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Beschaffung und Logistik in Nordafrika

Die Region Nordafrika bietet für europäische und deutsche Unternehmen attraktive Bedingungen für die Beschaffung und Produktion von Waren.

Von Michael Monnerjahn | Bonn

Die kurzen Lieferwege nach Nordafrika werden bereits von der Autobranche und der Textilindustrie intensiv genutzt. Ebenso attraktiv sind einzelne Länder für die Landwirtschaft und den Energiesektor.

In der Reihe "Neue Märkte Neue Chancen" bieten wir einen Überblick zu den wichtigsten Märkten und Branchen für Unternehmen, die aus Nordafrika Waren beschaffen möchten. Zunächst wird das Thema Beschaffung und Logistik mit Blick auf die Länder Ägypten, Algerien, Libyen und Tunesien eingeführt. Der folgende Abschnitt stellt die wichtigsten Warengruppen und Beschaffungsmärkte vor. Danach werden die logistischen Voraussetzungen sowie Freizonen der Region näher beleuchtet. Abschließend folgt ein Überblick zu Förder- und Beratungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen beim Schritt nach Nordafrika.

  • Nachbarn und Handelspartner am südlichen Mittelmeer

    Nordafrika ist durch das Mittelmeer eng mit Europa verbunden. Das Potenzial der geografischen Nähe wurde bisher von beiden Seiten nur zum Teil genutzt.

    Die Länder Nordafrikas mussten in den vergangenen Jahren vielfältige politische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen bewältigen. Das Interesse an der Region ist jedoch zuletzt deutlich gestiegen. Das zeitweilige Reißen von Lieferketten, die hohen Transportpreise und die Neubewertung politischer Risiken haben dazu geführt, sich wieder intensiver mit der Region zu beschäftigen.

    Die Diversifizierung von Lieferketten leistet aber nicht nur einen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Sie kann in der Region Nordafrika auch Motor für nachhaltiges, inklusives Wachstum und Entwicklung sein: Neue Arbeitsplätze können Menschen eine gute und sichere Beschäftigung ermöglichen. Voraussetzung hierfür ist die qualifizierte Ausbildung von Fachkräften sowie die Einhaltung von Umwelt und Sozialstandards. Deutsche Unternehmen können hierzu mit ihrem Know-how und der sorgfältigen Prüfung ihrer Lieferketten einen wesentlichen Beitrag leisten.

    Europa ist wichtigste Handelsregion für Nordafrika

    Mehr als die Hälfte der Exporte Nordafrikas gehen in die EU, lediglich 5 Prozent nach China und 6 Prozent in die USA. Die erdgas- und erdölfördernden Länder wie Ägypten, Algerien und Libyen liefern ihre Energierohstoffe zum großen Teil in den Norden. Andere Exportgüter wie landwirtschaftliche Produkte, Textilien oder elektronische Erzeugnisse werden ebenfalls hauptsächlich in die EU geliefert. Der Handel innerhalb der Region ist dagegen marginal. Die Afrikanische Union schätzt, dass lediglich 5 Prozent der Exporte in die Nachbarländer gehen und nur 8 Prozent in andere afrikanische Länder.

    Die Voraussetzungen für einen intensiveren Handel, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Region, sind jedoch gut. Die relativ junge Bevölkerung ist deutlich besser ausgebildet als die vorherige Generation, eine industrielle Produktion ist in allen Ländern vorhanden, und der Wunsch nach wirtschaftlichem Fortschritt ist groß. Bei allen Gemeinsamkeiten sind die Bedingungen in den einzelnen Ländern und für bestimmte Branchen sowie Warengruppen sehr unterschiedlich. Besonders attraktiv sind die Länder Nordafrikas derzeit für Unternehmen aus der Automobilbranche und dem Textilsektor. Ebenso sind die Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie chancenreich. Sogar die Luft- und Raumfahrtindustrie hat die Region zuletzt entdeckt.

    Die Region im Überblick

    Die fünf unmittelbar an das Mittelmeer angrenzenden Länder – Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien – verfügen mit 5,7 Millionen Quadratkilometer über eine größere Fläche als die EU. Die 216 Millionen Einwohner leben zu einem großen Teil in unmittelbarer Nähe des Mittelmeers. Dort befinden sich – mit der Ausnahme der am Nil gelegenen Megacity Kairo – die großen urbanen Räume und auch die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen.

    Mit Ägypten, Algerien und Marokko befinden sich in der Region drei der fünf größten Volkswirtschaften Afrikas. Das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt (BIP) der fünf nordafrikanischen Länder in Höhe von 886 Milliarden US-Dollar (US$) entspricht etwa dem der Schweiz. Das Handelsvolumen der Region mit Deutschland gleicht wiederum dem von Brasilien und knapp dem des wichtigsten deutschen Handelspartners in Afrika – der Republik Südafrika.

    Tunesien

    Tunesien ist mit 12,5 Millionen Einwohnern und einem BIP von 46,3 Milliarden US$ nach Libyen der kleinste Markt in Nordafrika. Gemessen an den deutschen Importen aus Tunesien ist das Land für deutsche Unternehmen jedoch der wichtigste Markt. Die Importe erreichten 2022 ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro. Die deutschen Exporte nach Tunesien beliefen sich auf 1,7 Milliarden Euro. Während jedoch das deutsch-tunesische Handelsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Viertel zulegte, hinkt die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung hinterher. Das reale BIP wächst nur noch zwischen 2 und 3 Prozent.

    Lange Zeit war Tunesien die liberalste Volkswirtschaft in der Region und siedelte erfolgreich internationale Unternehmen an. Die Demokratisierung des Landes in Folge der Revolution im Frühling des Jahres 2011 sorgte für ein weiter wachsendes Interesse an dem Land. Die tunesische Bevölkerung zeigte sich jedoch zunehmend enttäuscht von der wirtschaftspolitischen Bilanz der wechselnden Regierungen. Inzwischen herrscht der Präsident Kais Saied zunehmend autoritär und hat das ursprünglich starke Parlament durch ein von ihm initiiertes Referendum entmachtet.

