Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Polen | Chemische Industrie

Branchenstruktur

Nach Übernahmen großer Unternehmen hat der Mineralölkonzern Orlen eine dominante Marktposition erreicht. Die Stickstoffgruppe Azoty folgt auf Platz zwei.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Polen hat eine bedeutende eigene Chemieindustrie einschließlich Petrochemie. Für deutsche Firmen ist das Land daher auch ein zunehmend wichtiger Beschaffungsmarkt. Für weitere Kapazitätssteigerungen sind allerdings zusätzliche Investitionsgüter erforderlich. Auch die deutschen Exporte chemischer Erzeugnisse nach Polen im Wert von 10,8 Milliarden Euro 2022 sind beträchtlich (+12,1 Prozent gegenüber 2021).

Orlen dominiert die Branche

Der inzwischen in mehreren Bereichen aktive inländische Mineralölkonzern Orlen hat eine beherrschende Marktstellung erlangt. Im 2. Halbjahr 2022 schloss er die Übernahme seines kleineren Konkurrenten Grupa Lotos und der Polnischen Erdölförderung und Gaswirtschaft PGNiG S.A. (Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo) ab. Bei Kunstdünger hat die Stickstoffgruppe Azoty eine dominante Position. 

Das Chemieunternehmen Ciech erwirbt die Kulczyk Investments Chemistry im Herbst 2023 vollständig, die es von der Börse nehmen will. Teil der globalen Entwicklungspläne für Ciech sind Übernahmen anderer Unternehmen. Ciech hat bereits in Deutschland ein eigenes Sodawerk in Stassfurt. Der Fonds Ciech Ventures beteiligt sich an der Finanzierung von Start-ups wie etwa EcoBean. Dieses Start-up verarbeitet Kaffeesatz zu weiter verwendbaren Biorohstoffen und will ein EcoBean Technology Center (ETC) gründen. Im Ergebnis sollen durch Raffinerie Kaffeeöl, Milchsäure und weitere Erzeugnisse gewonnen werden, die für die Nahrungsmittel- und Kosmetikbranche bestimmt sind.

Ciech Sarzyna bildet zusammen mit der spanischen Firma Proplan den Geschäftsbereich AGRO der Ciech-Gruppe. Sarzyna ist laut Ciech auf Pflanzenschutzmittel spezialisiert und ist der größte inländische Hersteller sowie Marktführer im Verkauf von Herbiziden (Unkrautvernichtungsmitteln). 

Von Bedeutung bei der Herstellung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln ist auch die Synthos Agro. Sie gehört zur Chemiegruppe Synthos, dem führenden Produzenten von chemischen Grundstoffen in Polen und Europas größtem Hersteller von Polystyrol und Synthesekautschuk. Synthos produziert Chemieprodukte unter anderem für die Bauwirtschaft. Hier hat auch die Grupa Atlas eine starke Position. Farben und Lacke produziert Polen in hohem Maße. Ein bedeutender Hersteller ist beispielsweise FFiL Śnieżka. 

Ausländisches Kapital spielt in der polnischen Chemieindustrie insgesamt eine untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme bilden internationale Mineralölkonzerne wie BP und Shell, die mit Tankstellenketten vertreten sind. Kapital aus dem Ausland hat für die Gummisparte jedoch eine große Bedeutung. Denn an den großen Reifenfabriken sind die internationalen Konzerne Michelin (in Olsztyn / Allenstein), Goodyear (in Dębica) und Bridgestone (in Poznań / Posen) beteiligt.

Produktion geht weiter zurück

Die Umsätze sämtlicher Hersteller von Koks und Erdölraffinerieprodukten (inklusive kleine mit weniger als zehn Mitarbeitern) verdoppelten sich laut GUS 2022 nominal fast auf 38,8 Milliarden Euro. Die Produzenten von Chemikalien und Chemieprodukten mit mindestens zehn Mitarbeitern setzten 26,4 Milliarden Euro um (auf Złoty-Basis nominal +40,4 Prozent gegenüber 2021). In den ersten drei Quartalen 2023 erfolgte jedoch ein Rückgang auf 16,7 Milliarden Euro (-20,0 Prozent gegenüber Januar bis September 2022). Die Umsätze der Hersteller von Gummi- und Kunststoffprodukten mit mindestens zehn Mitarbeitern stiegen 2022 auf 32,4 Milliarden Euro (+21,6 Prozent) und sanken in den ersten neun Monaten 2023 auf 24,1 Milliarden Euro (-4,1 Prozent). Die Zuwächse waren auch auf Preissteigerungen zurückzuführen.

