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Markttrends
Über dem Automobilstandort Slowakei brauen sich dunkle Wolken zusammen. Neben den neuen US-Zöllen gefährden hohe Steuersätze und der Personalmangel die Wettbewerbsfähigkeit.
25.09.2025
Von Gerit Schulze | Bratislava
Kaum ein Standort der europäischen Automobilindustrie leidet stärker unter den neuen US-Zöllen als die Slowakei. Schließlich machen Pkw 70 Prozent der Exporte in die USA aus. Ein Zehntel des Bruttoinlandsproduktes und die Hälfte der Industrieproduktion entfallen auf die Automobilindustrie.
Trumps Zölle als Damoklesschwert
Besonders betroffen von den neuen Einfuhrzöllen sind die Werke von Volkswagen in Bratislava und Jaguar Land Rover in Nitra – ihre Modellpaletten waren bislang stark auf nordamerikanische Kunden ausgerichtet. Auch Stellantis und Kia produzieren in der Slowakei. Mit Volvo baut ein fünfter Konzern eine neue Fabrik bei Košice. Hinzu kommen zahlreiche Zulieferer.
je 1.000 Einwohner produziert die Slowakei pro Jahr – das ist Weltrekord.
Die Regierung hat deshalb ein Maßnahmenpaket geschnürt, um der Branche unter die Arme zu greifen. Sie will weitere Investitionshilfen bereitstellen, Unternehmen bei der Dekarbonisierung und Einführung der Kreislaufwirtschaft helfen, den Bildungssektor an die Bedürfnisse der Autoindustrie anpassen und bei der Versorgung mit Rohstoffen unterstützen. Testkorridore für autonomes Fahren sollen der Technologie schneller zum Durchbruch verhelfen.
Der Höchststand der slowakischen Fahrzeugproduktion wurde 2019 mit 1,11 Millionen Autos im Jahr verzeichnet. Seitdem forderten die Coronapandemie, Engpässe bei der Versorgung mit Kfz-Teilen und Halbleitern sowie die Absatzflaute in wichtigen Märkten die Branche heraus. Wenn Volvo ab 2027 seine Produktion in Košice anfährt, könnten in der Slowakei knapp 1,3 Millionen Pkw pro Jahr vom Band laufen.
Standort verliert Wettbewerbsfähigkeit
Allerdings dürfte damit das Maximum erreicht sein. In jüngster Zeit kam das Land bei der Produktion neuer Modelle seltener zum Zuge. VW wird seinen neuen elektrischen Kleinwagen ID.1 nicht in Bratislava fertigen lassen, sondern im portugiesischen Palmela.
Stellantis gab im Frühjahr 2025 bekannt, ein neues Elektroauto unter dem Codenamen B10 im spanischen Saragossa statt im slowakischen Trnava zu bauen. Gegen die Slowakei sprachen laut Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny die hohen Arbeitskosten, die gestiegene Körperschaftsteuer sowie die neue Finanztransaktionssteuer. Bereits 2023 hatte Stellantis das Erfolgsmodell Peugeot 208 (Verbrennerauto) von Trnava nach Marokko verlegt.
Ein Nachteil des Standortes ist laut Branchenexperten, dass es in der Nähe keine große Batteriefabrik gibt. Die in Šurany geplante Gigafactory des chinesischen Herstellers Gotion zusammen mit dem slowakischen Unternehmen InoBat steckt noch in der Planungsphase.
Auch erste Zulieferer verlassen das Land. Calearo Antenne gibt seinen Standort im westslowakischen Šamorín auf. ZF kündigte an, seine Fabrik in Detva bis Mitte 2026 zu schließen. Dort werden Komponenten für Lenkung und Federung hergestellt. Dafür soll das Werk in Trnava für 130 Millionen Euro ausgebaut werden, wo ZF Teile für Hybrid- und Elektroantriebe entwickelt.
VW orientiert sein Komponentenwerk im Ort Martin ebenfalls um auf Elektromobilität. Dort werden nun auch Differentiale für die Premium Platform Electric (PPE) von VW gefertigt.
Neuwagengeschäft geht nach Sonderkonjunktur zurück
Am Neuwagenmarkt gab es 2024 eine kleine Sonderkonjunktur. Nach Bekanntgabe der Mehrwertsteuererhöhung für das Folgejahr zogen viele Autokäufer ihre Anschaffungen im letzten Quartal des Jahres vor. Der Pkw-Absatz stieg deshalb um 6 Prozent.