    Deutsche Unternehmen investieren in beschäftigungsintensiven Bereichen

    Die tunesische Politik steht vor der Herausforderung seine bisherige Vorreiterrolle wieder zu erlangen. Dafür sind Strukturreformen notwendig, zu denen sich das Land auch in Gesprächen mit internationalen Organisationen sowie Geberländern befindet. Grundsätzlich sind diese bereit, den weiteren Reformprozess Tunesiens zu unterstützen. Die deutsche Bundesregierung hat das Land bereits in den vergangenen Jahren bei seinen Reformbemühungen unterstützt.

    Unabhängig von der derzeitigen politischen Situation ist Tunesien ein wichtiger Standort für europäische und insbesondere auch deutsche Unternehmen in Nordafrika. Insgesamt haben ausländische Unternehmen in Tunesien 33,4 Milliarden US$ investiert. Deutschland hat daran nur einen relativ kleinen aber zugleich bedeutenden Anteil. Denn während der Bestand deutscher Investitionen nur bei 251 Millionen Euro liegt, beschäftigen die 41 deutschen Unternehmen vor Ort insgesamt 50.000 Mitarbeitende in ihren Betrieben.

    Eine Sonderrolle nimmt Tunesien aktuell für den libyschen Markt ein. Schon in früheren Zeiten fanden viele Lebensmittel und Konsumgüter ihren Weg nach Libyen über Tunesien. In den vergangenen Jahren wurde das Land auch Standort für Botschaften und internationale Organisationen, die in Libyen aktiv sind. Mit der politischen Stabilisierung Libyens könnte diese Rolle geringer werden. Gleichzeitig steigen die Chancen, von Tunesien aus auch das Nachbarland Libyen wieder stärker zu beliefern.

    Marokko

    Das ganz im Nordwesten gelegene Marokko hat 37,8 Millionen Einwohner und ist nach Ägypten sowie Algerien die drittgrößte Volkswirtschaft in der Region. Die geografische Nähe zu Spanien und die Lage am Eingang zum Mittelmeer verschaffen Marokko eine Attraktivität, die es seit einigen Jahren sehr erfolgreich nutzt. Hohe Investitionen in die Infrastruktur – Häfen, Straßen und Schienenverkehr – haben das Land deutlich zugänglicher gemacht.

    Neben Unternehmen aus Spanien und Frankreich haben sich in den vergangenen zehn Jahren auch verstärkt deutsche Firmen in Marokko niedergelassen. Inzwischen ist das Königreich mit einem Bestand an ausländischen Direktinvestitionen von 72,5 Milliarden US$ der zweitwichtigste Investitionsstandort nach Ägypten. Die 93 deutschen Unternehmen, die in Marokko mit einem Bestand von 1,3 Milliarden Euro investiert sind, beschäftigen 36.000 Menschen.

    Investitionen sorgen für starkes Wachstum und hohe Exporte

    Marokko war im vergangenen Jahrzehnt mit einem durchschnittlichen Wachstum des BIP von 4,3 Prozent die Wachstumslokomotive in der Region. Die exportorientierte Industrie, die Autoteile und Autos, elektronische Erzeugnisse, Flugzeugteile und Textilien herstellt, sorgte für einen wachsenden Außenhandel. Die Mehrheit der Beschäftigten arbeitet noch immer in der Landwirtschaft. Eine Dürre kann daher weiterhin über das jährliche Auf und Ab der Wirtschaft entscheiden. Die Exportindustrie, die Investitionen in die Infrastruktur und der wachsende Dienstleistungssektor sorgen aber langfristig für einen wachsenden Wohlstand der Volkswirtschaft.

    Hinter dem wirtschaftlichen Wachstum steht eine vom König des Landes, Mohammed VI., ausgerichtete liberale Wirtschaftspolitik. Unter seiner Herrschaft wurde kräftig in die Infrastruktur investiert, der Freihandel mit der EU und den USA ausgebaut und die Industrie gefördert. Auch wurden wirtschaftliche Sonderzonen eingerichtet. Außerdem entwickelte sich das Land zum Vorreiter bei erneuerbaren Energien und baute den Tourismus kräftig aus. Das Königtum sorgt für politische Stabilität. Das hat dem Land bei der Ansiedelung von Unternehmen in jüngster Zeit geholfen.

    Während Marokko in den vergangenen Jahren den Handel mit Europa stärkte und auch nach Amerika sowie Asien erfolgreich ausbaute, blieben die wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb Nordafrikas relativ überschaubar. Dafür engagierte sich das Königreich zunehmend in den Ländern südlich der Sahara. Insbesondere in den frankophonen Ländern Westafrikas ist Marokko präsent. Dort ist vor allem der marokkanische Finanzsektor vertreten.

    Ägypten

    Ägypten ist mit 113 Millionen Einwohnern und einem BIP von 469 Milliarden US$ der größte Markt in Nordafrika. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent im vergangenen Jahrzehnt wird die Mittelschicht jedoch nicht größer. Denn derzeit wächst die ägyptische Bevölkerung jährlich um 1,8 Millionen Menschen. Einerseits ist die ägyptische Bevölkerung dadurch sehr jung – andererseits steht die Gesellschaft vor der Herausforderung, jedes Jahr ausreichend neue Arbeitsplätze zu schaffen.

    Die zweitgrößte Volkswirtschaft Afrikas hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Reformen angestoßen, aber es bedarf weiterer Schritte, um in Zukunft dynamischer zu wachsen. Die Regierung setzt bisher zu stark auf staatliche Unternehmen und lässt so relativ wenig Raum für die Privatwirtschaft. Angesichts einer wachsenden staatlichen Verschuldung wird der Handlungsspielraum für die Regierung langsam kleiner. Internationale Organisationen wie die EU und der Internationale Währungsfonds stehen jedoch bereit, Ägypten in dem Reformprozess zu unterstützen.

    Größter Investitionsstandort und attraktive Drehscheibe für den Handel

    Trotz der wachsenden Herausforderungen ist Ägypten mit einem Bestand von ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 138 Milliarden US$ der wichtigste Investitionsstandort in der Region. Aus Deutschland haben insgesamt 86 Unternehmen vor Ort investiert. Der Bestand ihrer Investitionen beläuft sich auf 897 Millionen Euro, und sie beschäftigen 33.000 Menschen in Ägypten. Im Außenhandel ist Ägypten der wichtigste Exportmarkt für deutsche Firmen in Nordafrika. Diese exportieren Waren im Wert von 4,2 Milliarden Euro und importieren Güter im Wert von 1,3 Milliarden Euro.

