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Wirtschaftsausblick | Serbien
Serbiens Wirtschaft verliert zwar an Dynamik, wird aber weiter wachsen. Die geopolitische Ausrichtung wird für die Zukunft entscheidend sein, auch für Investoren aus dem Ausland.
30.11.2022
Von Martin Gaber | Belgrad
Noch wird Serbiens Wirtschaft durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weniger getroffen als befürchtet. So wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 real um 3,6 Prozent wachsen, erwartet das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Das wiiw bestätigt damit seine Prognose aus dem Frühjahr dieses Jahres. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) teilt diese Einschätzung. Als Gründe für das Anziehen der Konjunktur gelten die rege Inlandsnachfrage und staatliche Hilfsmaßnahmen. Damit zeigt sich Serbiens Wirtschaft weiterhin krisenfest. Das Land hatte bereits die Coronakrise solide gemeistert.
Pessimistischer ist die Einschätzung der serbischen Nationalbank (NBS). Serbiens Finanzexperten haben ihre Prognosen seit Jahresmitte 2022 nach unten korrigiert. Die NBS geht von einem Wachstum um real 2,5 Prozent aus. Die Wirtschaftskonjunktur bei wichtigen Handelspartnern kühle ab, was auch Serbien treffe, so die Begründung.
Im kommenden Jahr 2023 wird Serbiens Wirtschaft voraussichtlich weiter wachsen, allerdings an Fahrt verlieren. Das reale BIP-Wachstum wird sich in den Jahren 2023 und 2024 zwischen 2 und 3 Prozent einpendeln, so die Prognosen. Dahinter stehen allerdings Fragezeichen, das größte hinter der geopolitischen Ausrichtung des Landes: Derzeit unterhält Serbien enge Verbindungen zu Russland. Gleichzeitig übt Brüssel Druck auf den Beitrittskandidaten aus, die Sanktionen der EU gegen Moskau mitzutragen.
Ein weiteres Fragezeichen steht hinter der Nachfrage aus dem Ausland. Serbiens Wirtschaft ist stark exportorientiert. Wichtigster Handelspartner ist die EU. Eine Wirtschaftskrise in wichtigen Mitgliedsländern der Union wird die Nachfrage nach serbischen Waren verringern.
Nicht nur der russische Angriffskrieg und dessen Folgen sorgen für einen unsicheren Ausblick. Auch die Beziehungen zu Kosovo bleiben angespannt. Nur durch Vermittlung der EU konnte der Konflikt um Kfz-Kennzeichen beruhigt werden. Bislang nutzen mehrheilich von Serben bewohnte Gebiete in Kosovo serbische Kfz-Kennzeichen. Das hat die Regierung in Pristina untersagt. In einer Übergangslösung können serbische Kennzeichen weiter genutzt, aber keine neuen ausgegeben werden.
Rund sechs Monate nach den Wahlen ist die neue Regierung gebildet. An der Spitze steht weiterhin Ana Brnabić als Premierministerin. Auch wenn geopolitisch keine klare Ausrichtung der neuen Regierung erkennbar ist, verspricht sie zumindest für die Wirtschaft Stabilität. Das Duo aus dem bestätigten Präsidenten Aleksandar Vučić und der Premierministerin dürfte die wirtschafts- und investitionsfreundliche Politik fortsetzen.
Indikator | 2020 | 2021 *) | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 46,8 | 53,3 | 3.571 |
BIP pro Kopf (Euro) | 6.786 | 7.803 | 42.918 |
Bevölkerung (Mio.) | 6,9 | 6,9 | 83,2 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = ... serbische Dinar) | 117,58 | 117,57 | - |
Der große Aufholbedarf nach der Pandemie dürfte vorbei sein und das dynamische Investitionsgeschehen nachlassen. Die Bruttoanlageinvestitionen werden 2022 real nur im unteren einstelligen Bereich zulegen, so das wiiw. Die Unsicherheit sorgt dafür, dass auch 2023 nur moderate Zuwächse zu erwarten sind.
Das Interesse ausländischer Investoren an Serbien geht zurück. Möglich ist, das gerade mittel- und westeuropäische Unternehmen das pro-russische Serbien meiden. Daher könnte die geopolitische Ausrichtung Auswirkungen auf das Investitionsgeschehen haben.
Trotz rückläufiger Tendenz lagen die ausländischen Direktinvestitionen zum Halbjahr bei 1,6 Milliarden Euro. Bis zum Jahresende prognostiziert das wiiw einen Anstieg auf 3,6 Milliarden Euro. Im Vorjahr 2021 hatten die Zuflüsse bei knapp 3,9 Milliarden Euro gelegen - ein neuer Rekord für den Balkanstaat. Deutsche Investoren in Serbien vertrauen weiterhin auf den Standort und erweitern ihre Projekte. So hat der Relaishersteller Gruner kürzlich ein neues Werk eröffnet. Der Autozulieferer ZF gab den Startschuss zum Bau eines weiteren Werks.