Diese Dynamik setzte sich im Jahresverlauf 2025 nicht fort. Im 1. Halbjahr schrumpfte die Zahl der Neuregistrierungen bei Pkw um 4 Prozent. Zweistellig waren die Rückgänge bei Nutzfahrzeugen und Bussen. Der Verband ZAP SR prognostiziert für 2025 ein Minus von 6 Prozent bei den Pkw-Neuzulassungen.
Kategorie | 2023 | 2024 | 1. Halbjahr 2025 | Veränderung 1. Halbjahr 2025 / 1. Halbjahr 2024 |
|---|---|---|---|---|
Pkw (M1) | 88.003 | 93.409 | 45.150 | -4,2 |
Leichte Nutzfahrzeuge (N1) | 9.107 | 9.061 | 4.031 | -23,1 |
Lkw (N2, N3) | 3.939 | 3.412 | 1.581 | -15,8 |
Busse (M2, M3) | 793 | 252 | 81 | -49,7 |
Der Rückgang beim Neuwagenverkauf betraf im 1. Halbjahr 2025 vor allem Toyota (-19 Prozent), Hyundai (-18 Prozent) und Dacia (-28 Prozent). Auch die deutschen Hersteller VW (-3 Prozent), Mercedes-Benz (-9 Prozent) und BMW (-2 Prozent) verkauften weniger Autos als im Vorjahrszeitraum. Dagegen konnten französische Marken wie Peugeot (+32 Prozent) und Citroën (+37 Prozent) stark zulegen.
Der chinesische Anbieter BYD startete im Frühjahr 2025 seine Verkaufsoffensive in der Slowakei. Das Unternehmen will 20 Verkaufs- und Servicestellen eröffnen. Im Nachbarland Ungarn errichtet BYD zurzeit eine eigene Fabrik. Die Slowakei könnte für den Hersteller aus China zu einem Testlauf für den Absatz in der EU werden. Im 1. Halbjahr 2025 verkaufte BYD im Land allerdings nur zehn Neuwagen.
Bei leichten Nutzfahrzeugen (Kategorie N1) waren Toyota, Ford und Renault im 1. Halbjahr 2025 die erfolgreichsten Marken. VW konnte seine Verkaufszahlen um 90 Prozent auf 400 Einheiten steigern. Fast 6 Prozent der neu zugelassenen leichten Nutzfahrzeuge waren im 1. Halbjahr 2025 vollelektrisch (225 Einheiten).
| Hersteller | Absatz 2024 | Absatz 1. Halbjahr 2025 | Marktanteil 1. Halbjahr 2025 in % |
|---|---|---|---|
| Škoda | 19.342 | 9.482 | 21,0 |
| Kia | 8.964 | 4.291 | 9,5 |
| Volkswagen | 8.532 | 4.254 | 9,4 |
| Toyota | 9.309 | 4.111 | 9,1 |
| Hyundai | 8.463 | 3.708 | 8,2 |
| Dacia | 4.083 | 1.653 | 3,7 |
| Peugeot | 3.266 | 1.609 | 3,6 |
Hybridautos immer beliebter
Benzinmotoren bleiben die beliebteste Antriebsart, verlieren aber weiter Marktanteile. Im 1. Halbjahr 2025 waren 43 Prozent der Neuwagen mit Benzinmotoren ausgestattet – drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Anteil von Hybridfahrzeugen stieg um sieben Prozentpunkte auf 37 Prozent, der von Elektroautos verdoppelte sich nahezu auf 4,4 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Neuwagenverkäufe (52 Prozent) entfiel 2024 auf SUV-Fahrzeuge. Weitere 26 Prozent waren Mittelklassewagen.
Durchschnittsalter des Fuhrparks steigt weiter
Insgesamt waren in der Slowakei Ende Juni 2025 laut Polizeistatistik über 3,8 Millionen Fahrzeuge registriert, davon 2,7 Millionen Pkw. Der Motorisierungsgrad war mit 516 Autos pro 1.000 Einwohner nach Angaben des Europäischen Autoindustrieverbandes ACEA 2023 niedriger als im EU-Durchschnitt (563). Das Durchschnittsalter der slowakischen Pkw lag 2023 bei 15,1 Jahren und damit fast fünf Jahre höher als in Deutschland.