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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsausblick | Polen
Mehr als ein Mini-Wirtschaftswachstum ist für Polen 2023 vermutlich nicht drin. Unternehmen kürzen Investitionen. Für deutsche Exporteure gibt es aber einige Lichtblicke.
08.12.2022
Von Christopher Fuß | Warschau
Während die wirtschaftlichen Vorzeichen in vielen EU-Ländern auf Krise stehen, darf sich Polen zum Jahresendspurt über gute Zahlen freuen. Die Produktion im verarbeitenden Gewerbe wuchs zwischen dem 1. und 3. Quartal 2022 um 11,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch die Konsumausgaben steigen weiter.
Konjunkturumfragen zeigen aber, dass Polens Wirtschaft schwierigen Zeiten entgegensieht. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgt für gewaltige Unsicherheiten. Die Stimmung in den Unternehmen ist so schlecht wie zuletzt während der ersten Hochphase der Coronapandemie Anfang 2020.
Firmen klagen über Nachfrageeinbußen. Der Einkaufsmanager-Index PMI ging im Oktober 2022 erneut zurück und landete bei 42 Punkten. Ein Wert unter 50 Punkten bedeutet, dass die Unternehmen weniger Aufträge haben. Metallhersteller und Möbelproduzenten verzeichnen nach Angaben der polnischen Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) Einbußen im Auslandsgeschäft.
Die Lage könnte sich im 1. Quartal 2023 weiter zuspitzen. Laut Herbstprognose der Europäischen Kommission schrumpft das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Polens zwischen Januar und März 2023 um 0,7 Prozent. Ein Grund sind die im Winter traditionell steigenden Gaspreise. Die Zusatzkosten belasten die Firmen.
Immerhin: Für das Gesamtjahr 2023 erwartet die Europäische Kommission ein Mini-Plus beim BIP von 0,7 Prozent. Polens Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) ist vorsichtiger: Sie schließt eine Rezession im Gesamtjahr 2023 nicht aus, weil die Nachfrage auf wichtigen Auslandsmärkten zurückgeht.
Die Firmen ahnen, was auf sie zukommt. Laut GUS-Untersuchungen rechnen die meisten Betriebe mit weiter sinkenden Bestellungen. Besonders ausgeprägt ist diese Haltung in der Mineralölindustrie, der Holzverarbeitung und bei den Metallherstellern. In allen Branchen überwiegt die Zahl der Firmen, die negativ in die Zukunft blicken - selbst in der sonst eher optimistischen Petrochemie und der Pharmaindustrie.
Voraussichtlich nimmt die Arbeitslosenquote 2023 nur leicht zu. Anders die Konsumentenpreise: Sie steigen 2023 im Jahresdurchschnitt laut Europäischer Kommission um 13,8 Prozent. Nachlässe auf die Mehrwertsteuer laufen Anfang 2023 aus. Gleichzeitig rechnen die Analysten mit weiter anziehenden Rohstoff- und Energiepreisen.
2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 | |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 526,2 | 574,8 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 13.720 | 15.060 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 38,0 | 37,8 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresmittelwert, 1 Euro = ... Złoty) | 4,4430 | 4,5652 | - |
Polens Zentralbank hat als Reaktion auf die steigende Inflation den Leitzins angehoben. Damit fällt es Betrieben schwerer, Investitionen zu finanzieren. Die Kapitalkosten sind neben der allgemeinen Unsicherheit mit dafür verantwortlich, dass fast alle Branchen laut GUS ihre Investitionen 2023 reduzieren wollen. Positive Ausnahmen sind die Petrochemie, die Pharmaindustrie und Hersteller von elektrischen Geräten.
Energieintensive Wirtschaftszweige wie Papierhersteller, Verarbeiter nicht-metallischer Mineralien und die Metallindustrie setzen hingegen den Rotstift an. Auch die Möbelindustrie streicht Projekte.
