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Special | Slowakei | EU-Förderung
Mehr Transparenz und Vergabetempo: Diesmal setzt die Slowakei auf ein einziges Programm, um 12,6 Milliarden Euro in Projekte umzuleiten. Fast die Hälfte wird 2023 ausgeschrieben.
22.03.2023
Von Miriam Neubert | Bratislava
Beim Abfluss von Fördermitteln der Europäischen Union (EU) zählte die Slowakei bisher zu den Schlusslichtern und musste in der Vergangenheit viel Geld für Vergabefehler bezahlen. Die Regierung ringt seit ihrem Amtsantritt im März 2020 mit Versäumnissen der Vorgängerregierung. Sie versucht durch Entbürokratisierung oder Umlenkung in andere Ziele EU-Fördermittel aus der Periode 2014 bis 2020 so weit es geht abfließen zu lassen, damit sie dem Land nicht verloren gehen. Ende Februar 2023 waren 68 Prozent der 14,5 Milliarden Euro geschöpft.
Bis Ende 2023, wenn die alte Periode endgültig abgeschlossen wird, stehen noch 4,7 Milliarden Euro aus. Seit März 2023 veröffentlicht das für die Fördermittel zuständige Ministerium für Investitionen, Regionalentwicklung und Informatik eine Liste der Projekte, die Mittel zugesprochen bekamen, sie aber noch nicht abgerufen haben und mahnt zur Eile.
Für die Förderperiode 2021 bis 2027 wurde daher ein neuer Ansatz gewählt. Statt sechs operationelle Programme gibt es nur noch eins, das Programm Slovensko; statt 33 zuständige Instanzen nur noch ein Dutzend. Die Regeln wurden vereinheitlicht. Das soll das Management verbessern, die Ausschöpfung beschleunigen und Transparenz schaffen. Die mit der Europäischen Kommission unterzeichnete Partnerschaftsvereinbarung spiegelt diese Reform. Es ist das Schlüsseldokument, in dem die Slowakei festschreibt, wie sie die Finanzmittel einsetzen und zu den europäischen Zielen beitragen will.
Das neue kohäsionspolitische Förderpaket umfasst für die Slowakei 12,6 Milliarden Euro an europäischen Geldern und wird samt der nationalen Kofinanzierung von fast 3 Milliarden Euro ein Treiber wesentlicher Investitionsvorhaben sein. Die neue Förderphase wurde im Februar 2023 eingeläutet. Dabei steht die Regierung von Ministerpräsident Eduard Heger unter Zeitdruck. Seit einem Misstrauensvotum ist sie nur noch kommissarisch bis zu den Neuwahlen Ende September 2023 im Amt. Es wird daher ein großer Aufschlag.
Schon 2023 sollen über insgesamt 138 Förderrunden fast 5,8 Milliarden Euro ausgerufen werden, um die sich Antragsteller mit Investitionsvorhaben bewerben können. Das sind 46 Prozent der bis 2027 der Slowakei zur Verfügung stehenden europäischen Fördermittel. Davon sollen 2,5 Milliarden Euro in den Umweltschutz, erneuerbare Energien und Energieeffizienz fließen, 1,8 Milliarden in Soziales und Bildung, 1,1 Milliarden in Forschung und Entwicklung sowie 0,5 Milliarden in die Modernisierung von Straßen, in neue Fahrradwege und den öffentlichen Nahverkehr.
Dem Zeitplan der Aufrufe zufolge geht es im 2. Quartal um Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, Gebäudeenergieeffizienz, Wasserwirtschaft oder die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität. Im 3. Quartal kommen Energieeffizienz in Unternehmen, Energiespeicher, Projekte der Kreislaufwirtschaft oder Digitalisierungsmaßnahmen hinzu. Bei dem Großteil der Aufrufe betrifft die Förderfähigkeit das gesamte Land.
Nationales Koordinierungsorgan für die Mittel der Kohäsionspolitik ist das Ministerium für regionale Entwicklung. Die Ziele sind durch die Investitionspolitik der EU vorgegeben.