Projektbezeichnung | Investition (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Eisenbahnkorridor X: Ausbau der Strecke von Belgrad nach Niš zur Schnellstrecke (Global Gateway, Teil des TENT-T) | 2.500 | Länge: etwa 230 km; Projektdokumentation eingereicht; Finanzierung: Darlehen über 550 Millionen Euro von EBRD und EIB im Genehmigungsverfahren | |
Bau eines Logistik- und Technologieparks (CTPark Belgrade City) | 400 | im Gange | |
Bau eines Windparks in Kostolac bei Vranje | 150 | Leistung: 73 MW; ehemalige Kohleabbaufläche Kostolac; Finanzierung: KfW-Darlehen über 80 Millionen Euro; Turbinen von Siemens | |
Modernisierung der Cargoflotte (Schiene) | 43 | Finanzierung: EBRD-Darlehen über 43 Millionen Euro; Ende Oktober 2022 genehmigt | |
Transbalkan-Korridor: Bau einer neuen 400-kV-Verbindung Kraljevo-Bajina Bašta | 41 | Finanzierung: KfW; in Vorbereitung | |
Ausbau von Fernwärmesystemen in Gemeinden, basierend auf erneuerbaren Energien | 38 | Finanzierung: EBRD-Darlehen über 30 Millionen Euro im Genehmigungsverfahren; Gemeindeprojekte eingereicht | |
Windpark Poljanica bei Vranje | k.A. | Leistung: 100 MW; Fläche: 486 ha; ÖPP zwischen Windflow East und Stadt Vranje; Projekt derzeit in öffentlicher Debatte | |
Ausbau des Recyclingcenters mit Energieerzeugung (Wärme) aus Abfall in Prahovo | k.A. | Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt; derzeit Suche nach passenden Anlagen | |
Agri-Solar-Park Noćaj bei Sremska Mitrovica | k.A. | Leistung: 75 MW; Fläche: 321 ha; Im Bau-Genehmigungsverfahren | |
Ausbau des Logistikzentrums und intermodales Containerterminal in Dobanovci | k.A. | Erweiterung der Container-/Lagerkapazitäten |
Weitere Informationen und aktuelle Ausschreibungen finden Sie bei der Behörde für öffentliche Beschaffung (Kancelarija za javne nabavke) und beim Ministerium für öffentliche Investitionen (Kancelarija za upravljanje javnim ulaganjima). Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite Serbien, Rubriken "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".
Der private Verbrauch ist ein wichtiger Wachstumstreiber in Serbien. Der Konsumbedarf nach der Pandemie ist immer noch groß. Die weiter steigenden Löhne und Gehälter geben positive Impulse für den privaten Verbrauch. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt in Serbien lag zum Halbjahr 2022 bei rund 101.000 Dinar (RSD), umgerechnet rund 850 Euro. Das entspricht einem realen Plus von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, so die Statistikbehörde. Das wiiw erwartet ein reales Lohnwachstum von 2 Prozent für das Jahr 2022. Die pandemiebedingt auf über 10 Prozent gestiegene Arbeitslosenquote fällt wieder in den einstelligen Bereich.
Auch in Serbien trüben die steigenden Preise jedoch die Kauflaune ein. Die serbische Regierung versucht dem entgegenzuwirken und die Preise für ausgewählte Produkte zu deckeln.
Serbiens Wirtschaft ist stark exportorientiert und die Nachfrage nach serbischen Waren hoch. Die Exporte haben im ersten Halbjahr 2022 um rund 31 Prozent, die Importe um rund 44 Prozent zugelegt, meldet die Statistikbehörde. Beachtliche Werte, auch wenn ein großer Anteil der Zuwächse durch Preissteigerungen bedingt ist. Wichtige Rahmenbedingungen sind die rege Inlandsnachfrage und eine solide Konjunktur in der EU. Sollte letztere nachgeben, wird dies negative Auswirkungen auf die serbischen Exporte haben. Serbien wickelt rund 60 Prozent seines Außenhandels mit der EU ab.
Wichtigster bilateraler Handelspartner ist Deutschland. Erstmals hat nun China die Bundesrepublik als Lieferland Nummer Eins abgelöst.
2021 | Januar-September 2022 1) | Veränderung 2022/2021 2) | |
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Importe | 28.602,7 | 27.915,7 | 36,8 |
Exporte | 21.623,2 | 19.973,0 | 27,7 |