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Special | Polen | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Energie: Nicht bei allen Projekten ist das Budget gesichert

In der polnischen Regierung gibt es Widerstand gegen den Kohleausstieg. Einige Transformationsprojekte laufen bereits. Investitionen fließen nicht nur in erneuerbare Energien.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen überarbeitet die nationale Energiestrategie PEP2040. Details zum Strommarkt sind bereits an die Öffentlichkeit gelangt. Bis zum Jahresende 2023 will das Klimaministerium außerdem neue Pläne für den Wärmesektor vorstellen. Weil die Regierungsparteien PiS (Prawo i Sprawiedliwość) und Souveränes Polen (Suwerenna Polska) in Energiefragen uneins sind, hing die Strategie Mitte Mai 2023 noch im Kabinett fest. Souveränes Polen will an der Kohle festhalten. Das PiS-geführte Klimaministerium setzt auf andere Energieträger.

Stromerzeugung: Wind wird wichtigste erneuerbare Energiequelle

Laut dem Strategiepapier soll der Anteil der Kohle an der Stromproduktion von heute rund 70 Prozent auf 8 Prozent im Jahr 2040 sinken. Gleichzeitig würde der Anteil der erneuerbaren Energien von heute 20 Prozent auf über 50 Prozent steigen. Damit auch an Tagen mit wenig Sonne und Wind die Lichter nicht ausgehen, setzt Polen auf Atomenergie. Kernreaktoren sollen ab 2040 knapp 23 Prozent des Strombedarfes decken.

Noch besitzt Polen keine Offshore-Windparks. In der Ostsee bei Gdańsk entstehen Windkraftwerke. Ab 2040 wird Offshore-Wind 18 Prozent des Strombedarfs decken. Das Infrastrukturministerium hat insgesamt 20 Gebiete in der Ostsee ausgeschrieben. Für die ersten neun Flächen gibt es bereits Investoren, darunter die deutsche RWE. Die übrigen elf Offshore-Areale vergibt das Ministerium anhand eines Punktekataloges. Die Kriterien begünstigen laut Kritikern die staatlichen Energiekonzerne. Tatsächlich gingen die verbliebenen Areale bislang an PGE (Polska Grupa Energetyczna). Einige Entscheidungen stehen noch aus. Immerhin: Der deutsch-spanische Hersteller Siemens Gamesa wird an voraussichtlich drei Investoren Turbinen liefern.

An Land verringern sich die Abstandsregeln für Windkraftanlagen zum nächsten bebauten Gebiet von bislang rund 2 Kilometern auf 700 Meter. In einem ersten Entwurf hatte das Klimaministerium 500 Meter angekündigt. Der Branchenverband der Windenergie PSEW (Polskie Stowarzyszenie Energetyki Wiatrowej) ist enttäuscht. Laut Lobbyorganisation sinkt das Potenzial der Windenergie aufgrund der zusätzlichen 200 Meter um bis zu 70 Prozent. Dabei ist das Interesse der energieintensiven Industrie an Windenergie nicht zu übersehen. So hat die polnische Tochter des Zementherstellers Lafarge im April 2023 einen Direktliefervertrag für Windstrom mit RWE und KGAL geschlossen.

Atomkraft soll erneuerbare Stromquellen ergänzen

Bereits 2033 will Polen westlich von Gdańsk den ersten Atomreaktor für die Stromproduktion in Betrieb nehmen. Technologielieferant des staatlich forcierten Kernkraftwerks ist die amerikanische Firma Westinghouse. Beim zweiten geplanten Atomkraftwerk gibt es bislang weder einen Partner noch einen Standort. Laut dem Minister für Staatsunternehmen Jacek Sasin falle die Entscheidung bis zum Herbst 2023. Technologielieferanten aus den USA, Frankreich und Südkorea buhlen um den Auftrag. Die Finanzierung der beiden staatlichen Kraftwerke ist offen. Ein drittes privatwirtschaftliches Kernkraftwerk wollen der polnische Braunkohlekonzern ZE PAK und der Energieriese PGE bauen, voraussichtlich mit Technik aus Südkorea.

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Netze sind am Limit

Damit der Strom auch beim Verbraucher ankommt, braucht es moderne Stromnetze. Doch die Leitungen in Polen sind nicht auf die neuen Kraftwerke vorbereitet. Die Netzbetreiber müssen den Anschluss von Anlagen immer häufiger ablehnen. Allein 2022 stieg die Zahl der verweigerten Netzanschlüsse gegenüber dem Vorjahr um 87 Prozent. Die meisten Absagen betreffen erneuerbare Energien. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Zahl der positiven Anschlussbescheide steigt, ebenso wie die Netzinvestitionen.

Aktuell stecken die Netzbetreiber jährlich rund 2 Milliarden Euro in Modernisierungsprojekte. Wenn die Energietransformation gelingen soll, müssten es laut Branchenportalen 6 Milliarden Euro sein. Einige Leitungsprojekte, wie der Harmony Link nach Litauen, scheiterten an den Kosten. Besser lief es mit einer Verbindung vom polnischen Rzeszów zum ukrainischen Kernkraftwerk Chmielnicka.

Polen will in Zukunft umfangreiche Mittel aus den verschiedenen EU-Töpfen in den Netzausbau stecken. Ganz oben auf der Liste steht eine Gleichstromleitung zwischen Nord- und Südpolen. Wichtig: Bei Energieprojekten legt Polen Wert darauf, dass die Wertschöpfung im Land stattfindet.

Energieversorgung: Unterschiedliche Ansätze für den Energiemix

Beim Energiemix soll Erdgas als Brückentechnologie die Kohle ablösen. In Städten wie Adamów, Grudziądz und Rybnik entstehen neue Gaskraftwerke, teilweise mit Unterstützung deutscher Unternehmen. Um den laut Energiestrategie bis 2035 wachsenden Bedarf an Erdgas zu decken, verfolgt Polen mehrere Projekte: Hierzu gehören der Anschluss eines schwimmenden Terminals für Flüssigerdgas (LNG) bei Gdańsk bis 2028 und der Ausbau des LNG-Terminals in Świnoujście.

Gut möglich, dass durch das Gasnetz auch Wasserstoff fließen wird. Der polnische Gasversorger PSG (Polska Spółka Gazownictwa) forscht an Möglichkeiten, die bestehenden Leitungen zu nutzen. Parallel arbeitet das Klimaministerium an einem Regulierungspaket für den Wasserstoffmarkt. Laut Experten ist der Rechtsrahmen eine wichtige Voraussetzung für Investitionen. Das Reformprojekt definiert Begrifflichkeiten und schreibt Konzessionen für den Transport, die Speicherung und den Handel vor. Eigentlich wollte das Klimaministerium die sogenannte Wasserstoffverfassung bereits 2022 auf den Weg bringen.

Auch Biogas und Biomethan könnten einen Beitrag für eine nachhaltigere Wärmeversorgung liefern. Beide Energieträger spielen bislang keine große Rolle in Polens Energiemix. Das könnte sich mit einem neuen Gesetzesvorschlag aus dem Landwirtschaftsministerium ändern. Die Reform will langwierige Genehmigungsverfahren für Agrar-Biogasanlagen straffen und so den Bau neuer Kraftwerke beschleunigen. Es ist nicht der erste Versuch, den Biogas- und Biomethanmarkt zu fördern. Experten plädieren für Zuschüsse.

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