Wirtschaftsausblick | Taiwan
Talsohle durchschritten: Taiwans Wirtschaft startet wieder durch
Taiwan wird 2024 deutlich stärker wachsen als 2023. Die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland durchlaufen eine Hochphase.
18.06.2024
Von Alexander Hirschle | Taipei
Top-Thema: Weniger Geld für Konsum
Der private Konsum soll 2024 um knapp 3 Prozent zulegen. Allerdings senden die Verbraucher gemischte Signale. Auf der einen Seite zogen die Umsätze der lokalen Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie im 1. Quartal 2024 um 8 Prozent an. Auf der anderen Seite stürzte der Konsumindex CCI (Consumer Confidence Index) im April auf ein Fünfjahrestief ab, wofür Sonderfaktoren wie eine schwache Börsenentwicklung und ein großes Erdbeben verantwortlich waren.
Darüber hinaus drücken steigende Immobilienpreise - Taipei gilt gemäß neuer Untersuchungen als zweitteuerster Markt in Asien - auf die Konsumkraft der Einwohner. Weniger Geld in der Tasche macht die Anschaffung von meist hochqualitativen, aber auch hochpreisigen Waren "Made in Germany" schwieriger.
Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur nimmt Fahrt auf
Nach einem durchwachsenen Jahr 2023 weisen die ersten Monate 2024 auf eine Besserung der konjunkturellen Entwicklung hin. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Insel steig im 1. Quartal 2024 um 6,5 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode. Damit lag das Wachstum deutlich über den Erwartungen.
Daher erhöhten mehrere Institute ihre BIP-Vorhersagen für das Gesamtjahr 2024. Die traditionell in ihren Prognosen konservative Zentralbank erwartet ein Wachstum von etwas mehr als 3,2 Prozent. Die Statistikbehörde DGBAS setzte im Mai ihre Prognose für das BIP 2024 sogar um einen halben Prozentpunkt auf 3,9 Prozent hoch. Das Chung-Hua Institution for Economic Research geht für 2024 von einem Wachstum von 3,4 Prozent aus.
KI kurbelt Ausfuhren an
Die Industrieproduktion Taiwans stieg gemäß Angaben des Wirtschaftsministeriums MOEA (Ministry of Economic Affairs) in den ersten drei Monaten 2024 um mehr als 6 Prozent. Neben Basiseffekten aufgrund des schwachen Vorjahres sehen nahezu sämtliche Marktbeobachter vor allem die steigenden Exporte und durch KI (künstliche Intelligenz) bedingte Zusatznachfrage als Ursachen für die höhere konjunkturelle Dynamik. Diese dürften auch im weiteren Jahresverlauf und 2025 die maßgeblichen Schrittmacher sein. KI wird mittlerweile als der neue Boomsektor in Taiwan eingestuft.
Konjunkturmotor Export legt zu
Die Ausfuhren, die für rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Taiwans verantwortlich zeichnen, geben 2024 Gas. Nach einem enttäuschenden Ergebnis 2023 mit einem Minus von fast 10 Prozent zogen die Ausfuhren im 1. Quartal 2024 um satte 16 Prozent im Vergleich mit derselben Vorjahresperiode an. Prognosen gehen 2024 von einem Zuwachs der Exporte von circa 10 Prozent aus.
Positiv auf die wirtschaftlichen Aktivitäten dürfte sich auch der sinkende Preisdruck auswirken. Die Zentralbank geht für das Gesamtjahr von einer Inflation in Höhe von 2,2 Prozent aus nach 2,5 Prozent 2023. Sorgen hingegen bereiten die steigenden Preise für Energie. Die taiwanische Regierung hat die Strompreise ab April 2024 um durchschnittlich 11 Prozent erhöht, um das zuletzt stark gestiegene Defizit der Stromgesellschaft Taipower einzudämmen.
Da dies die Inflation wieder anheizen könnte, hat die Zentralbank im März 2024 beschlossen, die Zinsrate um 0,125 Basispunkte auf 2 Prozent anzuheben. Als weitere Gründe gaben die obersten Währungshüter globale wirtschaftliche Unsicherheiten an wie unter anderem die Geldpolitik anderer großer Akteure, rückläufige Wirtschaftsdynamik in China, Lieferkettenprobleme und geopolitische Risiken.
Zu diesen Risiken zählt die Eskalation des Konflikts mit China um die Unabhängigkeit Taiwans. China hatte wie erwartet auf die Wahl des Kandidaten der china-kritischen DPP (Democratic Progressive Party) William Lai zum Präsidenten Taiwans mit verstärkten Militärmanövern in den Gewässern rund um den Archipel reagiert. Eine Entspannung des Konflikts ist auch mittelfristig nicht absehbar. Allerdings halten sich die wirtschaftlichen Folgen dieser geopolitischen Reibungen bislang noch in Grenzen. Taiwan versucht jedoch mit ersten Erfolgen, sich beim Außenhandel und den Investitionen unabhängiger von China zu machen. Der Anteil Chinas an den taiwanischen Exporten ist von Anfang des Jahrzehnts bis 2023 von mehr als 40 Prozent auf nur noch 35 Prozent zurückgegangen. Deutsche Unternehmen sind von dem Konflikt bislang nur marginal betroffen.
Deutsche Perspektive: Taiwans Importe ziehen an
Taiwans Einfuhren zogen im 1. Quartal 2024 um 6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode an. Im Gesamtjahr sollen die Importe um rund 10 Prozent zulegen. Von den verbesserten Lieferperspektiven konnten deutsche Produkte aber noch nicht profitieren: Die Einfuhren aus Deutschland zeigten in den ersten Monaten nach unten. Angesichts der aufhellenden Konjunktur dürften sich die Chancen für deutsche Firmen im weiteren Jahresverlauf jedoch verbessern.
Deutsche Firmen konnten ihren Marktanteil an den taiwanischen Einfuhren im Jahr 2023 verbessern. Der deutsche Lieferanteil von 4 Prozent war gleichbedeutend mit dem aus deutscher Handelsperspektive besten Ergebnis seit 15 Jahren.
Einen Rekord erreichten auch die deutschen Direktinvestitionen in Taiwan, die 2023 auf fast 1,6 Milliarden US$ und damit um den Faktor 15 gegenüber dem Vorjahr stiegen. Deutschland war damit erstmals zweitgrößter ausländischer Investor auf der Insel nach Singapur. Umgekehrt zeichnet sich eine hohe Dynamik taiwanischer Investitionen in Deutschland ab, denn der weltgrößte Auftragshersteller für Chips, TSMC, hat in Dresden Investitionen von mehreren Milliarden US$ angekündigt. Die Zahl der taiwanischen Greenfield-Investitionen in Deutschland erreichte 2023 mit 13 Projekten ein Allzeithoch.
Weitere Informationen zu Entwicklungen in Taiwans Wirtschaft und wichtigen Branchen bietet die GTAI-Länderseite Taiwan.