kfz-Produktion in Mexiko nach Hersteller (Januar - Juni 2023)
Hersteller | Einheiten |
---|---|
General Motors | 365.462 |
Nissan | 303.634 |
Stellantis | 241.453 |
Ford Motor | 182.874 |
Volkswagen | 155.638 |
Toyota | 141.508 |
KIA | 129.800 |
Andere | 372.266 |
Insgesamt | 1.892.635 |
Herstellung von Autoteilen auf Rekordkurs
Auch die Produktion von Nutzfahrzeugen (Nfz) entwickelt sich sehr dynamisch. Im 1. Halbjahr 2023 wurden in Mexiko 113.526 Nutzfahrzeuge hergestellt. Das sind 24,3 Prozent mehr als zwischen Januar und Juni des Vorjahres. Laut dem Branchenverband ANPACT lag die Produktion damit sogar 8,7 Prozent über dem Wert von 2019. Der Verband schreibt die gute Entwicklung unter anderem dem Handelsabkommen USMCA zu, das Anreize für die lokale Produktion setzt. Wichtigste Hersteller in Mexiko sind Freightliner (Werke in Coahuila und Estado de México), International (Nuevo León) und Kenworth (Baja California). Mexiko ist weltweit der viertgrößte Exporteur von Lkw, Sattelschleppern und Bussen.
Daneben festigte Mexiko 2022 seinen Platz als viertgrößter Hersteller weltweit von Kfz-Teilen mit einem Produktionsvolumen von 106,7 Milliarden US-Dollar (US$), so Angaben des Autoteileverbandes INA. Dabei wurde dank eines Anstiegs der Produktion um 12,7 Prozent ein neuer jährlicher Rekordwert erreicht. Aufgrund der weiterhin starken Entwicklung erwartet INA für 2023 ein neues Allzeithoch mit einem Produktionswert von 115,8 Milliarden US$. Zahlreiche deutsche Zulieferer sind in Mexiko vertreten, darunter Continental, ZF Friedrichshafen, Leoni, Bosch, Dräxlmaier, Schaeffler, Mahle, Brose und ThyssenKrupp.
Autobauer rüsten auf Elektromobilität um
Tesla will in den kommenden Jahren rund 5 Milliarden US$ für ein Werk in Mexiko ausgeben. Im März 2023 kündigte das US-Unternehmen den Bau einer Gigafabrik für Elektroautos im Bundesstaat Nuevo León an. Nach Fertigstellung könnte es laut Tesla die weltweit größte Produktionsstätte von Elektroautos werden. General Motors will bereits ab 2024 zwei Elektromodelle in Mexiko fertigen und rüstet dafür sein Werk im nordmexikanischen Ramos Arizpe (Bundesstaat Coahuila) für 1 Milliarde US$ um.
Auch deutsche Unternehmen investieren kräftig in Elektromobilität. BMW kündigte Anfang 2023 an, in den kommenden Jahren rund 860 Millionen US$ in das Werk im zentralen Bundesstaat San Luis Potosí zu investieren. Ab 2027 sollen dort vollelektrische Pkw der "Neuen Klasse" vom Band rollen und Hochvoltbatterien gefertigt werden. Daneben haben Volkswagen und Audi Pläne zur Fertigung von E-Autos ab 2026 in ihren jeweiligen Werken im Bundesstaat Puebla bekannt gegeben, ohne bislang konkrete Investitionszahlen zu nennen.
Große Investitionsprojekte von Kfz-Herstellern in Mexiko (Stand: August 2023)
Unternehmen | Beschreibung | Investitionen (in Mio. US$) | Anmerkung |
---|---|---|---|
Tesla | Neue Gigafactory für Elektroautos in Santa Catarina (Nuevo León) | Mindestens 5.000 | Baubeginn 2. Halbjahr 2023; kaum Details bekannt gegeben |
General Motors | Investitionen in das Werk in Ramos Arizpe (Coahuila) zur Herstellung von Elektrofahrzeugen | 1.000 | Ab 2024 sollen Modelle Chevrolet Blazer EV und Equinox EV produziert werden |
BMW | Investitionen in das Werk in San Luis Potosí zur Herstellung von Elektrofahrzeugen ab 2026 | 860 | Ankündigung im Februar 2023; beinhaltet Montagezentrum für Hochvoltbatterien |
Volkswagen | Investitionen in das Werk in Puebla bis 2025 | 763 | Ende 2022 angekündigt; beinhaltet neue Lackieranlage und Produktionslinie für neues Modell |
Nissan | Investitionen in das Werk in Aguascalientes | 700 | Mitte 2022 angekündigt; sieht unter anderem neue Produktionslinie für das Modell CVT-X AXO vor |
Kia | Investitionen in Werk in Pesquería (Nuevo León) | 408 | Ausbau der Kapazität von 250.000 auf 400.000 Fahrzeuge jährlich; Herstellung des Elektromodells EV9 und eines anderen Hyundai-Modells |
Toyota | Anpassung der Produktionslinien des Werks in Apaseo El Grande (Guanajuato) | 328 | Herstellung der vierten Generation des Modells Tacoma (hybrid) |
Stellantis | Investitionen in das Werk in Saltillo (Coahuila) | 200 | Herstellung des Elektrovans RAM ProMaster EV ab Ende 2023 |
Navistar | Ausbau des Werks in Escobedo (Nuevo León) | 120 | Angekündigt Anfang 2023, Ausbau soll bis 2026 abgeschlossen sein; jährliche Kapazität des Werks liegt bei 67.000 Nutzfahrzeugen |