    Mit dem Suezkanal verfügt Ägypten über eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Mit dem Zugang zum Mittelmeer und Roten Meer eignet sich das Land als Drehscheibe für den Handel zwischen Europa und Asien. Zusätzliches Potenzial könnte sich durch eine politische Stabilisierung der Nachbarländer Libyen und Sudan ergeben. Die besondere strategische Lage will Ägypten in Zukunft durch moderne Häfen sowie attraktive Industrie- und Logistikzonen besser nutzen. Außerdem investiert es in eine moderne Eisenbahninfrastruktur, die maßgeblich mit deutscher Beteiligung entstehen soll.

    Deutsche Technologie ist in Ägypten gefragt und "Made in Germany" hat noch immer einen guten Ruf. Angesichts der enormen Nachfrage an Infrastruktur, industrieller Entwicklung und Know-how ergeben sich dadurch für deutsche Unternehmen besondere Chancen. Ein Beispiel dafür ist der Ausbau der Energieinfrastruktur in den vergangenen Jahren, an der – ähnlich wie zukünftig im Eisenbahnbereich –deutsche Unternehmen wesentlich beteiligt waren.

    Algerien

    Algerien ist mit einem BIP von 187 Milliarden US$ die zweitgrößte Volkswirtschaft Nordafrikas. Mit 45,6 Millionen Menschen ist es nach Ägypten auch das bevölkerungsreichste Land der Region. Gemessen an der Landfläche ist es mit 2,3 Millionen Quadratkilometer sogar das größte Land Afrikas. Ein Großteil der Fläche ist jedoch Wüste und praktisch menschenleer. Bei den ausländischen Direktinvestitionen liegt es mit einem Bestand von 34 Milliarden US$ nur noch knapp vor Tunesien. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen beläuft sich aktuell auf 586 Millionen Euro. Die 26 in Algerien ansässigen deutschen Unternehmen beschäftigen 5.000 Personen. Inzwischen ist Algerien mit Exporten in Höhe von 1,7 Milliarden Euro nur noch der viertwichtigste Absatzmarkt in Nordafrika. Auch bei den Importen rangiert es mit 2 Milliarden Euro nur noch auf Platz 4.

    Die Volkswirtschaft ist stark von der Förderung von Erdöl und Erdgas abhängig. Dadurch verfügt die Regierung zwar über relativ hohe Einnahmen, aber zugleich ist die Wirtschaft wenig diversifiziert. Der Staat ist nicht nur im Besitz der Energieunternehmen, sondern ist generell in fast allen Bereichen der Wirtschaft mehrheitlich beteiligt. Der Privatsektor ist dadurch relativ klein. Ausländische Unternehmen können bisher nur Minderheitsanteile an Unternehmen in Algerien erwerben.

    Libyen

    Nach mehr als einem Jahrzehnt der politischen Instabilität ist Libyen mit einem BIP von 41 Milliarden US$ nur noch die kleinste nordafrikanische Volkswirtschaft. Beim BIP-pro-Kopf liegt es mit rund 6.000 US$ zwar noch vorne, aber die Sonderrolle, welche das Land auf Grund der großen Erdölreserven hatte, hat es zuletzt eingebüßt. Libyen ist praktisch in zwei Teile gespalten, und die rivalisierenden Gruppen können sich nicht auf ein landeseinheitliches System einigen.

    Der lange Weg zur Stabilität

    Trotz dieser politischen Schwierigkeiten hat sich das Land soweit stabilisiert, dass es wieder durchschnittlich 1,2 Millionen Barrel Erdöl pro Tag fördern kann. Außerdem haben erste internationale Energieunternehmen angekündigt, wieder in neue Projekte zu investieren. Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen beläuft sich aktuell auf 18,5 Milliarden US$.

    Die fünf deutschen Unternehmen, die nach Angaben der Deutschen Bundesbank in Libyen investiert haben, verfügen lediglich über einen Bestand in Höhe von 46 Millionen Euro. Bei den Einfuhren – fast ausschließlich Erdöl – ist Libyen trotzdem der wichtigste Handelspartner.

    Deutschland importierte im Jahr 2022 Erdöl im Wert von 3,6 Milliarden Euro aus Libyen und liefert Waren im Wert von 534 Millionen Euro. Damit ist Libyen in Nordafrika zwar inzwischen der kleinste Absatzmarkt, aber in Gesamtafrika immer noch einer der größten Exportmärkte für deutsche Unternehmen.

    Von Michael Monnerjahn | Bonn

  • Die wichtigsten Warengruppen für die Beschaffung

    Einige Unternehmen betrachten Nordafrika seit Jahrzehnten als Beschaffungsmarkt. In Tunesien investierten die ersten deutschen Hersteller von Elektroerzeugnissen bereits in den 1970er Jahren in den Aufbau von Produktionsstätten. Auch Textilien werden in Nordafrika schon seit langer Zeit für den deutschen und europäischen Markt hergestellt. Darüber hinaus spielt die Region bei der Gewinnung sowie Lieferung von Rohstoffen, wie etwa Erdgas und Erdöl, eine Rolle.

    Politische Reformen und Ausbau der Infrastruktur erhöhen die Attraktivität

    Die unterbrochenen Lieferketten in Folge der Coronapandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben jedoch ein verstärktes Interesse an der Region geweckt. Aber auch mittel und langfristige Entwicklungen haben einzelne Länder attraktiver gemacht. Politische Reformen und der Ausbau der Infrastruktur haben die Bedingungen für Unternehmen vor Ort verbessert.

    Äußere und innere Faktoren lassen die Region neu bewerten. Dies hat bei einigen Unternehmen bereits vor einigen Jahren angefangen. In Marokko hat sich das bereits beim Bestand der deutschen Direktinvestitionen ausgewirkt. Die deutschen Investitionen in Marokko versechsfachten sich etwa zwischen 2015 und 2018. Das Königreich im äußersten Nordwesten des Kontinents hat in der jüngsten Vergangenheit vor allem Unternehmen aus der Automobilbranche in den Blick genommen. Aber auch die Luft- und Raumfahrtindustrie hat den Standort inzwischen für sich entdeckt.