Politisches Ziel | Geplante Aktivitäten | Designierte EU-Fördermittel |
---|---|---|
1 Wettbewerbsfähigere und intelligentere Slowakei | Entwicklung und Erweiterung der Forschungs- und Innovationskapazitäten; Digitalisierung für Bürger, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Staat; nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der KMU; Entwicklung der intelligenten Spezialisierung und Industrietransformation; verbesserte digitale Verbindung | 1,9 |
2 Grünere Slowakei 2) | Energieeffizienz und CO₂-Senkung; erneuerbare Energien; intelligente Energiesysteme, -netze und -speicher; Anpassung an den Klimawandel, Prävention von Risiken und Katastrophen; Verbesserung der Wasserqualität und Abwasserklärung; Übergang zur Kreislaufwirtschaft; Erforschung, Sanierung und Monitoring von Umweltlasten; Umweltschutz und Biodiversität; saubere Mobilität; nachhaltige Fischereiwirtschaft | 4,2 |
3 Verbundenere Slowakei | Bau neuer Autobahnen und Schnellstraßen; Entwicklung von Hauptschienentrassen und -knoten; Wasserinfrastruktur; Straßen 1. Ordnung, Kreuzungen, Brücken; Straßen 2. und 3. Ordnung; lokale Verkehrsinfrastruktur; Beseitigung von Flaschenhälsen der Eisenbahninfrastruktur | 2,0 |
4 Sozialere und inklusivere Slowakei | Anpassungsfähiger und zugänglicher Arbeitsmarkt; qualitative inklusive Ausbildung; Garantien für junge Menschen; Bekämpfung Nahrungs- und materieller Not; soziale Innovation und Experimente | 3,3 |
5 Bürgernahes Europa | Aufbau von administrativen und analytisch-strategischen Strukturen lokaler und regionaler Akteure; bessere öffentliche Politik und offenes Regieren; Prävention negativer gesellschaftlicher Erscheinungen und Schaffung eines sicheren Umfelds; zugängliche Pflegeeinrichtungen; lokale Infrastruktur für Sport und Freizeit; Dienstleistungen und Infrastrukturen des kulturellen Erbes, der kommunalen Entwicklung, des nachhaltigen Tourismus | 0,4 |
Spezifisches Ziel | Fonds für eine gerechte Transformation | 0,4 |
Technische Hilfe | 0,4 | |
Insgesamt | 12,6 |
Die Slowakei hat in den Verhandlungen mit Brüssel auch nationale Prioritäten durchgesetzt. Es geht dabei um in der Vergangenheit versäumte, dringend nötige Investitionen in Straßen, Wasserleitungen, Kanalisation oder die Beseitigung von Umweltaltlasten. Das soll die regionalen Ungleichgewichte abbauen und eine gleichmäßigere Teilhabe der Regionen an der wirtschaftlichen Entwicklung sicherstellen.
Das Operationelle Programm Slovensko enthält zudem Mittel der technischen Hilfe und in einem spezifischen Ziel Mittel aus dem Europäischen Fonds für einen gerechten Übergang. Dieser unterstützt gemäß dem slowakischen Plan für eine gerechte Transformation den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen slowakischen Regionen mit 441 Millionen Euro. Es geht um die Regionen Trenčín (horná Nitra), Košice und Banská Bystrica.
Das Partnerschaftsabkommen sieht darüber hinaus elf Programme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vor. Davon betreffen vier (Interreg VI) die bilaterale Zusammenarbeit jeweils mit Tschechien, Österreich, Ungarn und Polen. Hinzu kommt das Mehrländerprogramm Interreg VI-A Next, das Ungarn, die Slowakei, Rumänien und die Ukraine umfasst.
Speziell kleine und mittelständische Unternehmen können sich unter Ziel 1 "Wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa" mit bestimmten Projekten um Zuschüsse bewerben - beim Ausbau der Forschung und Entwicklung zwischen den Sektoren oder der Kooperation mit Universitäten, der Clusterbildung, der Entwicklung innovativer Produkte oder der Digitalisierung. Unter Ziel 2 "Ökologischeres Europa" werden auch Projekte der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien von Firmen gefördert.
Umgekehrt können Anbieter prüfen, im Rahmen welcher geplanten Aktivitäten ihre Produkte oder Dienstleistungen nachgefragt werden. Mülltrennungs- und Recyclinglösungen, Abwasserkläranlagen, Messtechnik, Filter, Energiespeicher, emissionsarme Fahrzeuge oder Aquakulturausrüstungen beispielsweise dürften mit Projekten unter Ziel 2 verbunden sein. Tiefbauarbeiten oder Bahntechnik fallen besonders unter Ziel 3. Die Sanierung von Denkmälern läuft unter Ziel 5, die Verbesserung der Krankenhausinfrastruktur unter Ziel 4. Mit Blick auf die Einzelheiten sind aber die einzelnen Aufrufe abzuwarten.
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