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Situation im Wohnungsbau bleibt angespannt

Trotz erneut steigender Zahl an Baugenehmigungen sehen Immobilienentwickler dringenden Reformbedarf. Offen bleibt, welche Rolle der öffentliche Wohnungsbau in Zukunft spielen wird.

Von Christopher Fuß | Warschau

Der Wohnungsbau in Polen findet nur langsam zu seiner alten Form zurück. Die Baugenehmigungen für Wohnungen stiegen im Januar 2024 zwar deutlich um 34,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Allerdings liegt der Wert immer noch um 8,7 Prozent unter den Zahlen vom Januar 2022 und sogar um 12,6 Prozent unter dem Ergebnis vom Januar 2021.

Immerhin: Wie die Angaben des polnischen Statistikamtes GUS (Główny Urząd Statystyczny) zeigen, gibt es seit September 2023 einen Aufwärtstrend. Zu den wichtigsten Impulsgebern gehört das Programm "Die erste Wohnung" (Pierwsze Mieszkanie). Es stammte aus der Feder der mittlerweile abgewählten PiS-Regierung (Prawo i Sprawiedliwość). Privatpersonen konnten sich einen Zinssatz von 2 Prozent für den Kredit auf die erste eigene Wohnung sichern. Die Antragsfrist endete zum Jahreswechsel. An Interesse mangelte es nicht. Über 100.000 Bewerbungen gingen bei den Banken ein. Noch haben die Finanzinstitute nicht alle Formulare bearbeitet. Aus diesem Grund rechnen Polens größte Wohnungsbaugesellschaften damit, dass die Effekte von "Die erste Wohnung" auch im 1. Quartal 2024 zu spüren sein werden.

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Polens neue Regierung hat bereits ein Nachfolgeprogramm angekündigt. Es staffelt den Zinssatz nach Haushaltsgröße und Einkommen. Das Wirtschaftsministerium verspricht in einigen Fällen sogar einen Null-Prozent-Kredit. Staatssekretär Krzysztof Kukucki macht in der Tageszeitung Rzeczpospolita Hoffnung, dass die Maßnahme bereits in der zweiten Jahreshälfte 2024 in Kraft treten könnte.

Neben den Kreditzuschüssen gibt es weitere Wachstumstreiber am Wohnungsmarkt. Polens Finanzaufsichtsbehörde KNF (Komisja Nadzoru Finansowego) hatte 2022 die Kriterien, nach denen Banken einen Immobilienkredit vergeben können, deutlich verschärft und dann 2023 wieder gelockert. Außerdem senkte die polnischen Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) den Leitzins - und damit die Vorfinanzierungskosten der Bauunternehmen. Gleichzeitig steigen die Reallöhne. Im Januar 2024 lag der Jahreszuwachs bei 8,6 Prozent. Wenn Gehälter anziehen, dann wächst in Polen auch die Nachfrage am Wohnungsmarkt.

Projektentwickler wollen weniger Vorgaben

Branchenvertreter kritisieren, dass sich die Regierung vor allem darauf konzentriert, die Nachfrage zu unterstützen. Das Wohnungsangebot bleibe hingegen knapp. Agnieszka Mikulska, Wohnungsmarktexpertin beim Immobilienvermittler CBRE, sagt: "Programme, die die Nachfrage finanziell unterstützen, führen meist zu Preissteigerungen." Tatsächlich schoss der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Neubauwohnungen in Polens Hauptstadt Warschau im Jahr 2023 laut Analysen des Immobilienportals Otodom um rund 16,6 Prozent nach oben.

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Der Verband der Wohnungsbaugesellschaften PZFD (Polski Związek Firm Deweloperskich) klagt über fehlende Grundstücke und rechtliche Hürden. Ein mehrfach novelliertes Gesetz von 2018 erntet besonders viel Kritik. Die Rede ist vom sogenannten Lex Developer. Das Ziel der Reform lautete, mehr Flächen zur Verfügung zu stellen. Ein Projektträger darf beispielsweise entgegen dem Flächennutzungsplan auf Grundstücken bauen, die für Einkaufszentren und Bürogebäude vorgesehen sind.

Allerdings müssen Immobilienentwickler, die sich auf dieses Gesetz berufen, verschiedene Vorgaben berücksichtigen. Besonders stört den PZFD, dass im Lex Developer von 1,5 Parkplätzen pro Wohnung die Rede ist. Das Wirtschaftsministerium kündigte bereits an, die Vorgaben zu lockern. Man werde laut Staatssekretär Kukucki "sehr bald eine entsprechende Regelung vorschlagen". Dabei fällt das Interesse der Gemeinden an Projekten nach Maßgabe des Lex Developer eher bescheiden aus. Hinzu kommt: Das Lex Developer läuft Anfang 2026 aus. Dann nämlich tritt eine grundlegende Planungsreform in Kraft. Sie bereitet sowohl den Gemeinden als auch den Projektentwicklern Kopfzerbrechen, da viele neue Planungsunterlagen nötig sind.

Mehr Freiflächen zwischen Wohnblöcken

Eine weitere Forderung des PZFD stößt bei Polens Regierung auf taube Ohren. Laut einer Verordnung vom Oktober 2023 wachsen die Abstände, die ein geplantes Mehrfamilienhaus mit mindestens vier Stockwerken zur Grundstücksgrenze einhalten muss. Außerdem schreibt die Regelung den Bau von Kinderspielplätzen vor. Die neuen Richtlinien treten im April 2024 in Kraft. Ein Projektträger, der nach dem Stichtag einen Bauantrag einreicht, muss die Regeln berücksichtigen. Der PZFD verlangt Aufschub bis September 2024.

Doch das Wirtschaftsministerium bleibt hart. Die Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna zitiert aus einer Stellungnahme: "Es ist keine Verschiebung geplant. Ursprünglich sollten die Regelungen am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Wir sind den Forderungen der Bauunternehmer nachgekommen und haben die Frist auf den 1. April 2024 verschoben. Die geplanten Änderungen haben Priorität, da bislang bestehende Regelungen ausgenutzt werden." Tatsächlich gehören dicht bebaute Grundstücke vor allem in Polens Großstädten zum alltäglichen Stadtbild.

Neuer Anlauf beim öffentlichen Wohnungsbau

Die dritte Forderung des PZFD betrifft den Nationalen Immobilienbestand KZN (Krajowy Zasób Nieruchomości). Die Interessenvertretung der Wohnungsbaugesellschaften will, dass die Grundstücke des KZN über Ausschreibungen auf dem freien Markt gebracht werden. Polens Regierung hingegen sieht im KZN ein Instrument, um den öffentlichen Wohnungsbau voranzutreiben. Der KZN übernimmt Grundstücke von weiteren Einrichtungen im Staatsbesitz wie zum Beispiel von den Staatsforsten (Lasy Państwowe) oder der Betreibergesellschaft für Schieneninfrastruktur PKP PLK.

Die Liegenschaftsverwaltung soll mit den Sozialen Wohnungsinitiativen SIM (Społeczna Inicjatywa Mieszkaniowa) und mit den Wohnungsbaugenossenschaften TBS (Towarzystwo Budownictwa Społecznego) zusammenarbeiten. Bei beiden Organisationsformen SIM und TBS handelt es sich um kommunale Wohnungsgesellschaften. Geht es nach Polens Regierung, würde KZN die Grundstücke für die öffentlichen Wohnungsbauprojekte der SIM und der TBS zur Verfügung stellen.

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