Die Europäische Kommission blickt optimistischer in die Zukunft. Sie rechnet für 2023 mit einem Anstieg der Bruttoanlageninvestitionen um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die wichtigsten Impulse sollen von staatlichen Trägern ausgehen.
Tatsächlich hat die öffentliche Hand Großprojekte angekündigt. Polen will Gesundheitsdienstleistungen ausbauen, Energieversorgung und Stromnetz modernisieren, einen Großflughafen errichten, neue Schienen verlegen und Autobahnen weiter ausbauen. Das Problem: Die meisten Vorhaben sind auf EU-Unterstützung angewiesen. Aktuell fließen aber weder aus dem Wiederaufbaufonds noch aus den kohäsionspolitischen Töpfen neue Mittel nach Polen. Die Europäische Kommission will die Gelder erst freigeben, wenn das Land seinen Justizwesen reformiert.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Schwimmendes Terminal für Flüssigerdgas (FSRU) | 646 | Frühstadium | |
320 | Planungsstadium | ||
300 | Projektdurchführung | ||
245 | Projektdurchführung | ||
200 | Projektdurchführung | ||
105 | Frühstadium | ||
Werk für Batterierecycling | 100 | Projektdurchführung | |
80 | Projektdurchführung | ||
80 | Projektdurchführung | Minth Group | |
76 | Planungsstadium | ||
Bau einer Ventilatorenfabrik | 50 | Projektdurchführung |
Amtsblatt für öffentliche Ausschreibungen in Polen
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie auf der Internetseite von GTAI.
Der private Verbrauch wird 2023 nach Prognosen der Europäischen Kommission steigen. Staatliche Krisenprogramme stützen die Nachfrage. So können Privatpersonen ihre Immobilienkredite seit August 2022 für bis zu 8 Monate sanktionsfrei aussetzen. Das entlastet die Haushalte, sorgt aber für Ärger bei den Banken wie bei der Commerzbank-Tochter mBank.
Ab Dezember 2022 greift eine Strompreisbremse. Polens Regierung arbeitet an einer ähnlichen Obergrenze auch für Gas. Dadurch bliebe den Haushalten mehr Geld für den Konsum. Der Zuzug ukrainischer Geflüchteter treibt die Nachfrage zusätzlich nach oben.
Die Gehälter werden 2023 laut Europäischer Kommission mit einem Plus von 10,4 Prozent deutlich langsamer steigen als die Inflation. Die gedämpften Lohnentwicklungen wirken den Prognosen zufolge stabilisierend auf den Arbeitsmarkt.
Der deutsch-polnische Außenhandel wird das Jahr 2022 voraussichtlich abermals mit einem Rekordwert abschließen. Gemessen am Wert führte Deutschland noch nie so viele Waren nach Polen aus wie 2021. Zwischen Januar und September 2022 stieg der Wert der deutschen Exporte laut deutscher Statistikbehörde Destatis erneut um 16,9 Prozent. Ein Verkaufsschlager bleiben Maschinen. Das neue Werk des polnischen Holzbau-Riesen Erbud in Toruń setzt beispielsweise auf Produktionslinien des schwäbischen Unternehmens Weinmann.
Potenzial haben Energiesparlösungen. Privathaushalte investieren massiv in Wärmepumpen - zunehmend in Kombination mit Fotovoltaik. Auch kommunale Versorger experimentieren mit Wärmepumpen.
NBP prognostiziert hingegen, dass die Importe Polens 2023 an Dynamik verlieren. Der Grund ist, dass Firmen weniger Vorprodukte auf Lager halten. Unternehmen hätten als Reaktion auf gestörte Lieferketten in großem Umfang Halbwaren aus dem Ausland gekauft. Mittlerweile würden die Betriebe angesichts steigender Preise jedoch von dieser Strategie wieder abrücken.
2020 | 2021 | Veränderung 2020/2021 | |
---|---|---|---|
Importe (cif) | 228,7 | 289,7 | 26,7 |
Exporte (fob) | 239,2 | 288,2 | 20,5 |