Volkswagen | Investitionen in Werk in Puebla | k.A. | Herstellung von Elektrofahrzeugen ab 2026/27 |
Audi | Investitionen in Werk in San José Chiapa (Puebla) | k.A. | Herstellung einer Elektroversion des Modells Q5 ab 2026 |
Große Investitionsprojekte von Kfz-Zulieferern in Mexiko (Stand: August 2023)
Unternehmen | Beschreibung | Investitionen (in Mio. US$) | Anmerkung |
---|---|---|---|
AGP Glass | Herstellung von High-Tech-Glas in Santa Catarina (Nuevo León) | 800 | Beliefert Tesla |
Nidec | Neues Werk zur Herstellung von Antriebsmotoren für Elektroautos | 715 | Noch keine Standortentscheidung getroffen |
Citic Dicastal | Neue Produktionsanlage zur Herstellung von Aluminiumfelgen in Ramos Arizpe (Coahuila) | 550 | Phase 1 im Juni 2023 eröffnet |
Michelin | Phase 2 des Ausbaus des 2019 in León (Guanajuato) eröffneten Werks | 400 | Soll 2024 in Betrieb gehen; insgesamt sechs Ausbaustufen geplant |
Ningbo Xusheng Group | Werk zur Herstellung von Teilen für Elektroautos in Saltillo (Coahuila) | 350 | Nach acht Werken in China jetzt erstes Werk in Mexiko |
ZF Friedrichshafen | Neue Produktionsstätte und Entwicklungszentrum in Monterrey (Nuevo León) | 300 | Entwicklungszentrum für elektrische Fahrzeuge und autonomes Fahren; Bau startete im Mai 2022 |
LG-Magna e-Powertrain | Werk zur Herstellung von Elektromotoren, Invertern und Ladegeräten in Ramos Arizpe (Coahuila) | 300 | Beliefert General Motors; Produktionsstart September 2023 geplant |
ZF Friedrichshafen | Erweiterung des Werks in El Marqués (Querétaro) zur Herstellung von Bremstechnologie | 263 | Im Februar 2023 angekündigt |
Bosch | Investitionen in Werk in Aguascalientes zur Herstellung von Bremstechnologie | 258 | Beliefert unter anderem Nissan, Tesla und BMW |
Continental | Ausbau des Werks und Bau eines zweiten Werks in Las Colinas (Guanajuato) | 210 | Herstellung von Bremstechnologien und Federungssystemen |
BorgWarner | Neues Werk in San Luis Potosí zur Herstellung von Komponenten für Elektromotoren | 198 | Baubeginn Juli 2023 im Industriepark WTC 2 |
ZF Friedrichshafen | Neues Werk zur Herstellung von Wechselrichtern für Elektroautos in Ciudad Juárez (Chihuahua) | 194 | Im April 2023 angekündigt |
HL Mando | Ausbau des Werks in Arteaga (Coahuila) zur Herstellung von Bremsen | 185 | Beliefert u.a. Kia, GM, Ford, Hyundai |
ZF Friedrichshafen investiert rund 1 Milliarde US-Dollar in Mexiko
Neben den Erstausrüstern (Original Equipment Manufacturer, OEM) steigen auch die Zulieferer auf Elektromobilität um. ZF Friedrichshafen etwa investiert über einen Zeitraum von vier Jahren rund 1 Milliarde US$ in Mexiko, berichtet Alberto de Icaza, Head of External Affairs Mexico im Interview mit GTAI. Dazu zählen ein neuer Komplex in Monterrey mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum für selbstfahrende Autos, ein neues Werk in Ciudad Juárez für Elektromobilität sowie der Ausbau verschiedener Werke. "In Saltillo etwa wollen wir zukünftig keine Kupplungen für Verbrennerautos mehr herstellen, sondern elektrische Wechselrichter für Elektroautos", erklärt de Icaza. Landesweit verfügt ZF Friedrichshafen über 21 Werke, in denen Autoteile für Pkw und Nutzfahrzeuge hergestellt werden. Mit 25.000 Angestellten ist das Unternehmen der größte deutsche Arbeitgeber in Mexiko.
Auffällig ist aktuell der Andrang von Tier-1- und Tier-2-Zulieferern, die neue Werke in Mexiko hochziehen. In Nordmexiko werden bereits die Industrieflächen knapp, bekräftigt de Icaza von ZF Friedrichshafen. Nachdem die Pandemie die Anfälligkeiten der globalisierten Lieferketten offen legte, wollen viele Kfz-Hersteller ihre Zulieferer jetzt näher bei sich haben. Hinzu kommen verschärfte Ursprungsregeln für den Kfz-Sektor im Zuge des USMCA-Handelsabkommens. Dieses schreibt in der Automobilbranche einen Mindestanteil von 75 Prozent an lokaler Wertschöpfung vor, um die Zollvorteile zu erhalten. Bei ZF Friedrichshafen strebe man sogar 80 Prozent an und ermuntere wiederum die eigenen Zulieferer, ebenfalls in Mexiko zu produzieren.
Kontaktadressen
Verband der Automobilindustrie | |
Verband der Autokonzessionäre | |
Asociación Nacional de Productores de Autobuses, Camiones y Tractocamiones (ANPACT) | Verband der Nutzfahrzeughersteller |
Verband der Kfz-Teilehersteller |