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Branche kompakt | Schweden | Chemische Industrie

Grün soll die Chemie sein

Schwedens Chemiebranche befindet sich in einer Krise. Es sind zukunftsorientierte Lösungen gefragt. Eine Antwort der Politik lautet "Fossilfreies Schweden".

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Markttrends

Nach starken Zuwächsen 2021 kämpft die schwedische Chemieindustrie nun mit einigen Rückschlägen und reiht sich in einen europaweiten Trend ein. Das Konjunkturbarometer des nationalen Branchenverbands IKEM für das 2. Quartal 2023 verdeutlicht, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht. Die Umsätze sind wider Erwarten zuletzt so stark eingebrochen wie seit sieben Jahren nicht mehr. Die Aufträge gingen im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,4 Prozent zurück. Zudem sank der Preisindex im August im Vergleich zum Vormonat. Grund waren laut SCB, dem nationalen Statistikamt, vor allem die niedrigen Preise für Chemikalien und chemische Erzeugnisse auf dem Exportmarkt. 

Die schwächelnde schwedische Krone verstärkt den Effekt und sorgt für eine angespannte Situation bei schwedischen Herstellern. Einzig die chemisch-pharmazeutische Industrie kann sich dem Trend widersetzen und wartet mit unverändert hohen Exportraten auf.

Im Bereich alternativer Brennstoffe gibt es gute Kooperationsmöglichkeiten

Als Leitgedanke der chemischen Industrie dient die konsequente Verfolgung klarer Nachhaltigkeitsaspekte. Die Ausgangslage mit dem Zugang zu forstwirtschaftlichen Rohstoffen ist in Schweden dabei denkbar gut.

Das Mineralölunternehmen Preem investiert immer stärker in die Entwicklung alternativer Brennstoffe und kooperiert hierzu mit dem Forstindustriekonzern Setra. Die Unternehmensgruppe liefert die Sägespäne aus seinem betriebseigenen Sägewerk, die dann mittels Pyrolyse zu Bio-Öl verarbeitet werden. Aus der Zusammenarbeit ist das gemeinsame Unternehmen Pyrocell hervorgegangen. Auch das Forstbetreiber- und Holzbearbeitungsunternehmen SCA hat sich auf nachhaltige Treibstoffe spezialisiert. Im September 2021 hat SCA mit dem finnischen Energieunternehmen und Tankstellenbetreiber St1 ein Joint Venture gegründet mit dem Ziel, Biotreibstoffe aus Kiefernöl zu gewinnen. Eine neue Bioraffinerie ist im Bau. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Projekte und Kooperationen im Bereich E-Fuels, unter anderem auch für die Schiff- und Luftfahrt. Ein Beispiel für eine deutsche Beteiligung ist SkyFuelH2 von der deutschen Uniper, die sich der Produktion von nachhaltigem Kerosin verschrieben haben.

Der Nachhaltigkeitsaspekt spiegelt sich in sämtlichen Subbranchen wider

Es werden mehrere neue Recycling-Anlagen für Kunststoffe geplant oder befinden sich bereits im Bau. In der Cluster-Region rund um Stenungsund plant Borealis derzeit die Errichtung einer neuen chemischen Recyclinganlage. Ebenfalls werden bereits bestehende Recyclinganlagen erweitert, so wie von Trioworld, das in Korsberga Kunststoffe recycelt. Der Konzern investiert hier insgesamt etwa 32 Millionen Euro und plant, die Kapazitäten der Anlage auf jährlich 24.000 Tonnen zu vervierfachen. Damit wäre sie eine der größten ihrer Art in Europa. Trioworld arbeitet eng mit dem Lidl Konzern zusammen und entwickelt Plastikfilme für Gefrierverpackungen. Andere Akteure aus dem Ausland sind TetraPak oder BASF, die sich dem Thema Recycling angenommen haben.

Auch für das Segment Textil-Recycling gibt es schwedische Best Practices. Das Projekt Life Treats, eine Kooperation zwischen dem schwedischen Forstindustriekonzern Södra und der österreichischen Lenzing-Gruppe, hat einen Prozess für das chemische Recycling von Textilabfällen entwickelt. Dafür erhielten die Unternehmen von der Europäischen Union (EU) Fördergelder in Rekordhöhe von 10 Millionen Euro. Ziel ist es, im Jahr 2027 circa 50.000 Tonnen Textilien zu recyceln. Auch Renewcell hat sich dem Thema Textil-Recycling angenommen und im November 2022 eine Anlage zur chemischen Textilwiederverwertung in Betrieb genommen. Langfristig sollen hier 120.000 Tonnen Chemiezellstoff pro Jahr produziert werden – das entspräche etwa 600.000 Millionen T-Shirts.

Ebenfalls Unterstützung durch die EU gab es für "Project Air", eine Kooperation zwischen der schwedischen Perstorp Gruppe und dem Energieunternehmen Uniper. Perstorp plant im Rahmen von Project Air die Produktion von nachhaltigem Methanol durch CO2-Abscheidung und -Nutzung (Carbon Capture and Utilization - CCU), Biogas und grünen Wasserstoff. Weiterhin ist das Dresdner Unternehmen Sunfire beteiligt, das im März 2023 den Auftrag zum Bau der 30-Megawatt-Elektrolyse-Anlage erhalten hat. 

Nicht zuletzt durch die Automobilindustrie hat auch die Elektrochemie in Schweden starken Aufwind erfahren. Derzeit sind zahlreiche Fabriken entlang der Batteriewertschöpfungskette geplant und im Bau. 

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Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Die chemische Industrie ist für die schwedische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung: Laut IKEM werden etwa 85 Prozent der hergestellten Produkte ins Ausland verkauft. Fast ein Viertel der gesamten schwedischen Warenexporte lassen sich der chemischen Industrie zuordnen. Die Branche kennzeichnet sich durch einen hohen Anteil von Hightech-Unternehmen. Der Sektor besteht aus über tausend schwedischen und ausländischen Unternehmen, die die verschiedenen Branchen bedienen.

Als die größeren Chemieunternehmen gelten Cepheid, Prestorp und Phadia. Als größte Teilbranche gilt die Kunststoffindustrie mit etwa 1.500 Unternehmen, darunter viele kleine und mittlere, und rund 19.000 Beschäftigten. Zu den größeren Playern gehören Trioworld, Roxtek und PipeLife. Mit etwa 3.000 Beschäftigten ist die Subbranche vergleichsweise klein, doch zeichnen sich die Raffinerien durch hohe Umsätze aus – im Jahr 2021 betrugen diese mehr als 7,88 Milliarden Euro. Mit fast der Hälfte der Mitarbeiter stellt Preem das größte Unternehmen dieser Teilbranche dar.

Fossilfritt Sverige - ohne politischen Willen geht es nicht

Grundsätzlich orientiert sich Schweden an der EU-Chemikalienstrategie. Dennoch werden auch eigene Akzente gesetzt wie zuletzt im Mai 2023. Im Rahmen der Verbesserung des Textilrecyclings hat die schwedische Regierung vorgeschlagen, Textilabfälle künftig auszusortieren und separat einzusammeln. Die Änderung soll ab 1. Januar 2025 gelten.

Bereits 2015 wurde die nationale Initiative "Fossilfreies Schweden" ins Leben gerufen. Sie verfolgt das ambitionierte Ziel, dass sich Schweden bis 2045 als erste fossilfreie Nation präsentieren kann. Schrittweise sollen sich die 22 identifizierten Branchen dem Ziel nähern. Sie verfolgen individuelle Vorgaben, die mitunter durch politische Maßnahmen begleitet und unterstützt werden.

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