Wirtschaftsumfeld | Serbien | US-Zollpolitik
USA belegen Serbien mit den zweithöchsten Zöllen in Europa
Die USA verhängen 35 Prozent Zölle gegen Serbien. Die direkten Folgen sind überschaubar. Doch indirekt drohen ein Rückgang der Nachfrage nach Kfz-Teilen und der Investitionen.
08.08.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Letztlich erzielte Belgrad keine Einigung mit Washington. Das von US-Präsident Donald Trump am 31. Juli 2025 unterzeichnete Zolldekret sieht Einfuhrzölle von 35 Prozent für Waren aus Serbien vor – eine leichte Absenkung um zwei Prozentpunkte der im April 2025 angedrohten Zölle. Diese traten am 7. August 2025 in Kraft.
Damit wird Serbien nach der Schweiz (39 Prozent) von den USA mit dem zweithöchsten Zollsatz in ganz Europa belegt. Selbst der Zollsatz für Amerikas größten Handelskonkurrenten, China, beträgt – zumindest vorerst noch – nur 30 Prozent. Andere Westbalkanländer wie Bosnien und Herzegowina (30 Prozent) oder Nordmazedonien (15 Prozent) kamen glimpflicher davon. Albanien, Kosovo und Montenegro wurden gar nur mit 10 Prozent Zöllen belegt. Auch Serbiens wichtigster Handelspartner, die EU, konnte sich mit Washington auf einen Zollsatz von 15 Prozent einigen.
Serbien erwirtschaftet mit USA Defizit im Warenhandel
Warum Donald Trump die Einfuhren aus Serbien überdurchschnittlich stark besteuern lässt, ist unklar. Denn das größte Westbalkanland erwirtschaftet nach Daten von Eurostat und auch des serbischen Statistikamtes mit den USA seit Jahren ein Außenhandelsdefizit beim Warenhandel. Im Jahr 2024 stieg der Warenaustausch zwischen Serbien und den USA nominal um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr. Ausfuhren von 619,5 Millionen Euro standen Einfuhren von 683,7 Millionen Euro gegenüber.
Nr. | Serbische Ausfuhren | Wert | Serbische Einfuhren | Wert |
---|---|---|---|---|
1 | Autoreifen | 141,9 | Antriebsmaschinen und Motoren | 173,3 |
2 | Nicht klassifizierte Güter 2) | 109,5 | Flugzeuge und Ausrüstung | 39,6 |
3 | Waffen, Munition | 52,5 | Nicht klassifizierte Güter | 34,8 |
4 | Verbrennungskolbenmotoren | 37,6 | Pkw | 28,5 |
5 | Tierfutter | 32,3 | Chemische Produkte | 24,0 |
Auch der Handel von Dienstleistungen zwischen Serbien und den USA verzeichnet ein Wachstum. Eine genaue Analyse ergibt hier jedoch ein differenzierteres Bild: Die serbischen Exporte von Dienstleistungen stiegen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 13,1 Prozent auf rund 1,8 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich vor allem um IT-Services. Die Importe aus den USA betrugen im gleichen Zeitraum nur 417,8 Millionen Euro. Der Handelsüberschuss liegt damit bei etwa 1,4 Milliarden Euro und dürfte auch nicht einbrechen, da der Export von Dienstleistungen von den neuen US-Zöllen nicht betroffen ist.
Serbische Waren verlieren an Wettbewerbsfähigkeit in den USA
Die neuen Zölle haben zur Folge, dass sich alle gelisteten Waren aus Serbien bei der Einfuhr in die USA verteuern. Im Vergleich mit anderen Anbietern, die nicht oder mit niedrigeren Zöllen belegt werden, verlieren serbische Anbieter ihren Preis- und damit ihren wichtigsten Wettbewerbsvorteil.
Bei einigen Produktkategorien ist der individuelle Exportanteil in die USA teils erheblich. Betroffen sind vor allem Autoreifen, gefolgt von Rüstungsgütern, darunter größtenteils Munition. Zudem liefern serbische Firmen Tiernahrung sowie verarbeitete Industriegüter wie Metallprodukte in die USA. Die Produktion von Autoreifen und die dazugehörige Zulieferindustrie stellen zusammen beinahe die Hälfte der gesamten Ausfuhren in die USA.