    Die einzelnen nordafrikanischen Länder werden sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter ausdifferenzieren. Momentan ist das Lohnniveau zwar noch relativ ähnlich, aber bei der Infrastruktur und der demographischen Entwicklung gibt es schon jetzt recht starke Unterschiede. Das Wachstum der Bevölkerung hat sich in Tunesien schon auf weniger als 1 Prozent abgeschwächt. In Ägypten wächst die Bevölkerung jährlich um mehr als 1,5 Prozent.

    Der weitere Erfolg der nordafrikanischen Länder als Ort für die Beschaffung und Produktion wird davon abhängen, inwiefern es ihnen gelingt, ihre Standortqualitäten weiter zu steigern. Mit Hilfe weiterer politischer sowie rechtsstaatlicher Reformen sowie einer besseren Infrastruktur könnte die Region in Zukunft einen deutlich größeren Anteil der globalen Lieferketten erlangen.

    Automobil- und Elektroindustrie

    Die Automobilindustrie produziert seit den 1970er Jahren in Nordafrika Komponenten für den Export nach Europa. Die ersten Zulieferfirmen eröffneten in Tunesien ihre Niederlassungen. Eines der ersten deutschen Unternehmen in Tunesien war mit Leoni im Jahr 1977 ein Hersteller von Draht, Kabel und Bordnetzsystem. Diese Waren sind auch knapp fünf Jahrzehnte später noch die wichtigsten Exportgüter des Landes. Tunesien öffnete sich erfolgreich für den Privatsektor und warb um ausländische Unternehmen, vor Ort für den Export zu produzieren. Weitere liberale Reformen und Handelsabkommen mit Europa sowie die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation folgten.

    Drittgrößter afrikanischer Exportmarkt in der Autobranche

    Inzwischen zählt der tunesische Branchenverband der Automobilindustrie, die Tunisian Automotive Association (TAA) 260 Unternehmen, die sich in Tunesien angesiedelt haben. Darunter sind vor allem ausländische Unternehmen, aber auch eine Reihe von nationalen Unternehmen. Insgesamt beschäftigt die Branche 90.000 Angestellte. Neben Marokko und Südafrika gehört Tunesien zu den größten Exportmärkten im Automobilbereich. Ein Großteil der Unternehmen ist im Norden des Landes angesiedelt.

    Durch regelmäßige Fährverbindungen können die tunesischen Produktionsstätten die europäischen Märkte schnell beliefern. Neben elektronischen Komponenten, welche den größten Anteil am Export haben, werden in Tunesien auch Kunststofferzeugnisse sowie Leder und Textilstoffe für die Autoindustrie hergestellt. Darüber hinaus versucht sich Tunesien auch als Standort für das Design und die Entwicklung im Automobilsektor zu etablieren. Der Schwerpunkt bildet jedoch noch immer die arbeitsintensive Herstellung von Industrieprodukten. Tunesien verfügt über eine vergleichbar gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft.

    Marokko hatte bereits in den 1960er Jahren mit dem Aufbau einer Automobilproduktion begonnen. Doch in den folgenden zwei Jahrzehnten ging die Produktion vor Ort kontinuierlich zurück, und auch Zulieferfirmen siedelten sich nicht im nennenswerten Umfang an.

    Neue Regeln und Gesetze sorgten für Boom

    Erst ein neues Abkommen Mitte der 1990er Jahre sorgte in Marokko für einen neuen Impuls. Obwohl das von Fiat gebaute Modell nur einen Anteil von 25 Prozent an lokaler Produktion vorsah, siedelten sich erste Zulieferunternehmen aus Europa, Asien und Amerika an. Die Unternehmen hatten jedoch nicht nur die Zulieferung für die lokale Produktion im Blick, sondern richteten ihr Augenmerk auf die Produktion von Komponenten und Teilen für den Export. Marokko intensivierte außerdem die Gespräche mit Europa und den USA über Freihandel. Diese führten schließlich zu einem Freihandelsabkommen mit der EU im Jahr 2000 und einem mit den USA im Jahr 2006.

    Der freie Warenhandel und zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur dürften die Entscheidung des französischen Automobilherstellers Renault erleichtert haben, Ende 2005 mit der Produktion von Autos der Marke Dacia in Marokko zu beginnen. Die positiven Erfahrungen Renaults führten schließlich zur Investition des Unternehmens in Tanger in einem Umfang von 600 Millionen Euro. Dadurch stieg die Produktionskapazität in Marokko auf rund 230.000 Autos, womit das Königreich nach Südafrika zum größten Automobilproduzenten Afrikas wurde. Neben Renault produziert inzwischen auch der zweite französische Autokonzern Stellantis in Marokko.

    Südeuropäische Unternehmen sind Vorreiter

    Parallel siedelten sich seit der Jahrtausendwende schrittweise immer mehr Zulieferbetriebe an, die von Marokko aus die europäischen Märkte mit Komponenten bedienten. In der Mehrzahl französische und spanische Unternehmen, welche Produktionsstätten auf der iberischen Halbinsel belieferten, aber zunehmend auch Unternehmen aus Deutschland, Italien sowie außereuropäische Hersteller. Inzwischen sind in Marokko mehr als 250 Unternehmen im Automobilbereich vor Ort aktiv. Die wichtigsten Produktionsstätten befinden sich in Tanger, Casablanca und Kenitra. Die Unternehmen beschäftigen über 200.000 Angestellte und exportierten 2022 Kraftfahrzeuge und Teile im Wert von 10,4 Milliarden Euro. Die Produktionskapazität der Fabriken von Renault und Stellantis liegt derzeit bei rund 700.000 Autos im Jahr. Damit übertrifft die marokkanische Produktionskapazität die der Republik Südafrika. Neben der Produktion bietet Marokko auch Teststrecken und Entwicklungskapazitäten für die Automobilindustrie an.

    Es gibt inzwischen mehrere Universitäten beziehungsweise Fachhochschulen, welche Personal für die Autoindustrie ausbilden. Außerdem unterstützt die Regierung den Aufbau einer einheimischen Automarke mit dem Namen Neo. In Ägypten und Algerien werden zwar ebenfalls Autos hergestellt, aber eine umfassende Zulieferindustrie wie in Marokko und Tunesien hat sich bisher nicht entwickelt. Die Produktion ist auf den einheimischen Markt ausgerichtet.

