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Special | Singapur | US-Zölle

Singapur beunruhigen die indirekten Auswirkungen der US-Zölle

Die Regierung unterstützt singapurische Mittelständler und forciert eine Diversifizierung der Handelspartner. Deutsche Firmen könnten vom zunehmenden Interesse profitieren.

Von Alexander Hirschle | Singapur

Singapur verfügt theoretisch über einen komparativen Vorteil gegenüber den meisten anderen asiatischen Staaten, die von den USA mit höheren Zusatzzöllen belegt wurden. Für Einfuhren aus dem Stadtstaat in die USA gilt lediglich der oft als "Basiszoll" bezeichnete Zusatzzollsatz von 10 Prozent. Waren aus Singapur könnten nach Einschätzung der Economist Intelligence Unit (EIU) vielleicht sogar Marktanteile in den USA gewinnen. Lokale Medien berichten, dass Auftragshersteller die Produktion von Elektronikerzeugnissen, die für den US-Markt bestimmt sind, im 2. Quartal 2025 sogar von China und Vietnam temporär nach Singapur verlagert hätten.

Der Stadtstaat steht allerdings nur in wenigen Bereichen wie Halbleiter und Elektronikprodukten in direkter Konkurrenz zu anderen Ländern innerhalb der Region. Im Gegensatz zu Vietnam, den Philippinen oder Indonesien werden kaum Konsumgüter oder einfache Komponenten mit geringer Wertschöpfung hergestellt. Und Halbleiter oder Arzneimittel, Singapurs wichtigste Exportprodukte in die USA, sind von den US-Zöllen ausgenommen.

Singapur begegnet Zollerhöhungen pragmatisch

Nach der ersten Runde der Zollankündigungen Anfang April 2025 war die Enttäuschung noch groß, obwohl die USA das südostasiatische Land mit einem niedrigen Zusatzzoll belegt hatten. Bis Mitte des Jahres setzte sich der für den Stadtstaat typische Pragmatismus wieder durch: "Singapur muss realistisch sein und die Welt so nehmen wie sie ist", so Premierminister Lawrence Wong. Die Zollerhöhungen der USA seien nicht ideal, aber man könne damit leben und weiterhin Geschäfte machen.

Die Wirtschaft Singapurs ist grundsätzlich gut aufgestellt. Das reale Wirtschaftswachstum übertraf im 2. Quartal 2025 mit 4,3 Prozent die ursprünglichen Prognosen. Die Exporte des Stadtstaates entwickelten sich in den ersten sechs Monaten 2025 überraschend positiv mit einem Plus von 5,2 Prozent – allerdings auch bedingt durch das sogenannte Frontloading von Bestellungen, um etwaigen weiteren Zollerhöhungen zu entgehen.

Dennoch dürften einige lokale Firmen leiden. Durch die starke Finanzwirtschaft und den Tourismus liegt zwar ein deutlicher Fokus auf dem Dienstleistungsbereich. Trotzdem trägt die verarbeitende Industrie immer noch etwa ein Fünftel zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts bei. Aus diesem Grund gewährt die Regierung kleinen und mittelständischen Firmen, die von den Zöllen betroffen sind, ab Oktober 2025 Zuschüsse von bis zu 100.000 Singapur-Dollar (knapp 80.000 US-Dollar). Das Programm ist auf zwei Jahre ausgelegt. Die Unternehmen sollen damit Beratungsleistungen zu Freihandelsabkommen, Lieferkettenorganisation sowie rechtlichen und vertraglichen Problemen finanzieren können.

Indirekte Auswirkungen stärker gefürchtet

Singapur gilt in der Region als sehr selbstbewusst und profitiert als Logistikhub von der Globalisierung. Das Land setzt in vielen Bereichen die Messlatte sehr hoch und ist als alternativer Standort für die Diversifizierung internationaler Unternehmen stark gefragt. Daher zieht die Löwenstadt über die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen an, die in die regionale Staatengemeinschaft Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) fließen. Gleichzeitig ist die Volkswirtschaft aber stark abhängig vom Welthandel und einer boomenden Wirtschaftsregion Asien.

Vor diesem Hintergrund fürchten die Verantwortlichen im Stadtstaat vor allem die indirekten Folgen der Trump´schen Zollpolitik. Laut Einschätzung der EIU macht man sich in Singapur weniger Sorgen darüber, wer den größten Anteil am Kuchen bekommt – vielmehr geht es um die Frage, wie groß der Kuchen des Welthandels überhaupt noch sein wird. Problematisch erscheinen vor allem etwaige Unterbrechungen in den Lieferketten, eine nachlassende internationale Nachfrage, und dass das Vertrauen von Investoren rund um den Globus schwindet.

Deutsche Firmen erwarten stärkere Konkurrenz aus China

Rund 2.300 deutsche Unternehmen sind vor Ort aktiv, die meisten mit regionaler Verantwortlichkeit für die ASEAN-Region oder sogar ganz Asien. Käme es aufgrund der Zollerhöhungen regional oder global zu Verwerfungen des Handels, würde das wegen der eng verflochtenen Lieferketten auch die Aktivitäten deutscher Firmen in Singapur beeinflussen. Das betrifft besonders den Elektronik- und Halbleiterbereich.

Einfuhren aus der EU profitieren vom 2019 geschlossenen Freihandelsabkommen mit Singapur. Die Wettbewerbssituation gegenüber US-Firmen hat sich dort für deutsche Unternehmen somit nicht verändert. Der Stadtstaat ist unter den ASEAN-Mitgliedern die wichtigste Exportdestination für Waren aus Deutschland. Viele der Güter werden jedoch in die Region weitergeleitet.

Sorgen bereitet deutschen Firmen in Singapur wie in ganz Südostasien die seit Jahren stärker werdende Marktposition chinesischer Unternehmen. Wenn diese neue Märkte abseits der USA suchen, dürfte sich die Konkurrenzsituation für deutsche Firmen weiter verschärfen. Beispielsweise holte sich der chinesische Kfz-Hersteller BYD im 1. Halbjahr 2025 die Pole Position unter allen Autoverkäufen. Der Anteil von BYD an den Neuregistrierungen lag bei rund 20 Prozent, und das nur zwei Jahre nach dem Markteintritt des Herstellers in Singapur.

Mehr Interesse an Deutschland

In Gesprächen mit singapurischen Regierungsvertretern ist ein gestiegenes politisches Interesse an der Diversifizierung der Handelsbeziehungen zu vernehmen. Neben Schwellenländern in Lateinamerika und Afrika rücken auch traditionelle Partner wieder in den Fokus. Dazu zählen nicht nur Länder in Asien, sondern auch in Europa, unter anderem auch Deutschland.

Ebenso dürften sich lokale Unternehmen künftig stärker in Richtung Deutschland orientieren. Branchenvertreter aus Singapur sprechen sogar davon, dass Firmen jetzt einen zweiten Blick auf die Geschäftsmöglichkeiten in der EU und vor allem in Deutschland werfen. Auch die AHK Singapur registriert ein deutlich steigendes Interesse an Messeauftritten in Deutschland.

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