Der mengenmäßige Output sank in den ersten drei Quartalen 2023 in fast allen Produktgruppen gegenüber Januar bis September 2022 mit Ausnahme von Benzin, Diesel und Heizöl sowie Seife.

 

Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Polen (in 1.000 Tonnen, Veränderung in Prozent)

Sparte

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Stickstoffdünger *)

2.102

1.755

-16,5

Phosphordünger *)

449

325

-27,6

Kunststoffe in Grundformen

3.693

3.668

-0,7

  Polyethylen

266

348

30,8

  Polyvinylchlorid (PVC)

231

284

22,9

  Polypropylen

313

334

6,7

Pestizide

109

115

5,5

Farben und Lacke

1.690

1.499

-11,3

Gummiprodukte

1.146

1.155

0,8

Reifen (1.000 Stück)

59.444

53.089

-10,7

* umgerechnet in reinen Bestandteil einschließlich mit mehreren Bestandteilen. Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2023

 

Firmen beteiligen sich grenzüberschreitend

Neben den großen Branchenführern befassen sich zahlreiche kleinere Firmen zum Beispiel mit der Herstellung von Produkten aus Kunststoff. Das zeigt sich auch in der Anzahl der Beschäftigten: Ende September 2023 waren laut GUS bei Betrieben mit mindestens zehn Mitarbeitern des Gummi- und Kunststoffbereichs insgesamt rund 221.000 Arbeitskräfte tätig (-2,0 Prozent gegenüber September 2022). Bei Betrieben der Sparte Chemikalien und Chemieprodukte waren es 84.000 Personen (+1,4 Prozent) und in der Branche Koks und Erdölraffinerie waren es 15.000 Mitarbeiter.

Zu den deutschen Unternehmen, die in Polen vertreten sind, zählt zum Beispiel die Chemie-Holding PCC SE aus Duisburg, zu der PCC Rokita gehört. Bei den anstehenden vielfältigen Projekten haben deutsche Firmen gute Zulieferchancen bei Investitionsgütern, Maschinen und Ausrüstungen. Der Hersteller von Schwer- und Leichtsoda, Ciech Soda Polska aus Inowrocław (Hohensalza), etwa digitalisiert mit Hilfe eines Produktionssimulators von Siemens seine Produktionsprozesse. Die eingesetzte Software soll zu einem effizienteren Einsatz von Rohstoffen und Vorprodukten führen. Daneben ist der Importbedarf Polens an chemischen Erzeugnissen weiter groß, die vielfach aus Deutschland stammen. Hier macht sich aber eine Konkurrenz aus Asien zunehmend bemerkbar.

 

Wichtige Branchenunternehmen in Polen (Umsatz 2022 in Millionen Euro)

Unternehmen

Sparte

Umsatz 1)

Orlen S.A. 2)

Mineralöl-/Energiekonzern

59.231

Grupa Azoty S.A.

Stickstoff, Dünger

5.262

BP Europa SEErdöl, Kraftstoffe

3.316

Grupa Azoty Zakłady Azotowe Puławy SAStickstoffdünger

1.899

Synthos S.A.

Chemieprodukte

1.883

BASF Polska Sp. z o. o.Chemieprodukte

1.544

Shell Polska sp.z o. o.

Erdöl, Kraftstoffe

1.487

Boryszew S.A.

Kunststoffe

1.449

Anwil S.A. (PKN Orlen)

PVC, Stickstoffdünger

1.224

Ciech S.A.

Chemieprodukte, Soda

1.156

1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2022: 1 Euro = 4,6861 Złoty, 2 zum Teil ohne die 2022 übernommenen Unternehmen.Quelle: Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen Polens 2022 der Tageszeitung Rzeczpospolita 2023

 

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.