    Textilien und Bekleidung

    Die Herstellung von Textilien und Bekleidung ist für Nordafrika seit mehreren Jahrzehnten ein wichtiger Industriezweig. Neben der Produktion für den heimischen Bedarf richtet sich die Industrie außerdem auf den Export nach Europa und teilweise auch in die USA aus. Während Marokko und Tunesien vor allem in die EU exportieren, liefert Ägypten einen Großteil seiner Produktion in die USA. Die EU importiert aus Nordafrika Textilien und Bekleidung im Wert von 5,5 Milliarden US-Dollar (US$).

    Marokko hat seit den 1960er Jahren die Textilindustrie gefördert. Derzeit werden im Königreich jährlich rund 1 Milliarde Textilien hergestellt. Die etwa 1.600 Unternehmen der Textilwirtschaft beschäftigen rund 200.000 Mitarbeitende. Allerdings spielt in Marokko auch noch der informelle Sektor eine Rolle, weshalb die Anzahl der Beschäftigten nur geschätzt werden kann. Der Textilverband Association Marocaine des Industries du Textile et de l’Habillement plant bis 2035 die Exporte zu verdoppeln.

    Spanische Unternehmen nutzen regionale Nähe

    Aus dem Ausland sind besonders spanische Unternehmen stark vertreten. Die großen spanischen Bekleidungsunternehmen wie Inditex oder Mango stellen bis zu einem Zehntel ihrer Produkte in Marokko her. Mango hat etwa 2020 bekanntgegeben, dass es in Marokko in 68 Fabriken produzieren lässt. Die Unternehmen können aus Marokko heraus sehr schnell die europäischen Märkte bedienen.

    Tunesiens Textilwirtschaft umfasst rund 1.800 Unternehmen und beschäftigt etwa 180.000 Personen. Die wichtigsten Abnehmerländer sind Frankreich, Italien und Deutschland. Bei einzelnen Warengruppen, wie etwa Herrenanzügen, ist Deutschland sogar der wichtigste Absatzmarkt für tunesische Textilien. Auch deutsche Hersteller von Hemden produzieren bereits seit einige Jahrzehnten in Tunesien. Ägypten ist das einzige Produktionsland in Nordafrika, das auch über eigene Baumwolle verfügt. Ein Großteil der Naturfaser wird vor Ort weiterverarbeitet. Insgesamt beschäftigt die Branche über eine Million Angestellte. Während Spinnereien und Webereien zu etwa 90 Prozent in staatlichem Besitz sind, ist die Bekleidungsindustrie größtenteils in privater Hand. Insgesamt sind in der Textilwirtschaft knapp 5.000 Unternehmen tätig.

    Landwirtschaft und Nahrungsmittel

    Nordafrika gehört zu den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen der Welt. Wasserknappheit und Dürren waren schon in der Vergangenheit ein Thema. Doch obwohl die meisten Länder einen großen Teil ihrer Lebensmittel importieren müssen, sind sie auch als Exporteure aktiv. Insbesondere in der Wintersaison können die nordafrikanischen Länder landwirtschaftliche Produkte liefern, die in Europa stark nachgefragt sind. Dazu gehören Gemüse, Kartoffeln und Früchte. Die beiden größten Produzentenländer für landwirtschaftliche Exportgüter sind Ägypten und Marokko. Die Landwirtschaft beschäftigt in den meisten Ländern Nordafrikas die größte Anzahl von Menschen und auch die wirtschaftliche Bedeutung ist mit einem Anteil von 10 bis 15 Prozent groß.

    Kurze Lieferwege für Gemüse und Früchte

    Ägypten ist bei Zitrusfrüchten mengenmäßig sogar der größte Exporteur der Welt. Insgesamt exportiert Ägypten landwirtschaftliche Produkte im Wert von 3,5 Milliarden US$. Neben Zitrusfrüchten im Wert von rund 1 Milliarde US$ waren Kartoffeln mit einem Exportwert von 250 Millionen Euro ebenfalls von Bedeutung. Sowohl europäische Länder als auch asiatische und insbesondere arabische Länder sind wichtige Absatzmärkte für Ägypten. Außerdem führt das Land Nahrungsmittel im Wert von 1,8 Milliarden US$ aus. Ein Großteil der Nahrungsmittel geht in arabische Länder oder auch nach Afrika.

    Marokko exportiert ebenfalls landwirtschaftliche Produkte im Wert von 3,5 Milliarden US$. Mit der Ausnahme von Zitrusfrüchten und einigen gefrorenen Gemüse gelangt der gesamte Export nach Europa. Die europäischen Zielmärkte können sowohl per Schiff als auch per Lkw innerhalb von wenigen Tagen erreicht werden. Das wichtigste Exportgut sind Tomaten im Wert von 850 Millionen US$. Es folgen Früchte und Zitrusfrüchte. Auch Gemüse und Bohnen werden in größeren Mengen nach Europa exportiert. Beim Export von Nahrungsmittel ist Marokko mit einem Wert von 2,2 Milliarden US$ führend. Das wichtigste exportierte Nahrungsmittel ist Fisch im Wert von 776 Millionen Euro.

    Tunesien ist ein deutlich kleinerer Produzent von Agrarprodukten und Lebensmitteln. Es exportiert lediglich landwirtschaftliche Produkte im Wert von 450 Millionen US$ und Nahrungsmittel im Wert von 150 Millionen US$. Bei Olivenöl ist Tunesien jedoch mit einem Exportwert von 861 Millionen US$ weltweit der drittgrößte Lieferant nach Spanien und Italien.

    Energie, Energierohstoffe und Wasserstoff

    Nordafrika ist für Europa ein wichtiger Lieferant von Erdgas und Erdöl. In Zukunft könnte Nordafrika auch erhebliche Mengen an Strom und Wasserstoff liefern. Der Anteil Nordafrikas an der weltweiten Produktion ist mit 4,5 Prozent beim Erdgas und 3,7 Prozent beim Erdöl insgesamt relativ klein. Für die Versorgung mit Erdöl und Erdgas ist Nordafrika jedoch trotzdem wichtig. Etwa 8 Prozent seines Bedarfs an Erdgas und Erdöl importiert Europa bisher aus Nordafrika. Dieser Anteil könnte in den kommenden Jahren erheblich ansteigen.

