Mehr zu:
SchweizKonjunktur / Coronavirus / Wege aus der Coronakrise
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Wirtschaftsausblick | Schweiz
Schwächelnde Wirtschaft im Euroraum und Energiekrise machen sich bemerkbar: Das Wachstum der schweizerischen Wirtschaft dürfte sich in den kommenden Monaten deutlich verlangsamen.
15.09.2022
Von Karl-Heinz Dahm | Bonn
Im 1. Halbjahr 2022 ist die Wirtschaft in der Schweiz weiter gewachsen, wenn auch abgeschwächt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im 1. Quartal um 0,5 Prozent und im 2. Quartal um 0,3 Prozent. Die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt und Nachholeffekte nach dem Ende der Coronabeschränkungen im April des Jahres stärkten den Privatkonsum. Dieser erwies sich als wichtigster Wachstumsmotor, begünstigt durch eine vergleichsweise niedrige Inflation von 3,4 Prozent.
Als exportorientierte und in Europa stark vernetzte Volkswirtschaft ist die Schweiz jedoch zunehmend von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine betroffen. Für die nahe Zukunft haben sich die Konjunkturaussichten deutlich verschlechtert. Das Institut BAK-Economics geht von einer schwachen Wirtschaftsentwicklung im Winterhalbjahr aus. Während die Konjunkturexperten für das Gesamtjahr 2022 noch mit einem Plus von 2 Prozent rechnen, stehen die Zeichen 2023 auf Abschwung. Es werde laut BAK 2023 zwar keine Rezession geben, aber ein nur geringes Wachstum des BIP um real 0,5 Prozent.
Besonders die steigenden Rohstoff- und Energiekosten bereiten den Schweizern Sorgen. Zwar ist die Schweiz weniger von Erdgas abhängig als andere europäische Länder. Eine Rezession in den europäischen Nachbarländern wird aber auch die schweizerische Exportindustrie und die Wirtschaft insgesamt belasten. Auch könnte es durch gestörte Lieferketten an Vorprodukten für die heimische Industrie mangeln.
Das Konjunkturbarometer der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich KOF, ein Frühindikator für die Entwicklung der schweizerischen Wirtschaft, registrierte im August 2022 den vierten Monat in Folge eine deutliche Abwärtstendenz. Laut KOF sind vor allem konsumnahe Bereiche für den Rückgang verantwortlich. Aber auch aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft kommen negative Signale.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 762,8 | 799,0 | 3.571 |
BIP pro Kopf (Euro) | 86.128 | 90.863 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 8,7 | 8,7 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... Schweizer Franken; sfr) | 1,071 | 1,081 |
Eine Umfrage von economiesuisse im August 2022 unter 296 Unternehmen ergab, dass die Befragten eine drohende Energieknappheit und Lieferengpässe als Hauptrisiko für die kommenden Monate ansehen. Hohe Energiekosten und Probleme bei der Energiebeschaffung dämpfen die Investitionslaune der Unternehmer. Rund ein Drittel plant daher laut economiesuisse mehr in Energieeffizienz und erneuerbare Energiequellen zu investieren.
Knapp 60 Prozent der Unternehmen haben laut Umfrage mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Dabei gehe es vorwiegend um Halbleiter, aber auch um Kunststoffe und Chemieprodukte. Massive Probleme bereitet vielen Unternehmen der zunehmende Mangel an Fachkräften.
Firmeninsolvenzen haben in der Schweiz von Januar bis August 2022 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 37 Prozent zugenommen. Dies ergab eine Untersuchung des Bonitäts-Auskunftsdienstes Creditreform im September 2022. Danach haben in diesem Zeitraum 4.341 Unternehmen ihren Betrieb eingestellt.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mrd. Euro) *) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
CST Cargo Sous Terrain | 30 | Planung | |
Zweite Röhre des Gotthardtunnel | 20 | im Bau | |
Basel Nord/Klybeck-Quartier (altes Hafen- und Chemiegelände) | "mehrere Milliarden" | Planung | Swiss Life und Rhystadt |
Andermatt Swiss Alps | 1,5 | im Bau | |
Ausbau Flughafen Zürich | 1,3 bis 5 | Planung | |
Ausbau Hauptbahnhof Lausanne | 1,2 | im Bau | Bauherr SBB, Teilprojekt aus "Leman 2030" |
Neubau Kinderspital Zürich | 0,6 | im Bau, Fertigstellung 2024 vorgesehen | |
Ensemble Fußballstadion Zürich | 0,5 | Genehmigungsverfahren läuft, Baubeginn frühestens 2023/24 |
Das Portal Simap ist die elektronische Plattform für öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungen von Bund, Kantonen und Gemeinden.
Geopolitische Unsicherheiten und hohe Energiepreise verderben den Konsumenten in Erwartung wirtschaftlich schwieriger Zeiten die Stimmung. Sie befürchten laut einer Umfrage des SECO vom August 2022, dass die Inflation von derzeit 3,4 Prozent in den nächsten Monaten weiter zunehmen könnte. Die eigene finanzielle Lage wird aufgrund der Preisentwicklung als sehr negativ bewertet. Klaus Abberger, Konjunkturexperte bei der KOF, rechnet damit, dass sich der Konsum im Herbst und Winter deutlich schwächer entwickeln wird.
Trotz der schlechten Konsumlaune haben die Schweizer von Januar bis August 2022 mehr ausgegeben als im gleichen Vorjahreszeitraum. Dies ergab eine Analyse der Ökonomen des Monitoring Consumption Switzerland, eines Projektes der Universitäten St. Gallen und Lausanne. Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaftler spielten Nachholeffekte nach Aufhebung der Coronabeschränkungen eine Rolle. Außerdem stiegen die Ausgaben im Hotel- und Gaststättenwesen in der Urlaubszeit. Die Arbeitslosenquote lag im August 2022 - wie bereits in den Vormonaten - bei 2 Prozent.
Laut Angaben des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) von Ende August 2022, verzeichneten die schweizerischen Ein- und Ausfuhren einen Anstieg im achten Quartal in Folge. Im 1. Halbjahr 2022 stiegen die Einfuhren gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum wertmäßig um 28,2 Prozent. Auch die Exporte legten im 1. Halbjahr deutlich um 18,5 Prozent zu.
Für den schweizerischen Außenhandel war 2021 bereits ein Rekordjahr. Die Exporte waren auf einen neuen Höchststand von 240,6 Milliarden Euro gestiegen. Größte Gewinner bei den Ausfuhren waren der Pharmasektor und die Uhrenindustrie. Die Importe stiegen um 10,1 Prozent. Sie blieben damit wertmäßig noch unter dem Vorkrisenniveau. Der Überschuss in der Handelsbilanz 2021 betrug 54,5 Milliarden Euro. In Asien ist China der wichtigste Absatzmarkt. Bei den Ausfuhren überholten die USA Deutschland und wurden damit zum wichtigsten Abnehmer helvetischer Produkte.
Die geopolitischen Risiken dürften in den kommenden Monaten weltweit die Konjunktur bremsen. Davon werden 2023 auch die schweizerischen Exportmärkte betroffen sein. Hinzu kommt eine Verteuerung schweizerischer Exportwaren durch die Aufwertung des Schweizer Franken.
2020 | 2021 | 1. Hj. 2021 | 1. Hj. 2022 | Veränderung 1. Hj. 2022/1. Hj. '21 | |
---|---|---|---|---|---|
Importe | 169,0 | 186,1 | 89.149 | 114.321 | 28,2 |
Exporte | 208,9 | 240,6 | 114.917 | 136.224 | 18,5 |