Kategorie | Produkte |
---|---|
Industrieprodukte | Reifen, Waffen, Munition, Kfz-Bauteile |
Landwirtschaftliche Produkte | Obst, Gemüse, Tiefkühlkost, Fleischprodukte, Weine und alkoholische Getränke |
Metallprodukte | Stahl, Aluminium, Kupfer |
Rund 700 Firmen in Serbien direkt von Zöllen betroffen
Die Folgen der neuen Zölle bekommen vor allem die rund 700 serbischen Betriebe zu spüren, die hauptsächlich für den US-Markt produzieren, ermittelte die serbische Wirtschaftskammer PKS (Privredna komora Srbije). Massiv betroffen sind beispielsweise die serbischen Werke der Reifenhersteller Toyo Tyres (Japan) oder Linglong (China), die einen größeren Teil ihrer Produktion in die USA ausführen. Dasselbe gilt für die Hersteller von Munition wie Prvi Partizan oder Jugoimport-SDPR, die zusammen für rund 20 Prozent der Exporte in die USA stehen.
Weitere betroffene Firmen sind unter anderem der italienische Produzent von Tiernahrung Farmina Pet, der Hersteller von Kupferrohren Sevojno sowie mit Tehnomarket und Testeraldie zwei Produzenten von Aluminiumprofilen. Zudem treffen die US-Zölle auf Pkw und Autoteile auch das Stellantis-Werk in Kragujevac, wo Fiat-Modelle auch für den US-Markt vom Band rollen.
Da bei 30 Prozent Zoll die Produktion der betroffenen Produkte in Serbien nicht mehr rentabel sein dürfte, prüfen Firmen wie Testeral bereits Optionen zur Fortsetzung ihrer Geschäfte. Ein naheliegender Ausweg wäre die Verlagerung der Produktion in ein Land, das mit niedrigeren Zöllen belegt wurde. Eine andere Möglichkeit wäre es, bei Tochtergesellschaften in anderen Ländern produzieren zu lassen und von dort direkt zu exportieren. Eine Verlagerung der Fertigung in die USA scheint hingegen keine realistische Option zu sein. In jedem Falle würde die Wertschöpfung nicht mehr in Serbien generiert.
Sekundäreffekte der Zölle bremsen Serbiens Wachstum
Insgesamt liegen die USA unter den serbischen Exportzielen mit einem Anteil von rund 2 Prozent am Gesamtexport nur auf Rang 19. Daher sind die direkten Auswirkungen der US-Zölle auf die serbische Volkswirtschaft überschaubar. Weitaus größere Folgen für die serbische Wirtschaft haben die 15 Prozent US-Zölle auf Ausfuhren aus der EU. Für viele exportorientierte deutsche Firmen sind die USA bis dato der wichtigste Absatzmarkt. Ihre Ausfuhren verteuern sich, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt.
Auch deutsche Firmen in Serbien bekommen die Folgen der US-Zölle zu spüren. Zahlreiche Zulieferbetriebe haben ihre Kunden in Mitteleuropa. Exemplarisch hierfür steht die Kfz-Industrie. Deutsche Lieferanten eröffneten am Wirtschaftsstandort Serbien in den letzten Jahren zahlreiche neue Werke. Sollte die Nachfrage nach Bauteilen nachlassen, sinkt die Teilefertigung. Die Nichtauslastung von Fabriken verhindert Skaleneffekte, senkt deren Rentabilität und führt im schlimmsten Fall zur Entlassung von Personal.
Umlenkungseffekte bei geplanten Investitionen befürchtet
Auch die Zusicherung der EU, rund 520 Milliarden Euro an Investitionen (FDI) in den USA zu tätigen, sowie für weitere 650 Milliarden Euro Energie aus den Vereinigten Staaten zu kaufen, könnte Serbiens Volkswirtschaft indirekt betreffen. Experten warnen vor einer Umleitung geplanter FDI weg vom Westbalkan in Richtung USA. Ein geringerer Zufluss europäischen Kapitals nach Serbien droht. Ein Investitions- und Modernisierungsstau wären die Folgen.