    Algerien ist bisher beim Erdgas das wichtigste Lieferland für Europa. Weltweit verfügt das Land über die zehntgrößten bekannten Erdgasvorkommen. Es exportierte 2021 34,9 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa. Das entsprach knapp einem Fünftel der von Russland gelieferten Erdgasmenge in dem Jahr. Die Exportkapazität der Erdgaspipelines nach Europa liegt jedoch bei 60 Milliarden Kubikmeter.

    Ägypten hat nach Algerien die größten bekannten Erdgasvorkommen. Davon wird aber bisher nur ein relativ kleiner Anteil nach Europa exportiert. Wichtiger könnte dagegen in Zukunft Libyen werden, das zwar nur über kleinere Vorkommen verfügt, aber in den nächsten Jahren die Produktion deutlich ausbauen will.

    Erneuerbare Energien bieten neue Exportmöglichkeiten

    Während momentan der Export von Erdöl und Erdgas im Energiebereich dominiert, wird in den kommenden Jahren die Ausfuhr von Strom und Wasserstoff deutlich wichtiger werden. Nordafrika bietet für die Fotovoltaik und an den Küstenregionen auch für die Windenergie sehr gute Voraussetzungen. Besonders Ägypten und Marokko haben ihre Kapazitäten für erneuerbare Energien zuletzt ausgebaut. Außerdem haben eine Reihe von internationalen Unternehmen angekündigt, in Nordafrika größere Kapazitäten für grüne Energien und die Herstellung von Wasserstoff aufzubauen.

    Sobald einzelne nordafrikanische Länder ihren eigenen Bedarf mit erneuerbaren Energien abdecken können, wird der Stromexport nach Europa für beide Seiten sehr attraktiv. Die Entstehungskosten für Solarstrom sind in Nordafrika deutlich günstiger als in Mitteleuropa, weshalb der Export neue Einnahmemöglichkeiten bieten wird.

    Die Produktion von Wasserstoff und anderen chemischen Grundstoffen wie Ammoniak wird zusätzliche Möglichkeiten der industriellen Produktion und Wertschöpfung in Nordafrika schaffen. Sowohl Deutschland als auch die EU initiieren derzeit entsprechende Projekte, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) setzt beispielsweise ein Projekt zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Tunesien um. Die Bedeutung Nordafrikas für die Energieversorgung Europas könnte in Zukunft also sogar noch zunehmen.

    Von Michael Monnerjahn | Bonn

  • Drehscheiben für den Handel vor Ort und die Welt

    Der Logistiksektor Nordafrikas hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Der Ausbau verlief jedoch in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich.

    Auf dem afrikanischen Kontinent können Transportkosten bis zu viermal so hoch sein wie in Europa, Nordamerika oder Asien – nicht jedoch in Nordafrika. Marokko ist nicht nur geografisch lediglich 14 Kilometer von Europa entfernt, sondern erreicht mit seinem Hafen Tanger Med internationales Niveau bei der Seefracht. Ägypten ist seit langem der größte nordafrikanische Markt. Entsprechend lange und gut sind deutsche Unternehmen aus der Logistikbranche vor Ort vertreten. Zuletzt wurden auch größere Investitionen, etwa durch DB Schenker in Umschlagplätze und Hapag-Lloyd an Hafenterminals bekannt gegeben.

    Marokkos Transportsektor entwickelt sich dynamisch. In den vergangenen Jahren ist das Königreich als Absatzmarkt sowie als Investitionsstandort bedeutender geworden. Auch deutsche Logistikunternehmen wie DHL, Hapag-Lloyd, Kühne + Nagel und Rhenus, haben ihre Präsenz in Marokko zuletzt verstärkt. Sowohl in Marokko als auch in Tunesien gibt es zahlreiche Unternehmen, die Lieferungen Just-in-Time über das Mittelmeer organisieren. Tunesien bietet einen schnellen Frachtverkehr nach Italien, und die Anbindung im Land ist gut. In Algerien sind ebenfalls deutsche Logistikunternehmen vor Ort oder haben enge Kooperationspartner. Allerdings gibt es bisher wenige deutsche Firmen, die vor Ort für den europäischen Markt produzieren. Die Anbindung ist deshalb nicht so dicht wie in Tunesien oder Marokko.

    Häfen wollen mehr als Logistik anbieten

    Ägypten und Marokko profitieren jeweils von ihrer geografischen Lage. Marokko bildet gemeinsam mit Spanien den Eingang zum westlichen Mittelmeerraum. Ägypten bietet wiederum mit dem Suezkanal den Zugang zum östlichen Mittelmeer. Beide Länder nutzen ihre Position, um auch ein attraktiver Umschlagplatz für die rege Schifffahrt zu sein. Dazu gehören eine moderne Hafeninfrastruktur sowie industrielle Zonen, die neben Logistikdienstleistungen auch die Produktion von Waren ermöglichen. Die Häfen sind für alle nordafrikanischen Staaten von zentraler Bedeutung. Über sie wird der Großteil des Außenhandels – oft über 95 Prozent – abgewickelt. Lediglich der Export von Erdgas kann zu einem wesentlichen Teil mit Europa auch durch Pipelines abgewickelt werden. Während die Häfen im Westen und Osten des Mittelmeers jeweils internationale Standards erreichen oder dabei sind, diesen zu erreichen, sieht es in den Ländern dazwischen recht unterschiedlich aus.

    Algerien und Tunesien benötigen weitere Investitionen

    Der Hafen in Algier befindet sich in einem Ranking der Weltbank – dem Global Ranking of Container Ports – lediglich auf Rang 306 von 370, während der marokkanische Tanger Med auf Platz 6 und der ägyptische Port Said auf Platz 15 in diesem Ranking landet. Allgemein dauert der Umschlag der Container in Algerien länger als in den modernen Häfen von Ägypten und Marokko. In Tunesien haben mangelnde Investitionen im vergangenen Jahrzehnt die Leistung der Häfen zurückfallen lassen.

    Die Häfen in Algerien und Tunesien haben nicht nur bei den Investitionen Defizite. Sie profitieren auch nicht von dem Know-how-Transfer durch weltweit tätige Reedereien, wie Hapag-Lloyd und Maersk, die sich in Ägypten und Marokko teilweise an Terminals beteiligen. Die libyschen Häfen leben praktisch seit über einem Jahrzehnt von der Substanz.

    Straßen genießen Priorität bei Investitionen

    Während im Außenhandel der Schiffsverkehr dominiert, ist es im Binnenhandel die Straße, über die meist deutlich mehr als 90 Prozent des Handels abgewickelt wird. Die Gesamtlänge der befestigten Straßen Nordafrikas ist mit 231.000 Kilometer nur gut ein Drittel so lang wie das deutsche Straßennetz. Über das längste Straßennetz verfügt das größte Land der Region, Algerien. Darauf folgt Marokko, dessen Straßennetz auf den Hauptverkehrsadern gut ausgebaut ist. Die Strecke von der nördlichen Hafenstadt Tanger über Kenitra, Rabat, Casablanca und Marrakesch nach Agadir ist modern und bietet eine schnelle Verbindung. Das Gleiche gilt für die Straße von Rabat am Atlantik nach Osten über Fes bis zur algerischen Grenze nach Oujda. Weniger gut ist die Anbindung der Regionen außerhalb dieser Hauptachsen des Landes.

    Die wichtigste Verbindung in Algerien verläuft in der Nähe der Küste von Ost nach West. Die bisher kostenlose Autobahn soll im Verlauf des Jahres 2023 in eine mautpflichtige Straße umgewandelt werden. Kurz vor der Fertigstellung ist eine Verbindung durch die Sahara Richtung Süden: Eine über 5.000 Kilometer lange Straße soll in Zukunft Algier mit der nigerianischen Stadt Lagos verbinden. Tunesien verfügt als kleinstes Land der Region über das kürzeste, aber zugleich auch dichteste Straßennetz. Derzeit wird ein Teil der Straßeninfrastruktur mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank erneuert. Die wichtigste Straßenverbindung in Libyen verläuft entlang der Küste in Ost-West-Richtung. Der jahrelange Bürgerkrieg macht Investitionen praktisch unmöglich und verhindert außerdem einen landesweiten Straßenverkehr.

    Ägypten hat ein stetig wachsendes Straßennetz. Allein seit 2014 sind im Rahmen eines nationalen Infrastrukturprogramms 7.000 Kilometer erneuert oder neu gebaut worden. Nach Ansicht des World Economic Forum verfügt Ägypten inzwischen über die beste Straßenqualität in Afrika. Entlang des Niltals und zwischen den großen Häfen im Norden ist ein schneller Gütertransport per Straße möglich.

    Mit Hochgeschwindigkeit in die moderne Bahninfrastruktur

    Der Schienenverkehr spielt in den meisten nordafrikanischen Ländern bisher eher eine nachrangige Rolle. Für den Transport von bestimmten Rohstoffen sind die Eisenbahnstrecken zwar von großer Bedeutung, aber der Anteil der Eisenbahn am gesamten Transportvolumen liegt unter 10 Prozent. In Ägypten liegt der Anteil der Schiene sogar noch unter 5 Prozent, aber das Transportministerium will das auf Schienen transportierte Volumen an Waren bis 2025 auf 25 Millionen Tonnen verfünffachen. Die ägyptische Regierung will dazu die Häfen besser mit dem Großraum Kairo verbinden und vor allem die Umschlagmöglichkeiten in den Städten verbessern.

    Neben dem Güterverkehr wird auch kräftig in den Passagierverkehr investiert. Ein internationales Konsortium um Siemens Mobility soll bis 2025 in einem ersten Schritt eine 660 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke vom Roten Meer bis nach Alexandria am Mittelmeer fertigstellen. Das umfasst neben dem Bau der Gleise auch die Gleistechnik, die Elektrifizierung und die Züge. Insgesamt sollen dann 2.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken entstehen. Eine Tochter der Deutschen Bahn soll wiederum für den Betrieb des neuen Schienennetzes sorgen.

    Das erste Hochgeschwindigkeitsnetz Afrikas hat jedoch Marokko verwirklicht. Im ersten Abschnitt mit einer Länge von 323 Kilometer von Tanger nach Casablanca kommt auf den Gleisen französische Technologie zum Einsatz. Der Zug Al-Boraq hat eine Geschwindigkeit von bis zu 350 Kilometer pro Stunde. Bis 2040 soll ein Hochgeschwindigkeitsnetz mit einer Länge von insgesamt 1.300 Kilometer entstehen. Algerien setzt ebenfalls auf den Ausbau seines Eisenbahnnetzes, aber zunächst auf den Passagier- und Güterverkehr mit normaler Geschwindigkeit. Das bisherige Streckennetz von rund 4.000 Kilometer soll bis Ende 2023 auf zunächst 6.500 Kilometer; bis 2030 sogar auf 12.500 Kilometer ausgebaut werden. Die ersten neuen Züge von Alstom fahren bereits an der Küste zwischen den Städten Algier und Oran. Im Süden soll die 800 Kilometer von der Küste entfernte Eisenerzmine Gara Djebilet angeschlossen werden.

    Tunesien hat im Schienenverkehr ein vergleichsweise dichtes Netz. Bis 2040 sollen insgesamt 8,5 Milliarden Euro in den Schienenverkehr investiert werden, um vor allem den Stadt- und den Regionalverkehr auszubauen. Ein Land ganz ohne Schienenverkehr ist seit 1965 Libyen.

    Von Michael Monnerjahn | Bonn

  • Freizonen locken ausländische Unternehmen

    Die Freizone Tanger-Med ist ein entscheidender Faktor für ausländische Unternehmen, sich in Marokko anzusiedeln. Dabei schauen die Investoren nicht nur auf Zölle und Steuern, sondern vor allem auch auf eine gut funktionierende Infrastruktur. Freizonen sind Gebiete, in denen Unternehmen von Zöllen und Steuern des betreffenden Landes befreit sind. Art und Umfang der Befreiungen werden von den Regierungen per Dekret festgelegt. Die Betreiber der Zonen haben zusätzlich einen gewissen rechtlichen Spielraum, weitere Vergünstigungen anzubieten.

    In den Freizonen werden Exportwaren gelagert, weiterverarbeitet und veredelt. Marokko hat 12 Freizonen, die seit 2019 industrielle Beschleunigungszonen genannt werden. Die Umbenennung macht deutlich, dass Unternehmen vor allem von guter Infrastruktur in den Gebieten profitieren. Tanger-Med punktet mit moderner Hafeninfrastruktur und Spezialisierung der Zone. Dort hat sich der Automobilhersteller Renault angesiedelt – und mit ihm zahlreiche Zulieferer aus dem Automobilsektor. Über den angrenzenden Hafen gelangt die Ware auf den EU-Markt. In einem Ausbildungszentrum vor Ort werden Fachkräfte für die Automobilindustrie ausgebildet.

    Andere Freizonen in Marokko und Nordafrika versuchen an diese Erfolge anzuknüpfen. Ägypten setzt seit knapp einem Jahrzehnt auf Entwicklungszonen am Suezkanal. Es bestehen bereits Häfen und kombinierte Industrie- und Freizonen. Große Ankerinvestitionen wie in Marokko sind bisher nicht gelungen. Zuletzt wurden jedoch mehrere Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien verkündet. Auch ein neues Logistikzentrum samt zentraler Zollplattform ist geplant. Durch Zentralisierung und automatisierte Prozesse sollen Waren schneller freigegeben und der Handel in der Region gesteigert werden. Das könnte den Freizonen am Suezkanal Rückenwind geben.

    Von Michael Monnerjahn | Bonn

  • Förder- und Beratungsmöglichkeiten

    Deutsche Unternehmen werden beim Schritt nach Nordafrika durch vielfältige Angebote der Bundesregierung unterstützt.

    Agentur für Wirtschaft & Entwicklung (AWE)

    Die AWE berät im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) deutsche und europäische Unternehmen zu Angeboten der Entwicklungszusammenarbeit, die in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren oder sich dort engagieren wollen.

    www.wirtschaft-entwicklung.de


    Auslandshandelskammern (AHK)

    Das weltweite Netzwerk der deutschen AHK berät, betreut und vertritt weltweit deutsche Unternehmen, die ihr Auslandsgeschäft auf oder ausbauen wollen. Es wird anteilig durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

    www.ahk.de


    Auslandsvertretungen

    Die Auslandsvertretungen der Bundesregierung stellen Informationen bereit und stehen deutschen Unternehmen bei ihren Aktivitäten im Gastland zur Seite.

    www.auswaertiges-amt.de/auslandsvertretungen


    Business Scouts for Development

    Business Scouts beraten an Handelskammern wie auch bei Wirtschaftsverbänden im In- und Ausland zu Fördermöglichkeiten. Sie eröffnen Marktzugänge und initiieren und begleiten nachhaltige Kooperationsprojekte mit Wirtschaftspartnern vor Ort.

    www.bmz.de/bsfd


    Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

    Die GIZ vermittelt den Zugang zu internationalen sowie lokalen Netzwerken. Sie bietet Fachexpertise zu innovativen Geschäftsmodellen, nachhaltigem Lieferkettenmanagement und zur Umsetzung von Umwelt wie sowie Sozialstandards.

    www.giz.de


    Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)

    Die DEG bietet langfristige Finanzierungen für Investitionsprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern, fördert Machbarkeitsstudien und finanziert investitionsbegleitende Maßnahmen.

    www.deginvest.de


    develoPPP

    Mit dem Förderprogramm develoPPP stellt das BMZ Unternehmen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern investieren, finanzielle und fachliche Unterstützung bereit. Dabei trägt das BMZ bis zu 50 Prozent der Projektkosten.

    www.developpp.de


    Exportkreditgarantien

    Im Auftrag des BMWK vergibt die Euler Hermes AG staatliche Exportkreditgarantien für Waren und Dienstleistungsexporte. Diese sichern wirtschaftliche und politische Risiken eines Zahlungsausfalls wirksam ab.

    www.agaportal.de


    Förderdatenbank Entwicklungsländer

    Informationen zu Förderprogrammen des Bundes, der Länder und der Europäischen Union (EU) finden Sie in der Förderdatenbank der AWE.

    www.foerderdatenbank-entwicklungslaender.de


    Import Promotion Desk (IPD)

    Das IPD bildet ein Scharnier zwischen kleinen und mittleren Unternehmen in ausgewählten Entwicklungs- und Schwellenländern und europäischen Importeuren. Das IPD unterstützt beim gesamten Beschaffungsprozess, unter anderem in Ägypten, Marokko und Tunesien.

    www.importpromotiondesk.de


    Investitionsgarantien

    Im Auftrag der Bundesregierung bearbeitet die PricewaterhouseCoopers GmbH WPG staatliche Investitionsgarantien. Diese sichern förderungswürdige Direktinvestitionen wirksam gegen politische Risiken ab.

    www.investitionsgarantien.de


    KfW Entwicklungsbank

    Unternehmen können sich als Exporteur von Lieferungen und Leistungen oder als Berater an Entwicklungsprojekten beteiligen. Über das Teilnahmeverfahren informiert die KfW Entwicklungsbank.

    www.kfw-entwicklungsbank.de


    lab of tomorrow

    In einem kreativen Prozess entwickeln Unternehmen gemeinsam mit lokalen Partnern innovative Geschäftsideen als Lösung für die Herausforderungen eines Entwicklungs- oder Schwellenlandes.

    www.lab-of-tomorrow.com


    leverist.de

    Auf der Matchmaking Plattform können Unternehmen Geschäftsmöglichkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern entdecken. Experten vor Ort beraten sie dabei zielgerichtet zu möglichen Partnerschaften.

    www.leverist.de


    Lieferkettensorgfaltspflichten

    Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der AWE berät Unternehmen im Auftrag der Bundesregierung zu Umsetzungsaspekten des seit 2023 geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes.

    www.wirtschaft-entwicklung.de/wirtschaft-menschenrechte/


    Germany Trade & Invest

    (GTAI) informiert über Projekte und Ausschreibungen für Consulting, Lieferungen oder Bauleistungen, die von internationalen Institutionen finanziert werden.

    www.gtai.de/projekte-ausschreibungen


    sequa gGmbH

    Zu den Schwerpunkten der sequa gehören berufliche Bildung und Capacity Building für Kammern und Verbände. Sie fördert unter anderem Verbandspartnerschaften sowie Berufsbildungspartnerschaften.

    www.sequa.de


    Wirtschaftsnetzwerk Afrika 

    Das Wirtschaftsnetzwerk Afrika bietet deutschen Unternehmen, die in Afrika wirtschaftlich aktiv werden wollen, ein umfassendes Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot.

    www.wirtschaftsnetzwerk-afrika.de

    Von Michael Monnerjahn | Bonn

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